Auf leisen Sohlen bewegen wir uns in Richtung Hochsitz und entdecken auf der anderen Seite einen Hirsch. Im Spiel von Licht und Schatten sehen die hölzernen Tiere verdammt echt aus.

Barfuß wandern auf dem Jägersteig

Pirschen, Schleichen, Barfuß gehen - Warum der Schluchseer Jägersteig eigentlich Jägerpfad heißen müsste
09.06.2020

von Birgit-Cathrin Duval

Diese Schuhe sind eine einzige Lachplatte. Hobbitlatschen. Sehen aus wie die Schwimmhäute einer Stockente. Dann habe ich mich bekehrt. Ich bin jetzt eine von denen. Diesen seltsamen Zehenfußträgern, die mit der Zehenbox und den profilierten Schlappen. Wie konnte das nur geschehen?

Schwere Wanderstiefel sind out. Wandern im Schwarzwald ist schließlich kein Manöver. Genuss steht an erster Stelle. Dazu wurden eigens die Schwarzwälder Genießerpfade generiert. Die allseits propagierte Entschleunigung wahrnehmen. Den Wald mit allen Sinnen spüren.

Indianer in Neongelb

Warum nicht auch mit den Füßen? Nachdem jahrzehntelang der Fuß gestützt und gedämpft wurde, geht es jetzt zurück zur Natur. Natürliches Gehen ist angesagt und minimalistisches Fußwerk ist in. Wie damals bei den Indianern, die sich in ihren Moccasins lautlos auf die Pirsch machten. Wobei wir beim Jägersteig gelandet sind. Genauer gesagt beim Wolfsgrund, wo sich das Jägersteig-Portal befindet. Mit meinen neuen Zehenschuhen will ich mir den Jägersteig erschleichen.

Gut nur, dass Tiere farbenblind sind. Meine Zehenschuhe würden sie sonst in eine überstürzte Flucht treiben. Die Füße sehen aus, als hätte man ihnen eine Warnweste verpasst. Schrille Orange-Töne und kreischendes Gelb, damit macht man bei einer Techno-Party (gibt es die eigentlich noch?) eine gute Figur, äh, Fuß.

Über Steine und Wurzeln

Am Wolfsgrund heulen keine Wölfe, dafür lärmen die Motoren. Nichts wie weg von der viel befahrenen Straße, ab in den Wald. Der empfängt mich mit samtenem Moos, auf denen meine Schritte auf und ab federn. Ich spüre ein kühles, erdiges Gefühl, das meinen Fuß umgibt. Der schmale Pfad schlängelt durch Fichtenwald und bald schon sind die Straßengeräusche vom Wald geschluckt. Ich höre Vögel zwitschern. Ich gehe langsamer, achtsamer, spüre den Boden unter den Füßen, wo ich sonst in dicken Wandersocken schwitze und mit fester Sohle auftrete.

Es geht auf dem alten Jägerpfad leicht aufwärts zum Ahaberg. Vereinzelt flirrt Sonnenlicht durch das Blätterdach, es ist angenehm schattig an diesem heißen Sommertag. Feine Spinnweben kitzeln auf der Haut. Der Waldboden ist weich, mit den Zehenschuhen ist es fast wie barfuß gehen. Ich gehe langsamer, achtsamer, spüre den Boden unter den Füßen, wo ich sonst in dicken Wandersocken schwitze und mit fester Sohle auftrete. Mit den Zehenschuhen bin ich erdverbundener, spüre Steine und Wurzeln, auf eine nicht unangenehme Weise.

Natürliches Gehen ist angesagt und minimalistisches Fußwerk ist in. Wie damals bei den Indianern, die sich in ihren Moccasins lautlos auf die Pirsch machten.
Natürliches Gehen ist angesagt und minimalistisches Fußwerk ist in. Wie damals bei den Indianern, die sich in ihren Moccasins lautlos auf die Pirsch machten. © Birgit-Cathrin Duval

Nach zwei Kilometern öffnet sich der Wald auf belohnt den Anstieg mit einem herrlichen Blick auf den Schluchsee. Verweilidylle mit Tisch und Bank. Der fußbreite Pfad zieht sich weiter in den Wald hinein. Mächtige Ameisenhügel säumen den Weg. Ein wirres Gewusel kleiner schwarzer Punkte, faszinierend beobachte ich, was wie ein fürchterliches Chaos aussieht, sich zu einer unsichtbaren, ja unheimlichen Ordnung zusammenfügt.

Der Jägersteig zählt zu den Schwarzwälder Genießerpfaden. Damit ist er als Premiumwanderweg vom Deutschen Wanderinstitut zertifiziert, das Wanderern naturbelassene Wege, abwechslungsreiche Landschaft und einen hohen Erlebniswert verspricht. Unterwegs informieren Schautafeln über die Zeit, als Jäger und Fischer, lange vor der Besiedlung des Schwarzwaldes, die Wälder durchstreiften.

Im Spiel von Licht und Schatten

Wir erreichen einen alten Grenzstein. Hier stoßen vom Norden die ehemalige Standesherrschaft Fürstenberg, im Osten der Gemeindewald Schluchsee und südwestlich der Staatswald des Landes Baden-Württembergs, der aus dem ehemaligen Besitz des Klosters St. Blasien hervorging, zusammen.

