Märchenhafte Winterlandschaft rund um den Feldbergturm

Die Sehnsucht nach Schnee

Die Skisport-Familie Thoma prägt bis heute den Hochschwarzwald
03.09.2021

von Pascal Cames

Sie haben Skilifte gebaut, Skischulen gegründet, wurden Olympiasieger und Weltmeister: Über Generationen hinweg dreht sich in der Familie Thoma fast alles um schneebedeckte Hänge und die Fortbewegung auf zwei Holzlatten. Warum eigentlich? Georg Thoma und sein Neffe Gundi erinnern sich.

Treffen sich zwei Thomas am Kachelofen im Skimuseum, dann sprechen sie von? Natürlich vom Skifahren! Langlauf, Skispringen, durch den Wald fahren, Schanzen... Der ehemalige Skirennläufer und jetzige Wintersportunternehmer vom Feldberg, Gundolf „Gundi“ Thoma (54), besucht seinen Onkel Schorsch, besser bekannt als „de Jörgl“ und noch besser als Georg Thoma. Dieser hat als Skispringer und Langläufer Sportgeschichte geschrieben. Wer sprang in jenen Tagen weiter? Wer zeigte den Norwegern, dass sie als Skination nicht allein auf der Welt sind? Das war der 1937 geborene Georg Thoma, der 1960 im kalifornischen Squaw Valley zur Überraschung aller Olympiasieger wurde.

Sein Neffe Gundi fuhr alpin, war aber so talentiert, dass er wie sein Cousin Dieter auch Skispringer hätte werden können – oder Langläufer. „Das war eine Schinderei“, erinnert er sich lachend an seine Versuche in der Loipe. Und Skispringen ging ihm zu schnell. „Nur zwei Sekunden in der Luft?“ Dann doch lieber Slalom und Schuss!
 

Familienbande: Skisprunglegende Georg Thoma (r.) mit seinem Neffen Gundolf ("Gundi").
Familienbande: Skisprunglegende Georg Thoma (r.) mit seinem Neffen Gundolf ("Gundi"). © Pascal Cames

Die Mutter ist die erste Skilehrerin

Wie lernt man Ski fahren? Mit Lust an der Bewegung! „Mit zwei Jahren bin ich gerutscht, mit drei hatte ich meine ersten Ski“, berichtet Gundi Thoma von seinen Anfängen vorm Elternhaus. Wer war der erste Skilehrer? Es war eine Skilehrerin! Seine Mama war's, genauso wie später, als seine Töchter Naemi und die als Jugendliche sehr erfolgreiche Marlene – Schwarzwaldmeisterin – mit dem Skilaufen anfingen. Hier war es Gundis Frau Lizzy, die zeigte, wo und wie es langgeht.

Georg Thoma kann sich an sein erstes Mal nicht erinnern. Da man im Winter immer irgendwohin musste, stand man halt auf die Latten und los ging's. Selbsterklärend, würde man heute sagen, zumindest für ein Naturtalent wie Georg Thoma. Überhaupt war damals alles ein bisschen einfacher. Wenn es heute für jede Art des Skifahrens die passenden Bretter in zig Farben, Größen und Ausführungen gibt, so gab es damals in den 1940er-Jahren ein einziges Paar Ski für jeden Zweck: Mit denen wurde gesprungen, Langlauf gemacht und natürlich den Buckel runtergefahren.

Elf Kilometer Schulweg auf Ski

Als ganz junger Bursche kam Georg Thoma auf den Wunderlehof, weil seine Eltern nicht alle ihre Buben satt bekamen. Er wurde Hirtenbube. Der Bergbauernhof lag aber fast sechs Kilometer weg von Hinterzarten. „Ich hatte Heimweh“, sagt Georg Thoma, aber es ging nicht anders. Er musste Heu machen, Ziegen und Kühe hüten, das Butterfass schlagen und die Butter in Hinterzarten, wo die Schule war, verkaufen. Er hadert nicht. „Ich hatte bestimmt eine schöne Kindheit“, lacht er und erinnert sich, wie er im Winter jeden Tag die elf Kilometer Schulweg mit den Ski gemacht hat. Auch durch den Wald ist er gefahren. Er kannte und kennt noch immer jede Kuhle, jeden Hügel, jeden Bach, jeden Stein, weil er im Frühjahr und Herbst diesen Weg immer barfuß gegangen ist. Genagelte Schuhe gab es erst im Winter, vom großen Bruder Franz.

Historische Skilauf
Historische Skilauf © Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Alle springen, einer gewinnt immer

Georg Thoma erzählt, wie er am Bach entlangsprang und seiner Fantasie freien Lauf ließ. Da war überall ein Hügel, ein Haufen Erde, und er hat sich vorgestellt, wie er drüber springt. Im Winter baute sein Bruder Ottmar Schanzen. Unten ein paar Obstkisten, darüber der Schnee, fertig. „Wie war's? Wie war der Schnee?“ Wollte der Bruder wissen. „Gut!“, antwortete der Jörgl. Das wiederum war Ansporn, gleich die nächste, noch höhere Schanze zu bauen. Und wieder hieß es: „Wie war's? Wie war der Schnee?“ Alle sind damals gesprungen, gewonnen hat immer der Jörgl.

