Peter Eckhardt ist 55 Jahre alt, ein gestandener, erfahrener Mann mit eigener Werkstatt und Kunden aus der ganzen Welt.

Glasbläser im 39. Lehrjahr

"Man muss das Rezept kennen, die Zutaten und die Menge."
21.07.2014

von Barbara Bollwahn

Peter Eckhardt ist 55 Jahre alt, ein gestandener, erfahrener Mann mit eigener Werkstatt und Kunden aus der ganzen Welt. Und doch ist er noch immer am lernen. Peter Eckhardt hat mit 16 Jahren einen Beruf gelernt, der so vielfältig, komplex und herausfordernd ist, dass es keine Koketterie ist, wenn er sagt: „Ich bin im 39. Lehrjahr.“ Es ist Ausdruck seines Respekts vor dem Material, das ihn so fasziniert. Peter Eckhardt ist mit Leib und Seele Glasbläser.

Seine Werkstatt hat er in Altglashütten, einem Ortsteil der Gemeinde Feldberg, der Anfang des 17. Jahrhunderts von Glasmachern gegründet wurde. Seit 1982 fertigt der gebürtige Franke in seinem Einmannbetrieb Gläser, Vasen, Flakons, Schmuckanhänger, Figuren, Kugeln und vieles mehr.

Seit 1982 fertigt der gebürtige Franke in seinem Einmannbetrieb Gläser, Vasen, Flakons, Schmuckanhänger, Figuren, Kugeln und vieles mehr.
Seit 1982 fertigt der gebürtige Franke in seinem Einmannbetrieb Gläser, Vasen, Flakons, Schmuckanhänger, Figuren, Kugeln und vieles mehr. © Barbara Bollwahn

Schaut man ihm zu, wie er hoch konzentriert mit einer violetten Brille an seinem Arbeitsplatz sitzt, die seine Augen vor der 1.500 Grad heißen Flamme schützt, versteht man schnell seine Faszination. Durch ständiges Drehen wird das Glas zwischen seinen Händen flüssig wie Honig. „Man muss das Rezept kennen, die Zutaten und die Menge“, sagt er. „Es kommt auf die Mischung an.“

Eckhardt spricht oft wie ein Koch, um das komplizierte Handwerk zu erklären. Selbst für ihn ist es nach so vielen Jahren immer wieder überraschend, wie sich die Farben verändern können, so dass etwas Neues, Einzigartiges entsteht, das er später nicht einfach kopieren kann. In einer Vitrine liegen Dutzende unverkäufliche Glasanhänger, alles Unikate.

“Das Material ist außerirdisch, es ist ein Wahnsinn.“
(Peter Eckhardt)

Auf den Rücken der Glasträger nach ganz Europa

Die Herstellung von Glas, diesem festen nichtkristallinen Stoff, der mit steigender Erwärmung ab einhundert Grad zunächst weich und ab einem gewissen Punkt flüssig wird, ist ein typisches Schwarzwälder Handwerk, das schon im Mittelalter eine große Rolle spielte. Begünstigt wurde die Glasherstellung im Schwarzwald dadurch, dass das Rohmaterial, Quarzsand, und Holz zur Feuerung des Schmelzofens, vor der Haustür zu finden waren. Viele Jahrhunderte gehörte das Glas zu den bedeutenden Wirtschaftszweigen des Hochscharzwaldes, lange bevor die ersten Uhren im Schwarzwald tickten. Glasträger trugen die zerbrechliche Ware auf „Rückenkrätten“ ins europäische Ausland.

Während der Öffnungszeiten seiner Werkstatt kann man ihm bei der Arbeit zuschauen.
Während der Öffnungszeiten seiner Werkstatt kann man ihm bei der Arbeit zuschauen. © Barbara Bollwahn

Peter Eckhardt, der in Wertheim, wo es ein Glasmuseum gibt, eine Glasfachschule besucht hat, muss seine Waren natürlich nicht auf diese beschwerliche Art vertreiben. Er verkauft seine Glaskunst in seinem Geschäft und über das Internet, an Urlauber, Einheimische und Sammler aus der ganzen Welt. Das, was er mit dem Glas macht, nennt sich „Glasblasen vor der Lampe“. Das heißt: Peter Eckhardt arbeitet mit einem Brenner, der mit Gas und Sauerstoff befeuert wird. In früheren Jahrhunderten wurden dafür das Feuer einer Öllampe und die Zugabe von Luft mit einem Blasebalg benutzt. Die Öllampe wurde längst durch den Gasbrenner ersetzt, aber der Name ist geblieben.

Dieser Fortschritt eröffnet dem Glasbläser ungeheuer viele Möglichkeiten. Durch die Zufuhr von Druckluft und Sauerstoff kann er nicht nur die Temperatur variieren, sondern die Flamme so beeinflussen, dass entweder eine oxidierende oder eine reduzierende Wirkung entsteht, was wiederum zu unterschiedlichen chemischen Reaktionen führt. Es ist beeindruckend zu sehen, wie Peter Eckhardt das Glas bläst. Je mehr er reinbläst, umso dünner wird es. „Wenn man länger zieht“, erklärt er, „wird es ein Glasfaserkabel“. Auch das ist für ihn faszinierend. „Es ist unglaublich, wie verformbar Glas ist, man kann es sogar zerknüllen.“ Während der Öffnungszeiten seiner Werkstatt kann man ihm bei der Arbeit zuschauen.

Glasbläser, bleib bei deiner Flamme?

Die Glasröhren und Stäbe, die er benutzt, füllen ein großes Regal neben seinem Arbeitsplatz. Manchmal, das gibt der Fachmann unumwunden zu, kapituliert auch er vor den vielen Möglichkeiten. So konzentriert er sich auf eine einzige Glassorte, das Borosilikatglas. Das ist temperatur- und chemikalienbeständig und hat einen geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten.

Selbst für ihn ist es nach so vielen Jahren immer wieder überraschend, wie sich die Farben verändern können, so dass etwas Einzigartiges entsteht, das er später nicht einfach kopieren kann.
Selbst für ihn ist es nach so vielen Jahren immer wieder überraschend, wie sich die Farben verändern können, so dass etwas Einzigartiges entsteht, das er später nicht einfach kopieren kann. © Barbara Bollwahn

Dazu muss man wissen, dass es tausende verschiedene Glassorten mit unterschiedlichen Spannungen und Ausdehnungen gibt. „Wehe, ich paß nicht auf, dann haut mir die hohe Spannung das schönste Teil auseinander“, sagt Peter Eckhardt.

Es ist die ungeheure Vielfalt, die ihn jeden Tag mit Freude in seine Werkstatt gehen lässt. Am Anfang seiner Laufbahn hat Peter Eckhardt Glas nicht selten gehasst. Wenn es geplatzt ist, er nicht sofort ein Erfolgserlebnis hatte. Längst kann er von seinem Wissen und seinen Erfahrungen profitieren und spricht von „kontrolliertem Zufall“:

“Ich übe die Kontrolle aus, aber ich muss mich auch immer überraschen lassen.“
(Peter Eckhardt)

Nur vor einem hütet er sich. „Man darf sich nicht verzetteln.“ So wie ein Schuster, der bei seinen Leisten bleibt, konzentriert er sich auf seinen eigenen Stil, den er im Laufe der Zeit entwickelt hat, anstatt sich in den unendlichen Weiten der Glaskunst zu verlieren.