Das Leben auf dem Fallerhof hat Patrik Faller geprägt wie der Bollenhut den Schwarzwald.

Ein Faller kommt selten allein

Das Leben auf dem Fallerhof hat Patrik geprägt wie der Bollenhut den Schwarzwald
08.05.2015

von Barbara Bollwahn

Patrik Faller wuchs mit fünf Brüdern auf dem Fallerhof bei St. Märgen auf. Früher waren ihm die Hof- und Stallpflichten bisweilen lästig. Heute ist der gelernte Bäcker stolz auf seine Herkunft und gibt das als Lehrer an seine Schüler weiter.

Sechs Brüder sind wie eine Streitmacht. Immer ist jemand zum Kräftemessen da, zum Spielen und Aushecken von Streichen. Braucht einer Hilfe, eilen gleich fünf herbei. Patrik Faller ist als zweiter von sechs Brüdern auf dem Fallerhof bei St. Märgen aufgewachsen. Vor ihm kam Matthias auf die Welt, ihm folgten Bernd, Philipp, Georg und Christoph.

In der gleichnamigen SWR-Serie „Die Fallers“, die seit Jahrzehnten jeden Sonntagabend im Fernsehen läuft, gibt es auch Faller-Brüder, aber gerade einmal halb so viele wie die realen Fallerbrüder.

“Man ist stark mit den Brüdern“,
(Patrik Faller)

nennt Patrik Faller einen Vorteil. Vorteil Nummer zwei: „Es ist ein Mordsspaß.“ Und weil auch im Hochschwarzwald aller guten Dinge drei sind: „Die Fallerbuben sind eine Macht.“

Der 43-jährige sitzt auf der Holzbank unter der mächtigen Linde auf dem elterlichen Hof. Als Kind ist er oft in den 30 Meter hohen Baum gestiegen, der 350 Jahre auf der Rinde hat. Der Fallerhof wurde 1668 errichtet und liegt auf 850 Meter Höhe. Patrik Faller wohnt in Freiburg und jedes Mal, wenn er auf den Hof kommt mit den Kühen, Kälbern, Ziegen, Schweinen, Hühnern, Hasen, Meerschweinchen und Katzen, fühlt er sich gut.

Jetzt besucht Patrik Faller regelmäßig mit Schülern, die er in Freiburg unterrichtet, den elterlichen Hof, den Bruder Philipp übernommen hat.
Jetzt besucht Patrik Faller regelmäßig mit Schülern, die er in Freiburg unterrichtet, den elterlichen Hof, den Bruder Philipp übernommen hat.

„Allein die Fahrt hierher ist wunderschön“, sagt er. Hockt er unter der Linde, weiß er: „Das bischd dann du.“ Seine Verbundenheit mit dem Schwarzwald zeigt sich auch an der Schnalle seines Gürtels, auf der das badische Wappen prangt.

Stadtflucht mit Folgen

Das war nicht immer so. Nicht selten hat sich Patrik Faller unliebsamen Aufgaben auf dem Hof entzogen, indem er sich, wie schon sein Vater früher, in der Linde versteckt hat. Zum Aufwachsen auf dem Land gehört es auch, Pflichten zu übernehmen. Als Kind hat Patrik Faller manchmal lieber Küchen- statt Stalldienst gemacht. Da konnte er nebenher wenigstens seine Lieblingsserien im Fernsehen gucken. Als er anfing, in der Trachtenkapelle Trompete zu spielen, gab er hin und wieder vor, üben zu müssen, um sich vor der Stallarbeit zu drücken. In der Pubertät dann empfand er die Pflichten bisweilen „als Albtraum“. Und auch kleine Fluchten wie eine Fahrt nach Freiburg brachten nicht immer die gewünschte Ablenkung. Einmal hat er sich in der großen Stadt verlaufen. „Das war hart“, sagt er. Heute, wo er in Freiburg lebt, lacht er darüber.

