Zwischen den hohen Schneehügeln sieht die Hütte aus wie ein gestrandetes Holzschiff.

Im Lichterglanz der Hütte

Ein Kurzurlaub für die ganze Familie
01.12.2016

von Freya Pietsch

Wenn die Kinder quengeln und draußen der Nebel hängt, hilft nur eines: ab in den Hochschwarzwald. Im Schnee toben und anschließend beim Basteln in der Schwarzwaldhütte gemeinsam herunterkommen.

„Ahhhh!“ Mit einem Schrei springt Benedikt in den Schneehügel. Verschwindet kurz in einer Wolke aus Weiß. Um dann mit neuem Kampfgeheul einen Schneeball in meine Richtung zu werfen. Vor zwei Sekunden hat unser Familienauto drei überdrehte Kinder in die Freiheit entlassen – und uns Eltern gleich hinterher. Ich habe mich noch nicht einmal umgeschaut, schon muss ich mich ducken, um dem Schneeball auszuweichen. Ob das eine gute Idee war, heute auf den Feldberg zu fahren? „Mama“, eine kleine Hand zupft an meiner Jacke, „der Schnee sieht aus wie Schlagsahne auf einem Riesenkuchen. Das ist schön.“ Die Augen von Friederike strahlen. „Ja, das ist toll“, ruft auch Viktoria, unsere Jüngste, und stakst Benedikt hinterher. Okay, ich bin überredet, es war eine gute Idee. Der erste Schnee im Winter ist immer etwas Besonderes.

Raus aus dem Hamsterrad

Heute morgen haben wir in Windeseile das Auto gepackt: Schlitten, Ersatzklamotten, Vesper… und eine Kiste mit Bastelsachen für die Hütte. Daheim stapelt sich die Arbeit. Wäscheberge im Badezimmer, unerledigte Post im Büro und in den Kinderzimmern ein Chaos, das mindestens so undurchdringlich ist wie das in meinem Kopf. Nichts wie raus hier, habe ich gedacht. Raus aus dem Hamsterrad, raus aus dem Nebel, der ums Haus kriecht und das Gefühl der Enge drinnen noch verstärkt. Und die Flucht hat sich gelohnt: Vor mir toben drei rotwangige Kinder im Schnee, ans Auto gelehnt, ganz entspannt mit Sonnenbrille, mein Mann. Unter uns schmiegt sich die Seebuck Hütte an den Hang. Zwischen den hohen Schneehügeln sieht sie aus wie ein gestrandetes Holzschiff. Während die Kinder noch spielen, bahnen wir Eltern uns mit der Bastelkiste den Weg nach unten.

Endlich mal Zeit um mit den Kindern zu basteln. Zuhause war nie die Zeit. Oder die Ruhe.
Endlich mal Zeit um mit den Kindern zu basteln. Zuhause war nie die Zeit. Oder die Ruhe. © Michael Spiegelhalter

Und rein in die warme Hütte

Eine mollige Wärme begrüßt uns in der Hütte. Rainer und Brigitte Oberle, die freundlichen Betreiber, haben uns nach meinem Anruf heute morgen einen Platz am großen grünen Kachelofen reserviert. Seit zehn Jahren betreiben sie die Feldberg-Hütte direkt am Skilift auf 1275 Meter Höhe über dem Meeresspiegel. Wir schälen uns aus den Jacken und schmiegen uns an den Ofen. Brigitte bringt Bier und heiße Schokolade. Und wir machen erst einmal gar nichts. Was für eine wohltuende Ruhe! Draußen türmen sich die Schneeberge, Eiszapfen hängen am Fenster. Hier drinnen, in dieser urigen Hütte, fühlen wir uns geschützt wie in einem Kokon.

Zeit zum Basteln

Für kurze Zeit zumindest. Dann bricht Benedikt durch den Kokon. „Mama, guck mal ein Fuchs“, ruft er und deutet auf ein ausgestopftes Tier an der Wand. „Und dort, ein Gewehr. Hier ist es schön, hier würde ich gerne wohnen.“ „Fangen wir jetzt an zu basteln?“, drängt Friederike, unsere Kreative, die mit roten Wangen auch genug vom Schnee hat. Wie oft hat sie uns daheim geplagt, endlich mal mit ihr zu basteln. Und nie war die Zeit. Oder die Ruhe. Oder beides. Aber hier oben gibt es keine Wäscheberge, keine unerledigten Aufgaben. Hier oben gibt es nur das warme Holz, den Ofen, die stille Herzlichkeit der Familie Oberle und – uns.

