"Richtig toll", findet das meine Tochter Maj.

Schöner Mist!

Zusammen anpacken und ausspannen auf dem Hofgut Dürrenbühl
18.01.2016

von Patrick Kunkel

Familienurlaub auf einem Hochschwarzwälder Bauernhof ist kein Zuckerschlecken. Hinter dem Landidyll steckt eine Menge harter Arbeit. Doch gerade deshalb ist es dort besonders schön.

Heu machen in der prallen Sonne findet meine Tochter Maj „richtig toll“! Zumindest zehn Minuten lang: Erst mit der Heugabel eine große Portion aufspießen, leicht aufschütteln und mit gut dosiertem Schwung wenden. „Das ist eure Aufgabe für die nächsten drei Tage“, hatte uns Claudia Friedrich am Morgen aufgetragen, die Bäuerin des Hofgut Dürrenbühl, das auf einer sonnigen Anhöhe in der Nähe von Rothaus im Hochschwarzwald liegt. Wir sollen das bereits gemähte Gras zum Trocknen ausbreiten und es wenden, sobald es grau wird und zu duften beginnt. Und abends zu Bahnen zusammenlegen, damit es nicht feucht wird.

Wir haben einen eher atypischen Hof. Kein altes Schwarzwälder Holzhaus mit Walmdach.
Wir haben einen eher atypischen Hof. Kein altes Schwarzwälder Holzhaus mit Walmdach. © Patrick Kunkel

Na, doch ein wenig anstrengend?

 „Das Wetter wird schön“, sagt Claudia: „Morgen Abend sollte das Heu eigentlich fertig sein.“ Eigentlich eine überschaubare Aufgabe, finde ich. Zumal das Stück Wiese, auf dem wir zugange sind, ist kaum größer als ein Bolzplatz, ein paar ausladende Lärchen stehen darauf und in der Mitte die alte St.-Cyriakus-Kapelle – das schaffen wir locker!

Die körperliche Arbeit tut gut. Das Heu raschelt und duftet verführerisch, es summt und brummt um uns herum, die Aussicht von der Anhöhe oberhalb des Dürrenbühlhofs ist eine Wucht. Nur meine Kinder sehen das alles anders: „Papa, meine Arme tun weh,“ meint Maj, meine Jüngste. „Papa, ich kriege Blasen an den Händen“, lamentiert Meret, die Mittlere. Und Mila, die Älteste, findet: „Es ist viel zu heiß, Papa!“ Simone, meine Frau, schwingt den Rechen und lacht: „So wenig Ausdauer?“ „Können wir nicht zu den Kälbchen?“, ruft Maj – und weg sind die drei.

Was für ein Abenteuer! Zu acht stapfen wir über die weitläufige Weide.
Was für ein Abenteuer! Zu acht stapfen wir über die weitläufige Weide. © Patrick Kunkel

Auf dem Hofgut leben Claudia und ihr Mann Sigfried „Sigi“ Friedrich, außerdem Claudias Schwester Birgit und German, der älteste Sohn der Familie, der bald den Hof übernehmen wird. Haupterwerb ist die Milchproduktion, daneben züchten die Friedrichs Pferde, verkaufen Fleisch und Wurst aus hofeigenen Produkten und sie vermieten das einstige Leibgedinghaus an Feriengäste. Die ganze Familie arbeitet tagaus, tagein auf dem Hof und einige Zeit im Jahr teilen Schülerpraktikanten das Leben der Friedrichs.

Urlaub für uns - Arbeit für Andere

„Wir sind ganz gut ausgelastet“, sagt Claudia - und untertreibt damit wohl ein bisschen. Jeden Morgen steht sie im Stall und jeden Abend: Füttern, Melken, und das 365 Tage im Jahr. Bei klirrendem Frost ebenso wie im Hochsommer. An Weihnachten ebenso wie an Geburtstagen. 65 Vorderwälder-Milchkühe gehören zum Hof und natürlich Kälbchen, ein paar Ziegen und Schafe, 18 Pferde, ein Esel, drei Hunde und viele, viele Katzen. Die Friedrichs kommen mit ihrem Bioland-Betrieb einigermaßen über die Runden, dennoch arbeitet Claudia nebenher als Springerin für die örtliche Tourismusgesellschaft: „Ich liebe es, rauszukommen und andere Menschen zu sehen, für mich ist das wie Urlaub.“ Andersherum ist für uns wie für die meisten Feriengäste genau das Urlaub, was für Claudia und Sigi Arbeitsalltag ist.

Claudias Tagwerk beginnt morgens um sechs. Sie zieht sich Gummistiefel und eine Gummischürze über Jeans und T-Shirt und läuft vom Wohnhaus in den Stall. Noch sind ihre Kleider sauber, aber das wird sich gleich ändern. Derweil klingelt in unserer Ferienwohnung, dem ehemaligen Altenteil des Hofs, der Wecker. Die zwei Kleinen sind aus dem Bett, noch ehe ich den Ausknopf gefunden habe. Die beiden anderen dürfen heute ausschlafen.
Draußen schickt die Sonne rotgoldene Strahlen über die Matten rund ums Haus, dazu eine Tasse dampfender Kaffee. Das vom Tau feuchte Gras auf der Wiese vorm Häusle kitzelt die nackten Fußsohlen. Dann den grünen Overall und die Gummistiefel übergestreift, die mir Bauer Sigi gestern geliehen hat, und bin bereit für Taten!

