Gstiess, der Gitarrenmann – der höchste Trumpf beim Cego

Cego spielen ist Adrenalin pur!

Trumpf im Schwarzwald" - Ein Interview mit Kabarettist Martin Wangler
18.04.2013

von Barbara Bollwahn

Früher wurde landauf landab, daheim oder in den Wirtshausstuben, das badische „Nationalspiel“ Cego gespielt. Der Schauspieler und Kabarettist Martin Wangler, 44, aus Breitnau ist nicht nur ein Liebhaber des alten Kartenspiels, er engagiert sich auch für dessen Wiederbelebung.

Die genaue Herkunft des Spiels ist unsicher, der Name „Cego“ wird aber von dem romanischen Wort ciego, blind, abgeleitet. Nach mündlicher Überlieferung sollen es badische Soldaten während der napoleonischen Kriege aus Spanien mitgebracht haben. Nachdem das Spiel in der Vergangenheit mehr und mehr in Vergessenheit geriet, sind seit einiger Zeit Räuber, Bettel, Piccolo und Ultimo, so heißen die Spielansagen, wieder öfter zu hören.

Barbara Bollwahn: Wann und wie haben Sie Cego gelernt?
Martin Wangler: Das Kartenspiel wurde als Zeitvertreib an langen Winterabenden gespielt und so habe ich es als Kind von meiner Oma gelernt. Zuerst haben wir das kleine Cego gespielt. Das ist eine Kindervariante, die dem Mau-Mau sehr ähnlich ist. Da lernen die Kinder, dass es Trümpfe gibt, dass der wichtigste und der größte der Gitarrenmann ist, der Herrgott des Cego, die vier Farben und die Bilder König, Dame, Ritter, Bube. Zudem lernt man, dass es Kartenwerte und Zählwerte gibt. Als ich dies einigermaßen kapiert hatte, habe ich den Alten über die Schulter geschaut und so langsam begann es zu dämmern, was die da spielen. Als ich Cego konnte, habe ich es dann regelmäßig in der Schule, im „Cego-Club“ (lacht), gespielt.

Barbara Bollwahn: So so, in der Schule. Im Unterricht oder in den Pausen?
Martin Wangler: Vorwiegend in den Pausen (lacht). So haben wir Kopfrechnen und strategisches Denken ohne pädagogischen Beistand gelernt! Aber im Ernst: Heutzutage gibt es Schulen im Schwarzwald, da wird Cego in Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag angeboten. 

Barbara Bollwahn: Was hat es mit Begriffen wie „Fort Soli“ und „Schuffle“ auf sich, die man hört, wenn in einem Gasthaus Cegospieler sitzen?
Martin Wangler: „Schuffle“ ist der Schwarzwälder Ausdruck für Pik. Und „Fort Soli“ sagt man in der ersten Ansagerunde, wenn man mit seinen Karten nicht alleine gegen die anderen spielen will. Mit wenigen Trümpfen spielt man in der Regel einen „Fort Soli“.

Der Schauspieler und Kabarettist Martin Wangler ist nicht nur ein Liebhaber des alten Kartenspiels, er engagiert sich auch für dessen Wiederbelebung im Schwarzwald.
Der Schauspieler und Kabarettist Martin Wangler ist nicht nur ein Liebhaber des alten Kartenspiels, er engagiert sich auch für dessen Wiederbelebung im Schwarzwald. © Martin Wangler

Barbara Bollwahn: Wie erklären Sie jemanden, der noch nie von Cego gehört hat, das Kartenspiel? 
Martin Wangler: Gespielt wird meistens zu viert. Das Cegoblatt kommt ursprünglich aus dem Tarock und ist diesem sehr ähnlich. Die Cegokarten sind größer als die französischen Spielkarten. Sie bestehen aus 21 Trümpfen plus dem Gstieß, dem Gitarrenmann, und 32 Farbkarten Herz, Pik, Karo und Kreuz. Die setzten sich zusammen aus König, Dame, Ritter, Bube und vier leeren Karten.

Barbara Bollwahn: Ähnelt Cego Skat?
Martin Wangler: Ja. Und man sagt am Anfang an, welches Spielvariante man spielen möchte und versucht, diese durchzusetzten.

Barbara Bollwahn: Worauf kommt es beim Cego an?
Martin Wangler: Dass man gewinnt (lacht).

Barbara Bollwahn: Bei welchem Spiel kommt es nicht darauf an! Was ist besonders wichtig beim Cego?
Martin Wangler: Wichtig ist, dass der Spieler, der eine Spielvariante angesagt hat, diese durchsetzt gegen die anderen Mitspieler. Entweder geht es um die Punktanzahl oder um die Stichanzahl. Zum Beispiel: beim „Ultisoli“ und „Drescher“ entscheidet der letzte Stich das Spiel. Beim „Piccolo“ hingegen muss man genau einen Stich machen oder beim „Bettel“ darf man keinen einzigen Stich machen. Beim „Solo“ und „Cego“ versucht der Spieler als Einzelner mehr Punkte zu erreichen als die anderen Mitspieler zusammen.

