Franz Morat junior in Paris

Von Eisenbach in die ganze Welt

Antriebstechnik aus dem Hochschwarzwald
29.10.2019

von Daniela Conrady

Zahnräder haben eine lange Tradition im Hochschwarzwald. Einst wurden sie von findigen Tüftlern in der heimischen Bauernstube mühsam von Hand produziert und für die Uhrmacherei eingesetzt. Heute finden sie auch Verwendung in vielen anderen Branchen und werden in die ganze Welt vertrieben. Ein Unternehmen, das diesen Weg von an Anfang an mitgestaltet hat, ist die Franz Morat Group aus Eisenbach.

Ob deutsches, französisches oder japanisches Modell: In fast jedem Auto, das heute auf unseren Straßen unterwegs ist, sind Teile der Franz Morat Group verbaut. Die speziellen Zahnräder sind in elektrischen Fensterhebern, automatischen Heckklappenöffnern oder direkt im Antriebsstrang der Fahrzeuge zu finden. Auch in Industrie-Kaffeemaschinen, in Windkraft- und Solaranlagen, in Kurven-Treppenliften und Medizingeräten leistet Antriebstechnik aus Eisenbach ihre Dienste.

Seit jeher besteht die Familie Morat aus leidenschaftlichen Tüftlern und Erfindern. Die Anfänge des Unternehmens lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Karl Morat stellte 1836 in einer kleinen Werkstatt in Eisenbach seine ersten Spindelbohrer und Hohltriebe in mühevoller Handarbeit her. Zunächst verwendete er dafür den nachwachsenden Rohstoff Holz, doch schon bald löste Messing diesen ab. In eben dieser Zeit fasste die Uhrmacherei im Schwarzwald Fuß. Die Uhrmacher benötigten viele kleine Bauteile, und mithilfe von Karl Morats filigranen Werkzeugen ließen sich die entsprechenden Zahnräder fertigen. Zahnräder, die bis heute zum Geschäftsschwerpunkt des Unternehmens gehören.

Von Generation zu Generation weitergegeben

Viele Kinder gehörten seit jeher zur Familie Morat – Karl hatte sieben. Sein Sohn Johann stieg schon früh in den väterlichen Betrieb ein, lernte Werkzeug- und Maschinenschlosser und sammelte eine Menge Erfahrung. Schon bald erkannte auch er, dass Präzision einer der Schlüssel zum Erfolg war. 1863 machte sich Johann mit einem eigenen Betrieb selbständig – und zwar auf dem Höchst, wo seine Schwiegereltern einen kleinen Laden und eine Poststelle besaßen. 13 Kinder schenkte ihm seine Frau Emiliana, sechs Söhne stiegen auch hier in das väterliche Unternehmen ein. Nachdem er seinem Bruder Alexander die Mühle in Untereisenbach abgekauft hatte, verwandelte Johann den kleinen Handwerksbetrieb in ein wachsendes Industrieunternehmen mit einem Maschinenpark, der durch Wasserkraft angetrieben wurde.

Im ursprünglichen Stammhaus liegen die Anfänge des Familienunternehmens, das Johann Morat mit sechs seiner Söhne führte.
Im ursprünglichen Stammhaus liegen die Anfänge des Familienunternehmens, das Johann Morat mit sechs seiner Söhne führte. © Franz Morat Group

Von Generation zu Generation wurde die Technikbegeisterung weitergegeben. Johanns Sohn Franz Morat sen. legte 1912 mit der Spezialisierung auf Zahnräder für die Uhrenindustrie den eigentlichen Grundstein für das heutige Unternehmen. Innovativ sind die Morats seit jeher, neue Ideen gingen ihnen nicht aus und so erweiterten sie kontinuierlich ihre Geschäftsfelder. „So war es Franz sen., der einen Zeitauslöser für die Fotografie erfand und patentieren ließ“, blickt der heutige Geschäftsführer Gökhan Balkis zurück. Damit begann auch die Internationalisierung der Firma, die mit neuen Produkten wie Manometerzeigerwerken, Federlauf- und Zählwerken sowie Registrierwerken weiter voranschritt.