Am besten klappt es, wenn man das zusammen macht, also Kühe zusammentreiben.
Am besten klappt es, wenn man das zusammen macht, also Kühe zusammentreiben. © Patrick Kunkel

Wir treffen Claudia im Kuhstall. Noch ist es dort friedlich und ruhig. Die Tiere liegen in ihren Boxen, es duftet nach warmen Kuhleibern, nach Silofutter und nach Mist. Dann ist Ende der Beschaulichkeit: Claudia drückt jedem von uns einen Stock in die Hand: „Ich bereite im Melkstand alles vor, und ihr treibt schon einmal die Kühe im Stall zusammen.“ Was leichter gesagt ist, als getan, wir merken schnell, dass freundliche Worten nicht genügen. Die schweren Tiere bleiben lieber liegen – dafür sind also die Stöcke gedacht!

"Zu zweit ist man schneller und alleine können auch Sachen passieren. Aber ich habe keine Angst vor den Kühen."
(Tochter Maj)

Ein bisschen mulmig ist mir: Hier stehen ungefähr 60 Kühe im Stall, ein paar haben große Hörner, und dazwischen Meret, Maj und ich. Geht das gut? Es geht gut! Ein Klaps mit dem Stock auf den Hintern, dann bewegt sich der erste achthundert Kilo Leib aus seiner Box, dann die nächste und schließlich trottet, wenn auch widerwillig, die ganze Herde Richtung Melkstand.

Kuhfladen im Anflug!

„Das Arbeiten gefällt mir gut“, sagt Maj, als wir uns kurz auf einen Strohballen setzen, „also das mit den Kühen. Dann fühle ich mich, als wäre ich ein Bauer. Am besten klappt es, wenn man das zusammen macht, also Kühe zusammentreiben. Zu zweit ist man schneller und alleine können auch Sachen passieren. Aber ich habe keine Angst vor den Kühen.“

Ponyreiten rund um das Hofgut Dürrenbühl sorgt für Begeisterung.
Ponyreiten rund um das Hofgut Dürrenbühl sorgt für Begeisterung. © Patrick Kunkel

Eng aneinander gedrängt warten die Tiere, dass sich das Einlassgatter zum Melkstand öffnet. Zwölf Kühe passen dort hinein, sechs auf jeder Seite. Die Melkmaschine erzeugt ein stetiges, pulsierendes Geräusch. Claudia steht etwa einen Meter tiefer als die Tiere, was einerseits praktisch ist, denn so kommt sie ohne sich zu bücken an die Euter heran. Und was andererseits nicht ganz so praktisch ist, weil die Kühe nicht etwa, nur weil jetzt Melken auf dem Programm steht, urplötzlich gute Manieren gelernt hätten: Ab und an „löst“ sich ein Kuhfladen und klatscht aus großer Höhe auf die Bodenfliesen. Und von dort spritzt es weiter – auf Claudias praktische Gummischürze und auf mein T-Shirt mit dem schönen Aufdruck, der mir bis vor ein paar Sekunden so gut gefallen hat, auf die Haare. Ins Gesicht.

Claudia zeigt uns, wie alles funktioniert. „Zuerst musst du das Euter saubermachen“, sagt sie, denn diese sind oft verklebt mit angetrockneter Gülle. Sie langt mit ihren kräftigen, von der Arbeit schwieligen Händen in einen Eimer und zupft eine Hand voll Holzwolle ab. Ehe Claudia die Melkbecher über die Zitzen stülpt, muss per Hand angemolken werden. Maj probiert das aus und kräht begeistert, als der erste Strahl frischer, warmer Milch aus der Zitze spritzt. „Der Rest läuft automatisch und sobald das Euter leergemolken ist, fallen die Saugnäpfe von selbst ab“, erklärt Claudia. Ich darf es auch versuchen und nach einiger Zeit klappt das Melken mit Maschine.

Kühe, Kälbchen, Hunde, Katzen: Alles da!

Allerdings treten Kühe auch gelegentlich und sie treten hart. Wenn die Kuh in schlechter Laune ist, kann es gefährlich sein. Eine erwischt mich an der Hand, während ich das Euter reinige. Claudia dagegen kennt ihre Tiere, man trifft sich ja auch zweimal täglich im Stall: „Ich kenne den Charakter jeder Kuh.“ Ein Blick auf das Euter genügt.

Die Kinder beschäftigen sich inzwischen mit viel Hingabe damit, Pferdeäpfel mit Schippe und Besen vom Hof zu beseitigen, dann wird den Kätzchen hinterhergejagt, der Hofhund gestreichelt und, ach ja, die Kälbchen müssen ja auch noch gefüttert werden!