Es geht auf dem alten Jägerpfad leicht aufwärts zum Ahaberg. Vereinzelt flirrt Sonnenlicht durch das Blätterdach, es ist angenehm schattig an diesem heißen Sommertag.
Es geht auf dem alten Jägerpfad leicht aufwärts zum Ahaberg. Vereinzelt flirrt Sonnenlicht durch das Blätterdach, es ist angenehm schattig an diesem heißen Sommertag. © Birgit-Cathrin Duval

Ab hier verläuft der Pfad direkt auf der Grenze zwischen dem Staatswald und dem Fürstenbergischen Waldbesitz. Die Grenzen haben seit vielen Jahren keine Bedeutung mehr, sind allerdings als Jagdgrenzen heute noch von Bedeutung. Am Jägersitz zweigt der Pirschpfad ab. Hier lauert so manche Überraschung, die das Herz von kleinen Wanderern höher schlagen und einen weiteren Hochsitz erklimmen lässt.

Und dann sehen wir sie! Ein Reh mit Rehkitz im Wald. Sie stehen ganz still und bewegen sich nicht. Vorsichtig pirschen wir uns näher heran. Erst auf den zweiten Blick erkennen wir, dass es eine Silhouette ist. Wir steigen auf den Hochsitz und entdecken auf der anderen Seite einen Hirsch. Im Spiel von Licht und Schatten sehen die hölzernen Tiere verdammt echt aus.

Am 1.134 Meter hohen Bildsteingrad zweigt ein enger Weg rechts ab. „Stichweg zum Bildstein, 200 Meter“. Wir folgen dem Felsenweg, der uns aus dem Wald auf den Bildsteinfelsen bringt. Die Aussicht ist atemberaubend. Tief unter uns glänzt der Schluchsee, weiße Segel heben sich von der blauen Farbe des Wassers ab, leichte Wellen glitzern im Sonnenlicht. An klaren Tagen sieht man bis hin zum Säntis in den Schweizer Alpen.

Wir folgen dem Felsenweg, der uns aus dem Wald auf den Bildsteinfelsen bringt. Die Aussicht ist atemberaubend. Tief unter uns glänzt der Schluchsee.
Wir folgen dem Felsenweg, der uns aus dem Wald auf den Bildsteinfelsen bringt. Die Aussicht ist atemberaubend. Tief unter uns glänzt der Schluchsee. © Birgit-Cathrin Duval

Der Bildstein wird als Loreleyfelsen des Schluchsees bezeichnet, denn er hat eines mit dem berühmten Unesco Welterbes bei Sankt Goarshausen gemein. Beide Felsen bestehen aus dem gleichen Gestein, einem rund 400 Millionen Jahre alten Tonschiefer. Der Versuch, mir vorzustellen, wie es hier wohl vor 400 Millionen Jahren ausgesehen hat, macht mich schwindlig.

Hawaii-Feeling im Schwarzwald

Gut die Hälfte des 11,3 Kilometer langen Jägersteigs haben wir geschafft. Die 340 erklommenen Höhenmeter steigen wir auf einem Serpentinenweg wieder ab. Erst auf einem Waldpfad, später dann auf einer steinig-felsigen Wegstrecke, bis wir in Aha das Seeufer des Schluchsees erreichen. Wir folgen dem Seeuferpfad, genießen Strandfeeling am Schluchsee, erfrischen unsere Füße im kühlen Nass des Sees. Eine Gruppe Stand Up Paddler wartet auf die Welle des Ausflugbootes. Der weiße Strand und die Surfbretter wecken Hawaii-Feeling, mitten im Schwarzwald.

Wir folgen dem Seeuferpfad, genießen Strandfeeling am Schluchsee, erfrischen unsere Füße im kühlen Nass des Sees.
Wir folgen dem Seeuferpfad, genießen Strandfeeling am Schluchsee, erfrischen unsere Füße im kühlen Nass des Sees. © Birgit-Cathrin Duval

Nach der einsamen Stille des Waldes tobt am Seeufer das Leben. Ausflügler in Flip Flops blicken verwundert auf unsere Schuhe. Ich wundere ich mich über etwas ganz anderes. Wieso der Jägersteig eigentlich Jägersteig heißt? Weil man auf einen Hochsitz steigen kann? Jägerpfad wäre der bessere Name. Denn das ist er, der Jägersteig – ein Pfad zum Pirschen, Schleichen, barfuß gehen. Von denen man viel mehr entdecken möchte. Auf leisen Sohlen versteht sich.

Mehr Informationen

    • Schluchseer Jägersteig, Start am Wanderparkplatz „Im Wolfsgrund“ oder alternativ am Bahnhof Schluchsee-Aha (Einstieg beim Seglerheim)
    • 11,3 Kilometer, 312 Höhenmeter Aufstieg und Abstieg, Dauer 3 Stunden, Schwierigkeit mittel
    • Eignet sich gut für Zehenschuhe, für alle anderen wird festes Schuhwerk empfohlen