Dass so viel Schwarzwald in dem Lokal Café & Berg-Beizle "Zum Kuckuck" steckt, hat mit Anja Keller zu tun.

"Hier ist das Wohnzimmer draußen"

Anja Keller freut es, dass sie sich in ihrer Heimat verwirklichen kann
05.05.2015

von Barbara Bollwahn

Anja Keller hat sich ganz bewusst für ihren Heimatort Menzenschwand entschieden. Im Geißental betreibt die Grafikdesignerin mit ihrem Freund und drei weiteren Gleichgesinnten das Berg-Beizle „Zum Kuckuck“, in dem eine Spezialität Gerichte von der Ziege sind.

Über ihr hängen Tannenzapfen, vor ihr Lampenschirme, deren Licht Hirsche und Bollenhüte zum Leuchten bringt. Die Wand hinter ihr ist mit Holzschindeln bedeckt, so wie die alten Bauernhöfe im Schwarzwald. Zwischen den Tischen sind Holzscheite gestapelt, zur Dekoration, und für den gusseisernen Ofen in der Ecke, neben dem gemütliche Korbsessel mit Schaffellen stehen. An einer Wand ist ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe geschrieben.

“Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt. Nun sage mir, wo es Besseres gibt?“
(Johann Wolfgang von Goethe)

Es ist überliefert, dass Goethe einmal im Höllental war. Und auch der Gastraum des Berg-Beizle „Zum Kuckuck“ in Menzenschwand erfüllt die Kriterien des Dichters.

Dass so viel Schwarzwald in dem Lokal steckt, hat mit Anja Keller zu tun. Die 40-jährige ist in dem 550 Einwohner zählenden Ort im südlichen Hochschwarzwald aufgewachsen. Das Konzept der Inneneinrichtung und das Design der Lampen stammen von ihr, Keller ist Grafikdesignerin. Viele Erinnerungen aus ihrer Kindheit, der Geruch nach frisch geschlagenem Holz, nach Gras und Herbstlaub, nach Heidelbeeren und Speck, sind in die Gestaltung eingeflossen.

"Hier bin ich es gewohnt, dass das Wohnzimmer draußen ist“, sagt Anja.
"Hier bin ich es gewohnt, dass das Wohnzimmer draußen ist“, sagt Anja. © sinopia-graphics Menzenschwand

Das Berg-Beizle ist für Anja Keller eine Remineszenz an ihre Heimat „Unsere Eltern ließen uns immer raus und wussten manchmal nicht genau, wo wir waren“, erzählt sie. 

“Der ganze Ort war unser Zuhause und Spielplatz. Es war wie ein Cocon.“
(Anja Keller)

Kaum konnte sie laufen, wurde sie Mitglied im Skiclub, als sie in den Kindergarten kam, wohin sie mit dem Dreirädle fuhr, später lernte sie im Musikverein Querflöte. Den einen Kilometer bis zur Schule ist sie zu Fuß gelaufen, im Winter durch den Schnee gestapft. Als sie in die Pubertät kam, war sie manchmal e weng g'nervt, wenn sie nicht so weg kam wie sie wollte. Aber den anderen ging es genauso und es fand sich immer eine Lösung.

Laden zu - Vertrag nicht verlängert!

Einige Jahre hatte Anja Keller Logos, Flyer, Briefköpfe und Prospekte entworfen, Internetseiten und Produktgestaltung gemacht, da setzte sie schon einmal alles auf die Karte Schwarzwald und eröffnete zusammen mit anderen das Geschäft „Heimatsinn“ in Menzenschwand. Der Ort sollte belebt werden mit dem Verkauf von feini Sachen aus einem Umkreis von 40 Kilometern. Der Laden lief gut und wurde ausgezeichnet. Aber nach drei Jahren war Schluß, weil der Mietvertrag nicht verlängert wurde. „Das war schon sehr enttäuschend“, sagt Anja Keller. Doch es war auch klar: „Die Zukunft bringt etwas anderes.“

Eine neue Gelegenheit für ein Heimatbekenntnis ergab sich, als ein altes Haus am Ende des Dorfes zum Verkauf stand, das einmal ein Sägewerk war, eine Wirtschaft und ein Kinderheim. Zusammen mit ihrem Freund, einem Physiker, und drei weiteren Gesellschaftern, darunter den Besitzern des Hauses, gründete Anja Keller eine GbR. Ende 2011 wurde das Berg-Beizle eröffnet. „Wir wurden gleich überrannt“, erzählt sie. Einige Produkte aus dem „Heimatsinn“ wie ausgesuchte Schnäpse und Obstbrände sind nun im „Kuckuck“ zu haben. Und auch die Speisekarte ist Ausdruck der Verbundenheit mit der Heimat. Darauf finden sich Bauernwürste, ein zünftiges Vesper, Bibilikäse, Schwarzwälder Brägele und andere Spezialitäten aus der Region. Und es werden Speisen angeboten, die einen ganz besonderen Bezug zu Menzenschwand haben: Gerichte mit Fleisch von der Ziege.

Menzenschwand war früher ein Geißental. Ziegen galten als die Kühe der armen Bauern. Seit vielen Jahren gibt es einen Ziegenverein, dessen Mitglieder die Weiden begehen und sich um die Tiere kümmern, der örtliche Fasnetverein nennt sich „Geißentäler Narrenzunft“, Ziegen sorgen auf den steilen Hängen rund um Menzenschwand dafür, dass die Landschaft offen bleibt. Im Berg-Beizle gibt es gebratene Ziegenwürste, Käsespätzle mit Ziegenkäse, mit Ziegenkäse überbackenes Schnitzel, Ravioli mit Ziegenfrischkäse oder Ragout von der Ziege.

Anja ist gespannt, ob ihr Sohn ähnlich aufwachsen wird wie sie.
Anja ist gespannt, ob ihr Sohn ähnlich aufwachsen wird wie sie.

Mit Kind und Kegel im Cocon

Anja Keller wohnt seit einigen Jahren auch wieder in Menzenschwand. Nachdem sie acht Jahre in Freiburg gelebt hat, wo sie studierte und arbeitete, und einige Zeit gependelt ist zwischen Waldshut und Menzenschwand, ist sie wieder in den Cocon zurück gekehrt. „Hier bin ich es gewohnt, dass das Wohnzimmer draußen ist“, sagt sie. „Das ist in der Stadt nicht unbedingt so.“ Vor wenigen Monaten ist sie Mutter eines Sohnes geworden. Und sie selbst ist am meisten gespannt, ob er ähnlich aufwachsen wird wie sie.

"Hier im Schwarzwald wird Nachhaltigkeit gemacht und gelebt, ohne dass man einen neuen Lebensstil einschlagen muss."
(Anja Keller)

Anja Keller freut es ungemein, dass sie sich in ihrer Heimat verwirklichen kann. „Da bin ich stolz drauf“, sagt sie. Die Verbundenheit mit der Natur ist ihr besonders wichtig „Die ist nicht oberflächlich“, betont sie. „Die Nähe zur Natur ist einfach da.“ Deshalb findet sie es auch gut, dass Nachhaltigkeit heute groß geschrieben wird.

Auch darauf ist sie stolz.