Beim Thema Schanze bekommt Gundi Thoma Gänsehaut. Er erinnert sich, wie er als junger Kerl mit seinem Vater, dem Skischulleiter Ottmar, und dessen Gruppe auf Ski unterwegs war. Am Windeckkopflift oberhalb von Hinterzarten gab es eine steile Abfahrt mit einem großen Buckel, der auch als Schanze diente. Freunde und Cousins springen. Gundi ist der letzte und nimmt ein bisschen mehr Anlauf als nötig, damit er noch weiter springen kann. Er spring auch weiter – leider war der steile Auslauf zu kurz. Statt elegant im Schräghang zu landen, kam er hart auf der Ebene auf. „Mich hat's zusammengestaucht“, erinnert er sich. Das Resultat waren viel Blut und einige Nähstiche. Lange hatte er Albträume von diesem nicht enden wollenden Flug. Ein paar Narben sind geblieben.

Viel lieber erinnert Gundi Thoma sich aber an die Winterabende, wenn es jeden Moment schneien konnte. Dann drückte er seine Nase an die kalte Fensterscheibe und wartete auf die ersten Schneeflocken. Wenn diese schließlich herabrieselten, hat er eine Viertelstunde zugeschaut, dann hat er es nicht mehr ausgehalten und ist hinaus. Als ganz kleiner Bub nahm er oft seinen Teddy Schnuppi mit, den er von der Mama hatte und der heute noch in seiner Stube hockt. Schnuppi war dabei, wenn er im Skilift saß und allein durch die Wälder fuhr. Im Mai, wenn eigentlich schon alles vorbei war, kam sein Vater manchmal noch auf die Idee, zum Baldenweger Buck zu gehen. Dort lag ja noch Schnee. „Eine Stunde hinauf, eine Minute runter“, beschreibt Gundi Thoma die Schufterei für dieses letzte Skivergnügen, bevor auch hoch oben auf dem Feldberg der Frühling kam. 

Früh übt sich: In der Wintersportschule Thoma am Feldberg - gegründet von Gundolf Thoma - lernen schon die Kleinsten, wie man auf Skiern den Hang hinabgleitet.
Früh übt sich: In der Wintersportschule Thoma am Feldberg - gegründet von Gundolf Thoma - lernen schon die Kleinsten, wie man auf Skiern den Hang hinabgleitet. © Thoma Skischule

Charakterköpfe mit Fantasie

Die Leidenschaft für den Skisport zieht sich bei den Thomas durch alle Generationen. Georg und sein Neffe, der laut Gundi „außergewöhnlich taffe“ Dieter Thoma wurden die Überflieger. Die Brüder Franz, Georg, Ottmar und Albert Thoma begründeten gemeinsam das alpine Skizentrum in Hinterzarten, wo Franz bis heute die Skilifte laufen lässt. Gundi feierte als Skirennläufer Erfolge in den USA und Japan, gründete zwei Ski- und Snowboardschulen und hat mit „Ski in a Day“ sein Erfolgsrezept gefunden, um jedem in kurzer Zeit das Skifahren beizubringen. Seine Töchter Naemi und Marlene sind Skilehrerinnen geworden und nur eine Verletzung stoppte die Karriere der talentierten Slalomläuferin Marlene.

Gibt es Gemeinsamkeiten, einen inneren Drang oder ist es „nur“ die Liebe zum Schnee? „Mein Leben hängt sehr mit dem Schnee zusammen“, sagt Gundi Thoma und schwärmt von der Geschwindigkeit und dem Gefühl von Freiheit. Georg Thoma kann es sich gar nicht richtig erklären. Er fuhr Ski, weil man das halt so machte im Hochschwarzwald, wann immer man im Winter irgendwohin musste. Spaß hat er daran immer noch, keine Frage.

Vielleicht ist es die Fantasie, die sie antreibt? Sich etwas vorstellen und dann machen – so wie damals, als Georg Thoma am Bach entlanglief. Gundi Thoma nickt. „Jeder Thoma ist anders“, sagt er. „Dein Großvater – mein Vater – der Skischulgründer Albert, war ganz eigen“, sinniert Georg Thoma. Albert Thoma war derjenige, der trotz Widerständen eine Langlauf-Skischule gründete, auch wenn die Leute ihn fragten, wie er für so etwas Geld verlangen könne. Man ahnt, dass dieses „ganz eigen“ sich am besten auf zwei Latten ausleben lässt.

Auf den Spuren der Thomas

Bei „Ski in a day“ können selbst blutige Anfänger in der Skischule von Gundi Thoma innerhalb eines Tages die Grundlagen des Skifahrens lernen:

Wintersportschule Thoma am Feldberg
Dr.-Pilet-Spur 13
79868 Feldberg
www.thoma-skischule.de

In Hinterzarten haben die Thoma-Brüder seit den 1960er-Jahren ein alpines Skizentrum mit inzwischen 3 Liften und einer Flutlicht-Abfahrt aufgebaut:

Skizentrum Thoma
Windeck 14
79856 Hinterzarten
www.skizentrum-thoma.de

Die großen Erfolge und Karrieren von Georg, Dieter und Gundi Thoma sowie vieler weiterer Schwarzwälder Wintersportler sind nachgezeichnet im:

Schwarzwälder Skimuseum
Erlenbrucker Str. 35
79856 Hinterzarten
www.schwarzwaelder-skimuseum.de

Mehr Informationen

  • Der Hochschwarzwald hat noch viel mehr auf Schnee zu bieten, als nur Skifahren. Egal ob Langlauf, Wandern und Co, die Winteraktivitäten sind für alle Generationen geeignet.
  • Im Skiinternat Furtwangen werden junge Skisport-Talente unterstützt und gefördert. Die drei junge Athleten Emilie, Jan und Jakob erzählen von ihrem Traum Profisportler zu werden.