Kabarettist Martin Wangler tritt als "Fidelius Waldvogel" mit einem typischen Schwarzwälder Namen auf.

Von Andris bis Winterhalder

Eine kleine Namenkunde der Hochschwarzwälder
05.09.2019

von Gabriele Hennicke

Wer öfters den Hochschwarzwald besucht, ist ihnen sicher schon begegnet. Und wer hier lebt, kennt sie sowieso: die Ketterers, die Winterhalders, die Fallers, Wehrles und Waldvogels. Aber warum heißen in dieser Region eigentlich so viele Menschen so? Ein Namenforscher erklärt die Herkunft der typischen Hochschwarzwälder Familiennamen.

Jedes Dorf hat Familiennamen, die dort gehäuft vorkommen. Der Blick ins Telefonbuch zeigt das eindeutig. Das ist so im Hochschwarzwald, das ist so in der Rheinebene und in ganz Deutschland.

Der emeritierte Universitätsprofessor Konrad Kunze (80) aus Freiburg hat sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiv mit Sprachgeschichte und Namenforschung beschäftigt. Erst in diesem Jahr ist sein siebenbändiger Familiennamenatlas herausgekommen – das Ergebnis akribischer Forschung über 14 Jahre. „Alle Nachnamen kommen aus dem Dialekt“, sagt Kunze. „Als sie vor 600 bis 800 Jahren entstanden, gab es noch kein Hochdeutsch.“ Viele Familiennamen entwickelten sich aus Vornamen des Vaters oder der Mutter, andere aus Berufen, aus besonderen Merkmalen, die ein Mensch hatte, oder dem Ort, wo er lebte.

Konrad Kunze
Konrad Kunze © Gabriele Hennicke

Von der Katharina zu den Ketterers

Ein Beispiel für einen Familiennamen, der sich aus dem Rufnamen der Mutter entwickelt hat, ist der im Hochschwarzwald häufig anzutreffende Name Ketterer. Dabei handelte es sich um einen Nachfahren einer Katharina, die im hiesigen Dialekt „Kätter“ gerufen wurde. Ist die Benennung der Nachfahren nach der Mutter etwa ein Hinweis auf matriarchale Strukturen? „Nein, die Lebenserwartung vor 800 Jahren betrug durchschnittlich 26 Jahre, vermutlich war der Vater einfach schon verstorben“, sagt Kunze. Relativ einfach lässt sich der Schwarzwälder Nachname Andris auf einen Andreas zurückführen. In anderen Regionen Deutschlands wurde aus dem Andreas hingegen ein Drews oder ein Drewes. Ebenso verhält es sich mit dem Thoma, einer Dialektform des Thomas.

Nicht nur bei diesen Beispielen hat sich die Schreibweise verändert, auch beim geläufigen Hochschwarzwälder Namen Wehrle ist dies der Fall. So wurde aus einem kleinen Werner, in der Mundart einem Wernerle, eben ein Wehrle. „In manchen Gegenden ist daraus ein Wöhrle geworden. Im Hochschwarzwald dominieren die Wehrles, während man im mittleren Schwarzwald, vor allem im Kinzigtal und Gutachtal, die Lippen beim Sprechen runder formte und aus dem Wehrle ein Wöhrle wurde“, weiß Konrad Kunze.

Jostal bei Titisee-Neustadt: Für Bewohner dieser Hanglage entstanden einst die Namen Winterhalter und Spiegelhalter.
Jostal bei Titisee-Neustadt: Für Bewohner dieser Hanglage entstanden einst die Namen Winterhalter und Spiegelhalter. © Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Von der Sonnenseite und der Winterseite des Tals

Ganz typische Hochschwarzwälder Namen sind Winterhalter und Spiegelhalter. Die Menschen dieses Namens halten weder einen Spiegel noch den Winter fest – ihre Vorfahren wohnten einst auf der sonnenab- oder sonnenzugewandten Seite eines Tals. Auf den oft schattigen, sonnenabgewandten Nordhängen bleibt der Schnee im Frühjahr länger liegen, weshalb sie im Volksmund Winterhalden genannt wurden. Die südlich ausgerichtete Talseite hingegen wurde gerne als Spiegelhalde bezeichnet, da die fast senkrecht einfallende Sonne sich in den Wasserläufen auf dieser Seite des Tals spiegelte. „Weil man im Dialekt nicht zwischen d und t unterscheidet, wurde aus der Halde oft ein Halter“, erklärt Kunze.

Leute namens Faller gibt es in fast 1.000 Orten in Deutschland. Sie konzentrieren sich jedoch sehr stark im Südwesten und speziell im Hochschwarzwald. Faller wurde jemand genannt, der an einem Wasserfall oder an einem Steinbruch wohnte. Wer an einem Windbruch oder einer Rodung im Bergwald, mundartlich dem „oberen Gefäll“, wohnte, wurde zum Obergfäll. Ein Bühler ist einer, dessen Vorfahren an einem Bühl, also einem Hügel, gelebt haben. Nicht auf einen Wohnort bezogen, dafür besonders aussagekräftig ist der im Hochschwarzwald weit verbreitete Nachname Waldvogel. Er weist auf einen sangesfreudigen Menschen und gleichzeitig auf einen sorglosen Gesellen hin.

Wer an einem Wasserfall wohnte wurde "Faller" genannt.
Wer an einem Wasserfall wohnte wurde "Faller" genannt. © Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Auch Schwarzwaldhöfe haben Namen

Ebenfalls typisch für den Hochschwarzwald ist es, Menschen nicht nach ihrem Nachnamen, sondern nach ihrem Hof oder Haus zu benennen. Da wird dann vom „Haldebuur“ gesprochen, dem Bauer, der auf dem Haldenhof lebt, oder von „S’Isidore“, weil die Person in einem Haus wohnt, das einst ein Isidor gebaut hat. Ein Umstand, der es Zugezogenen oder Gästen oft schwer macht zu verstehen, wo derjenige wohnt und wie er nun wirklich heißt.

Auch die Herkunft der Hofbewohner hat bei deren Benennung häufig eine Rolle gespielt. Im mittleren Schwarzwald, nicht allzu weit von der württembergischen Grenze entfernt, gibt es zahlreiche Schwabenhöfe, im Südschwarzwald wegen der Nähe zum Nachbarland hingegen eher Schweizerhöfe. Auch der Name Behahof hat übrigens rein gar nichts mit Damenunterwäsche zu tun – ihn bewirtschaftete einst vielmehr ein Böhme, der von weit her in den Schwarzwald gekommen war.

Woher stammt mein Familienname?

Ganz schön spannend: Jeder Nachname hat einen oder gleich mehrere Ursprungsorte. Wie populär der eigene Name ist und wo Menschen mit dem selben Familiennamen häufig anzutreffen sind, lässt sich unter kartezumnamen.eu herausfinden.