Aus dem Schwarzwalddorf nach Paris

Sohn Franz jun. brach sein Studium ab und baute in den 1930er-Jahren den internationalen Vertrieb für das väterliche Unternehmen auf. Mit dem Motorrad reiste er quer durch Europa. Für Kunden in der Mode- und Kunststadt Paris hatte er die Zeitauslöser für Fotoapparate mit im Gepäck. Anfangs montierte er diese noch auf seinem Bett im Hotelzimmer, bevor es später eine Niederlassung in Paris gab.

Weitere Innovationen folgten: Franz jun. führte 1963 die Kunststoffverarbeitung durch Spritzgießen ein, die heute ebenso wie die Antriebstechnik zum Kerngeschäft gehört. „Ein weiterer Meilenstein der Firmengeschichte war im selben Jahr die Entwicklung der Moratronic, der ersten vollelektronischen Rundstrickmaschine der Welt“, so Balkis. „Der Verkauf des dafür eigens gegründeten Unternehmens beflügelte vor allem den Aufschwung hier in Eisenbach.“

Vom Spindelbohrer zum Antrieb für E-Bikes

Bereits 1912 arbeiteten 15 Mitarbeiter bei Franz Morat senior, 1940 waren es mehr als 60. Heute beschäftigt die Franz Morat Group 670 Mitarbeiter, davon rund 600 am Standort Eisenbach. Die restlichen verteilen sich auf Polen, Mexiko, die USA und die Türkei. Was 1930 mit internationalen Bestrebungen begann, ist mittlerweile zu einem global agierenden Unternehmen geworden. „Früher war ein halber Tag Arbeit notwendig, um ein Zahnrad mit Hilfe eines Spindelbohrers herzustellen, heute beansprucht die maschinelle Herstellung – je nach Ausprägung – nur noch zwei bis drei Minuten“, veranschaulicht Balkis.

Heute erstreckt sich die Franz Morat Group über ein weitläufiges Areal auf dem sogenannten "Höchst".
Heute erstreckt sich die Franz Morat Group über ein weitläufiges Areal auf dem sogenannten "Höchst". © Franz Morat Group

Eines hat sich im Laufe der Firmengeschichte nicht geändert: Familie wurde und wird bis heute großgeschrieben. So befindet sich die Franz Morat Group weiterhin in Familienbesitz. Die Gesellschafter Franz Robert und Dr. Daniel Morat begleiten als Urenkel des Firmengründers das Unternehmen im Sinne ihrer Vorfahren weiter. „Als Familienunternehmen investieren wir jährlich rund 10 Prozent des Umsatzes, wodurch ein kontrolliertes und planbares Wachstum möglich ist“, unterstreicht Balkis. Der Umsatz betrug im Jahr 2018 rund 91 Mio. Euro. Auch wenn Zahnräder heute noch einen Schwerpunkt ausmachen, stehen zusätzlich neue Bereiche, wie beispielsweise Antriebskomponenten für E-Bikes und Elektrofahrzeuge, auf dem Programm.

Treue Mitarbeiter

„Wir sind stolz, eng mit der Region verwurzelt zu sein“, so Balkis. „Von vielen unserer Mitarbeiter waren bereits die Eltern oder Großeltern für uns tätig. Die Fluktuation ist sehr gering.“ Das idyllisch gelegene Eisenbach, inmitten tiefer Wälder, hat sich im Lauf der Zeit zu einem Zentrum der Antriebs- und Feinwerktechnik entwickelt, mit einer Vielzahl an international führenden Unternehmen. „Hier im sogenannten ‚Gear Valley‘ bündeln sich für uns Tradition und Zukunft zugleich“, sagt Balkis. Reizvoll ist die Lage auf dem Höchst, die bei klarer Sicht einen beeindruckenden Alpenblick bietet. Die Naturlandschaft des Hochschwarzwaldes soll durch die Produktion so wenig wie möglich belastet werden. Reduktion von Abwasser, Abfällen, Abgasen und Lärm ist für die Franz Morat Group 183 Jahre nach den Anfängen von Karl Morat genauso wichtig wie ein nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen, um hier auch in Zukunft weiter wachsen zu können.

Kontakt: 

Franz Morat Group
Franz-Morat-Straße 6
79871 Eisenbach

de.franz-morat.com