Die Schneeflocke - ein einmaliges und geniales Kunstwerk aus filigraner Ästhetik und Symmetrie.

Schneekristallweiß und Gletscherblau

Über die Farben des Schnees
02.11.2022

von Birgit-Cathrin Duval

Von wegen Schnee ist weiß. Schnee hat nämlich gar keine Farbe sondern ist transparent. Deshalb schimmert er in allen nur erdenklichen Farben – von Schneeweiß bis Gletscherblau. Wie sich die Farbe des Schnees verändert, erleben wir auf einer Schneeschuhtour aufs Herzogenhorn.

Frau Holle hat es gut gemeint. In geradezu verschwenderischem Maß hat sie ihre Flocken über dem Hochschwarzwald ausgeschüttelt. Der Schnee knirscht wie kristallenes Pulver, Tannen ächzen unter den schneebedeckten Ästen. Beste Voraussetzungen für eine Schneeschuhtour auf das Herzogenhorn. Am Morgen zeigte die Wetter-App Sonnenschein. Wie vorhergesagt scheint die Sonne, doch am späten Nachmittag ziehen über den umliegenden Gipfeln schiefergraue Wolken auf.

Majestätische Winterlandschaft

Als wir unseren Aufstieg auf den zweithöchsten Gipfel des Schwarzwalds beginnen, fallen die Strahlen der tief stehenden Sonne als sanftes Licht auf die Schneeoberfläche. Mit jedem Schritt stiebt eine Wolke Schneestaub nach allen Seiten, als wären es tausende winziger Diamanten, die in einem zarten Rotgold durch die Luft flirren.

In anmutender Schönheit liegt der Winterwald vor uns.
In anmutender Schönheit liegt der Winterwald vor uns. © Birgit-Cathrin Duval

Dem verschneiten Winterwald haftet etwas Majestätisches an. Schnee birgt eine beruhigende, ja fast meditativ anmutende Komponente in sich. Schnee besitzt die Magie, eine Landschaft zu verzaubern. Das monochrome Weißgrau verleiht der Umgebung reliefartige Konturen. In eine verschneite Winterlandschaft zu blicken, ist Seelenbalsam: Schnee schafft Ordnung und Ruhe, die sich wundersam auf uns überträgt. Wer sich auf Schneeschuhen bewegt, erlebt den Zauber unmittelbar: Licht, Farben und der Klang des Schnees verschmelzen zu einem einzigartigen Schauspiel.                            

Magische Lichterspiele

Während der Himmel im Osten von metallfarbenen Wolken bedeckt ist, bricht die tief stehende Sonne am Westhimmel durch die aufziehende Bewölkung. Das warme Licht bringt die Tannen zum Leuchten, als wären sie mit Gold überzogen. Kontrastreich heben sie sich vom grauen Himmel ab. Es ist ein Augenblick wie aus einem Gemälde entsprungen.

Leuchtende Tannen in edlem Gold.
Leuchtende Tannen in edlem Gold. © Birgit-Cathrin Duval

Während wir auf dem Pfad durch den Tiefschnee stapfen, nimmt das Tageslicht rapide ab. Plötzlich sehen wir vor uns auf dem Waldboden leuchtende Flecken. Ein übernatürliches, sanftes Licht in rosa, orange und rot. Zwischen den Bäumen glimmern überall Leuchtkegel auf der weißgräulichen Schneedecke. Als hätte jemand den dämmerblauen Wald mit bunten Lichtern geschmückt. Es sind die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Glutrot bricht sie ein letztes Mal durch die Wolkendecke und ist kurz danach hinter dem Horizont verschwunden.

Glutrot zeigen sich die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne.
Glutrot zeigen sich die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne. © Birgit-Cathrin Duval

Eben noch wirkte die Umgebung lieblich und sanft, mit einem Mal jedoch ist der Schneewald in ein kaltes Blaugrau gehüllt. Eisig weht uns der Wind vom Berggrat herunter ins Gesicht. Die Nadelbäume sind von einer dicken Frostschicht überzogen. Es wird dunkler, kälter und stürmischer, während wir uns mit den Steighilfen unserer Schneeschuhe gegen den Wind stemmen und hinauf zum Gipfel des 1.415 Meter hohen Herzogenhorns kämpfen. Als hätten sich alle Elemente gegen uns verschworen, ziehen noch dichtere Wolken auf. Alles ist alles erstarrt: An den Tannen, Ruhebänken und Wegweisern hängen bizarre Eisschichten herab, vom Wind geformt. Meine Haare sind silberweiß und starr geworden. 