Laternen basteln, das hat sich Friederike gewünscht. Jetzt, da die Nächte länger werden und die Tage dunkler.
Laternen basteln, das hat sich Friederike gewünscht. Jetzt, da die Nächte länger werden und die Tage dunkler. © Michael Spiegelhalter

Emsige Kinderhände greifen nach den Holz-Rohlingen, die Patrick auf dem Tisch verteilt hat. Laternen basteln, das hat sich Friederike gewünscht. Jetzt, da die Nächte länger werden und die Tage dunkler. „Gute Idee“, hat Patrick gemeint, „die kann man immer wieder anzünden, nicht nur an Sankt Martin.“ Er hilft Viktoria, ein Eichhörnchen aus dem schwarzen Tonpapier zu schneiden, um es anschließend mit Transparentpapier zu hinterkleben. „Ich mache eine Troll-Laterne. Uaahh! Mit einem gefährlichen Waldtroll. Und Feuer. Und einer Höhle.“ Benedikts Phantasie schlägt Purzelbäume.

Eine mollige Wärme begrüßt uns in der Hütte.
Eine mollige Wärme begrüßt uns in der Hütte. © Michael Spiegelhalter

Leise setze ich mich neben Friederike, die ganz vertieft ist in ihrer Arbeit. Aus dem schwarzen Tonpapier lässt sie eine Hütte entstehen, dann zaubert sie mit Transparentpapier warmes, gelbes Licht in die Fenster. „Das ist unsere Hütte, Mama“, sagt sie und streckt mir stolz ihr Werk entgegen. Vickys Zunge wandert derweil von einem Mundwinkel in den anderen. Hochkonzentriert schneidet sie eine Tanne aus. Patrick hilft geduldig – ich könnte ihn umarmen dafür. Basteln gehört nun wirklich nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Aber hier oben scheint es ihm direkt Spaß zu machen.

Emsige Kinderhände greifen nach den Holz-Rohlingen, die Patrick auf dem Tisch verteilt hat.
Emsige Kinderhände greifen nach den Holz-Rohlingen, die Patrick auf dem Tisch verteilt hat. © Michael Spiegelhalter

Benedikts Troll hat in der Zwischenzeit eine Höhle bekommen. Die Pommes, die Steffen, der Sohn der Oberles, zur Stärkung an den Tisch bringt, kommen wie gerufen. „Wenn ihr fertig seid, dürft ihr noch nach oben gehen. Dort sind noch mehr ausgestopfte Tiere.“ „Au jaaa!“, kommt es wie aus einem Mund. Dann wieder konzentriertes Schneiden und Kleben. Zwischendurch hört man genüssliches Schmatzen. „Passt auf, dass ihr keinen Ketchup auf die Laternen schmiert“, mahnt Patrick. Nach einer weiteren halben Stunde sind die Laternen fertig. Richtig kleine Kunstwerke sind es geworden. Logisch, dass wir die vor der Heimfahrt auch noch ausprobieren möchten.

Leuchtende Eichhörnchen, Trolle und Hütten tanzen vor uns auf dem Weg.
Leuchtende Eichhörnchen, Trolle und Hütten tanzen vor uns auf dem Weg. © Michael Spiegelhalter

„Das war ein schöner Tag“

Draußen beginnt es gerade zu dämmern. Wir verabschieden uns von den Oberles und laufen hinter der Hütte in den Wald hinein. Ganz still ist es hier. Nur das Knarzen des Schnees unter unseren Füßen und das Plätschern des Baches ist zu hören. Andächtig tragen die Kinder ihre Lichter. Leuchtende Eichhörnchen, Trolle und Hütten tanzen vor uns auf dem Weg.  Vickys kleine Hand schiebt sich in meine. Ich denke an die bevorstehende Heimfahrt. Von hier oben sehen die Wäscheberge auf einmal lächerlich klein aus. Viel zu unwichtig, um deshalb so viel Aufhebens zu machen. „Das war ein schöner Tag. Machen wir das mal wieder?“ fragt Viktoria und schaut zu mir hoch. „Auf jeden Fall“, sage ich und drücke ihre Hand.

„Das war ein schöner Tag. Machen wir das mal wieder?“
„Das war ein schöner Tag. Machen wir das mal wieder?“ © Michael Spiegelhalter

Gut zu wissen

Alltagstrott ade! Hütten für die Auszeit

Urige Hütten zur Einkehr oder für einen gemütlichen Familiennachmittag gibt es im Hochschwarzwald einige. Wer sichergehen möchte, dass die Familie auch wirklich einen Platz bekommt, sollte vorab reservieren. Das gilt besonders für die Wintersport-Hochsaison. Apropos: Um eine gute Zeit miteinander zu verbringen, muss es nicht gleich ein Bastelprojekt sein. Ein Brett- oder Kartenspiel oder Papier und Stifte zum Malen tun es auch.