"Du bischd was, wenn du was leischtesch."
(Patrik Faller)

Auch bei der Berufswahl haben damals die Eltern ein Wörtchen mitgeredet. „Es gab eine Ansage, dass alle Brüder mit 15 eine Berufsausbildung machen“, erzählt Patrik Faller. Er wurde Bäcker, seine Brüder Elektriker, Schreiner, Landwirt, Zimmermann. Der Bäckerberuf, sagt er, sei „okay“ gewesen, „e bissle Spaß“ hat es gemacht, obwohl er bei Wind und Wetter mit dem Rad fahren musste, die Arbeitstage oft zehn Stunden hatten.

Der 43-jährige sitzt auf der Holzbank unter der mächtigen Linde auf dem elterlichen Hof.
Der 43-jährige sitzt auf der Holzbank unter der mächtigen Linde auf dem elterlichen Hof. © Barbara Bollwahn

Heute weiß er, dass man sich so im Schwarzwald Respekt und Anerkennung verdient. „Du bischd was, wenn du was leischtesch.“ Nach der Lehre wurde er noch Konditor, bald darauf gab es „einen großen Schnitt“. Faller studierte Lehramt und wurde Fachlehrer für Sport und Hauswirtschaftstechnik. In der Stadt, an der Hochschule, sah er seine Herkunft dann auf einmal mit anderen Augen. „Ich habe einen Riesenunterschied zu den Kommilitonen gemerkt“, erinnert er sich. „Die hatten keine Heimat und wohnten in Mietwohnungen.“ Je mehr er sich vom Schwarzwald entfernte, umso näher fühlte er sich ihm.

Peinlich? Nicht mehr.

Jetzt besucht Patrik Faller regelmäßig mit Schülern, die er in Freiburg unterrichtet, den elterlichen Hof, den Bruder Philipp übernommen hat. „Ich will ihnen zeigen, wo ich herkomme“, sagt er. Und die Schüler sollen sehen, wo die Milch herkommt und das Fleisch. Während er als Kind mit Begeisterung frische Kuhmilch getrunken hat, rümpfen viele Jugendliche aus der Stadt die Nase. „Viele lehnen das ab“, sagt Faller, „weil sie es nicht kennen“. Aber, erzählt er weiter, wenn sie erst einmal im Stall Hühner gefangen und dann doch frische Milch getrunken haben, wollen sie gar nicht mehr weg. Patrik Faller ist es wichtig, dass sie etwas schätzen lernen, was auch er erst schätzen lernen musste. Wäre es ihm früher peinlich gewesen, wenn jemand gerochen hätte, dass er von einem Bauernhof kommt, sagt er heute: „Ich stehe dazu.“

Patrik Faller arbeitet zu 70 Prozent als Lehrer. Die andere Zeit widmet er einem Sport, für den der Schwarzwald „beschtens“ geeignet ist, dem Mountainbike-Radsport, „Mondebaik“.

Patrik widmet sich einem Sport, für den der Schwarzwald „beschtens“ geeignet ist, dem Mountainbike-Radsport.
Patrik widmet sich einem Sport, für den der Schwarzwald „beschtens“ geeignet ist, dem Mountainbike-Radsport.

Faller ist Trainer am Olympiastützpunkt Freiburg, in St. Märgen hat er ein Mountainbike-Team aufgebaut, das nationale Sieger und eine Olympiastarterin hervorgebracht hat. Er ist Team-Leiter der Bergradsportgruppe der Rothaus Brauerei, Betreuer eines Juniorteams und Mitglied einer weiteren Bergradsportgruppe, die früher professionell in die Pedale getreten ist und es jetzt genießt, gemeinsam unterwegs zu sein. Die Höhen und Tiefen seiner Heimat haben den Umfang seiner Oberschenkel auf 67 Zentimeter anwachsen lassen. Der Schwarzwald steckt in jedem Muskel.

Das Leben auf dem Fallerhof hat Patrik Faller geprägt wie der Bollenhut den Schwarzwald. Er kann sich gut vorstellen, eines Tages im Elsenhäusle zu wohnen, einem alten Gehöft seiner Familie mitten im Wald.