Hinauf geht es zum Gipfel des 1.415 Meter hohen Herzogenhorns.
Hinauf geht es zum Gipfel des 1.415 Meter hohen Herzogenhorns. © Birgit-Cathrin Duval

Himmel und Schneedecke verschmelzen zu einem metallenen Blau. Nur schemenhaft können wir das Gipfelkreuz ausmachen. Dort angekommen fühlen wir uns wie auf einem Eisplaneten. Schnell ziehen wir unsere Daunenjacken über und müssen aufpassen, dass sie der stürmische Wind uns nicht aus den Händen reißt. Nach einem obligatorischen Gipfelschnaps machen wir uns schnell auf den Abstieg. Mit dem Windchill sind es minus 15 Grad, deshalb lassen wir schnell den exponierten Gipfel hinter uns.

Den Gipfelschnaps haben wir uns reichlich verdient.
Den Gipfelschnaps haben wir uns reichlich verdient. © Birgit-Cathrin Duval

Im Schein der Stirnlampen folgen wir dem Weg durch den verschneiten Winterwald. Auf dieser Seite der Bergflanke ist es windstill und im Lichtkegel unserer Lampen erscheint der Wald wie eine Märchenwelt aus Zuckerguss. Kurz bevor wir das Tal erreichen, reißt die Wolkendecke auf. Der Mond taucht das Tal in ein silberfahles Licht. Einzelne Sterne glitzern am Nachthimmel. Selbst im Dunkeln leuchtet der Schnee. Als das silberne Licht des Mondes durch das Nachtschwarz scheint, glitzern die Kristalle auf den Tannen und Berggipfeln wie Millionen schwarzer Perlen.

Kleiner Exkurs: Wie kommt es eigentlich zu den unterschiedlichen Farben des Schnees?

Schnee setzt sich aus unzähligen, winzigen Eiskristallen zusammen. Dabei ist schon jede Flocke an sich ein einmaliges und geniales Kunstwerk aus filigraner Ästhetik und Symmetrie. Denn keine Schneeflocke gleicht der anderen. Nur eines haben sie gemein: ihre sechskantige Grundform. Sie entsteht durch eine ebenso faszinierende wie komplizierte physikalische Gesetzmäßigkeit, wenn sich Wassermoleküle bei entsprechender Kälte zu Schneekristallen verwandeln. Diese Kristalle liegen dicht auf- und nebeneinander. Ihre durchsichtigen Plättchen vereinen sich Schicht für Schicht. Fällt nun Sonnenlicht darauf, geben die einzelnen Kristalle das Licht an die unteren Schichten weiter. Das Licht wird von den Kristallen eingefangen und sogleich wieder reflektiert – es entsteht eine unendlich große Fläche, die das eingefangene Sonnenlicht wie ein Spiegel wieder nach oben wirft. Obwohl uns die Sonne gelb erscheint, ist das Sonnenlicht weiß. Deshalb erscheint uns der Schnee tagsüber als weiß, weil er das weiße Licht der Sonne reflektiert. Im Laufe des Tages ändert sich das Lichtspektrum – bedingt durch Erdatmosphäre und Streuung der Moleküle. Daher erscheint uns der Schnee je nach Tageszeit in unterschiedlichen Farben.

Mehr Informationen

  • Die Farben und Stimmungen einer winterlichen Abenddämmerung lassen sich bei einem geführten Foto-Spaziergang am Feldberg erleben und gleichzeitig in Bildern festhalten. Die dreistündigen Exkursionen für Foto-Profis wie Anfänger starten am Haus der Natur und führen die mit Schneeschuhen ausgerüsteten Teilnehmer zu den schönsten Aussichten und Motiven rund um den „Höchsten“ im Schwarzwald. Unterwegs gibt’s Tipps und Tricks zu Aufnahmetechnik und Motivwahl. Infos unter fotospaziergang.blogspot.com
  • Stubede - das winterliche Lebensgefühl des Schwarzwalds
    Die „Stubede“ hat eine lange Tradition im Schwarzwald. Sie bezeichnet die gesellige Zusammenkunft von Familie, Freunden und Nachbarn in der Bauernstube eines Gastgebers.