Die Bewohner sind ganz schön neugierig...
Die Bewohner sind ganz schön neugierig... © Patrick Kunkel

„Jetzt erst mal frühstücken“, ruft Claudia und lädt uns an den Tisch im großen Wohnhaus der Familie ein. „Wir haben einen eher atypischen Hof“, sinniert sie beim Morgenkaffee: „Kein altes Schwarzwälder Holzhaus mit Walmdach, nicht so ein Hof wie aus dem Prospekt.“ Der alte Hof sei vor einem halben Jahrhundert vollständig abgebrannt und an dessen Stelle wurde ein modernes Wohn- und Stallgebäude errichtet. Am Tisch herrscht Trubel, neben Familie Friedrich und uns Feriengästen sitzen diesmal drei Schülerpraktikanten mit am Tisch, die den Alltag auf einem Bauernhof kennen lernen möchten.

Brot wird geschnitten, Geschirr klappert, alle langen kräftig zu und reden lebhaft durcheinander: Es gibt Bauernbrot, selbst gemachte Salami, Marmelade in großen Töpfen, Honig, Lyonerwurst, Leberwurst aus der Dose und dazu viele Geschichten aus dem Hofleben. Die meisten Gespräche bei Tisch drehen sich um die Arbeit auf dem Hof: „Was machen wir nachher?“, will Maj wissen. „Vielleicht Spülmaschine ausräumen?“, sagt Claudia. „Nein! Was mit Tieren! Kein Haushalt!“, mosert Maj. Sigi schlägt vor: „Kälber füttern. Kühe füttern, Kühe auf die Weide lassen!“ „Und danach das Kälbchen von der Weide holen!“

Erstmal frühstücken nach der anstrengenden Stallarbeit.
Erstmal frühstücken nach der anstrengenden Stallarbeit. © Patrik Kunkel

Ein Kälbchen!

Gestern kam ein Kalb mitten auf der Weide zur Welt. „Wir lassen Kalb und Kuh dort wo sie sind“, hatte Sigi entschieden. Doch heute früh müssen beide in den Stall gebracht werden – was für ein Abenteuer! Zu acht stapfen wir über die weitläufige Weide. Das frisch geborene Kalb kann schon laufen und hat sich mit seiner Mutter in einem Gebüsch versteckt: „Wir müssen verhindern, dass die beiden ausbrechen und im Wald verschwinden“, sagt Sigi: „Sonst kann das Tage dauern, bis wir die Kuh wieder eingefangen haben. Und wer weiß, ob das Kälbchen überlebt.“

"Viele Gäste helfen sehr gerne mit, und viele kommen schon seit über 20 Jahren mit der ganzen Familie hier her."
(Sigi)

Maj, Meret und Mila pirschen mit konzentrierten Mienen an das Gebüsch heran. Von der anderen Seite kommen Sigi und Claudia. Jungbauer German ist sogar motorisiert und hoppelt mit einem Quad über die Weide. „Da ist das Kalb“, ruft Mila. Und da die Kuh. Alles klappt! Sigi und German verfrachten das braun-weiß gescheckte Kälbchen auf die Ladefläche des Geländewagens. Meret und Maj dürfen mitfahren und auf das Kleine aufpassen! Gemeinsam mit Sigi treiben Mila und ich die Kuh Richtung Stall – ganz gemächlich.

Gut festhalten! Meret und Maj dürfen auf das neugeborene Kälbchen aufpassen.
Gut festhalten! Meret und Maj dürfen auf das neugeborene Kälbchen aufpassen. © Patrick Kunkel

„Viele Gäste helfen sehr gerne mit, und viele kommen schon seit über 20 Jahren mit der ganzen Familie hier her“, sagt Sigi : „Andere Gäste sind kaum auf dem Hof, sondern viel lieber in der Umgebung unterwegs. Und sie entspannen dann, wenn sie hier sind.“ Was man hier ja auch bestens kann.

Die Arbeit hinter dem Idyll

Als ich später auf einer Picknickdecke im Gras liege und mir die Sonne auf den grünen Overall brennen lasse, dem Brummen der Bienen und dem Gesang der Vögel lausche, kommt Meret angerauscht – geradewegs vom Ponyreiten und mit ganz roten Backen: „Es ist so schön hier!“, ruft sie begeistert: „Und mithelfen ist auch toll. Und Sigi und Claudia sind toll. Weil sie so nett sind.“ Und dann wird sie nachdenklich: „Aber das Leben, das sie haben, das finde ich anstrengend. Man muss so viel machen. Früh aufstehen morgens. Und das Melken jeden Tag ganz alleine ist ja auch nicht so leicht. Ich würde das ja gerne machen, aber nicht alles davon.“ Das Heu auf der Wiese duftet schon verführerisch. Das haben wir wohl gut gemacht. Und am eigenen Leib erfahren, dass hinter dem Idyll eine Menge harte Arbeit steckt. Wäre es sonst so schön? 

Gut zu wissen

Auf dem Hofgut kann man übernachten, das Häusle beim Hof kostet für zwei Personen 60 Euro, für 6 Personen 100 Euro pro Nacht.