Barbara Bollwahn: Was gefällt Ihnen am Cego?
Martin Wangler: Dass man auf volles Risiko spielt und dass es ganz und gar nicht demokratisch zugeht. Es heißt immer: „Einer gegen Alle“. Und das Schönste ist, wenn einer Cego spielt und dann „auf den Berg geht“.

Barbara Bollwahn: Was hat es damit auf sich?
Martin Wangler: Auf den Berg geht man, wenn einer beim Cego gar keinen Stich macht, dann steht die Runde auf und singt eine Art Verhöhnungslied: „Auf dem Berg so hoch da droben, steht ein Schloss“. Das ist die größte Schmach, die einem Cegospieler passieren kann. Zudem muss er das Spiel und noch eine Runde Schnaps zahlen (lacht). Nicht zu vergessen beim Cego: Man kann auch mit „schlechten Karten“ gewinnen. Mein persönliches Lieblingsspiel ist deshalb der „Piccolo“.

Barbara Bollwahn: Wie kann man selbst mit schlechten Karten gewinnen?
Martin Wangler: Wenn man wenig Trümpfe oder wenig Bilder oder Zählkarten - König, Dame, Ritter oder Bube - hat, hat man kein besonders gutes Blatt. Dann kann man Piccolo oder Bettel spielen oder einen Räuber. Da spielt jeder gegen jeden. Derjenige, der am meisten Punkte hat, hat verloren.

Barbara Bollwahn: Sie spielen nicht nur privat Cego, sondern engagieren sich auch für eine Wiederbelebung des alten Kartenspiels. So haben Sie im Herbst 2012 mit zwei weiteren Dozenten einen Cego-Kurs an der Volkshochschule in Breitnau, wo Sie wohnen, für „Riigschmeckte“, also Zugezogene, angeboten. Sind Sie auf Interesse gestoßen?
Martin Wangler: Auf sehr großes Interesse sogar. Viele Leute, auch Einheimische, darunter viele Frauen, waren dabei, die sich im Zuge des Revivals dafür entschieden haben, Cego zu lernen. Wir hatten über 40 Anmeldungen und werden den Kurs weiter führen.

Barbara Bollwahn: Wie lange brauchen Anfänger, um das Spiel zu verstehen?
Martin Wangler: Bewährt hat sich, wenn man sich drei Abende Zeit nimmt. Bei unserem Cego-Seminar wird am ersten Abend das Spiel vorgestellt und gespielt, am zweiten Abend wird es gefestigt und am dritten Abend will man nicht mehr aufhören (lacht).

Martin Wangler mit Studenten der Hochschule Furtwangen
Martin Wangler mit Studenten der Hochschule Furtwangen © Martin Wangler

Barbara Bollwahn: Anfang Mai dieses Jahres werden Sie eine Online-Präsentation einer Cego - Seite vorstellen, die Studenten der Hochschule Furtwangen gestaltet haben, denen Sie zuvor das Kartenspiel beigebracht haben. Cego im virtuellen Raum statt in der Gaststube?
Martin Wangler: Natürlich kann Cego-Online das Live-Spiel an einem richtigen Holztisch mit vier leibhaftigen Spielern nicht ersetzen, dass ist auch nicht unser Ziel.

Barbara Bollwahn: Sondern?
Martin Wangler: Cego soll interessierten Leuten nahe gebracht und eine Möglichkeit geschaffen werden, das Spiel zu lernen, ohne dass vier Spieler am Tisch sitzen müssen. Heutzutage ist ja das Problem, dass die Menschen nicht mehr so viel Zeit haben, um zusammen zu kommen. Um die komplexen Spielregeln zu lernen, muss man sich aber Zeit nehmen. Mit der Seite im Netz kann man alleine daheim am Computer üben, entweder durch virtuelle Gegner oder über die Lernapplikationen. Ein weiterer wichtiger Grund für Cego-Online ist, dass das Spiel für jüngere Menschen durch das Medium Computer attraktiv gemacht wird. Außerdem können Distanzen überwunden werden, so dass ein Amerikaner, ein Australier, ein Afrikaner und ein Schwarzwälder miteinander Cego spielen können.

Barbara Bollwahn: In der Schwarzwald-Fernsehserie „Die Fallers“, in der Sie seit 2007 auftreten, wird seit dem vergangenen Jahr auch Cego gespielt. Ist die Idee auf Ihrem Mist gewachsen?
Martin Wangler: Ja. (lacht) Diese Idee stammt von meinem damaligen Schulbanknachbar und „Fallers“-Kollegen Nikolaus König und von mir. Da wir zwei in der Serie relativ oft im „Löwen“ am Stammtisch sitzen, hat sich die Idee geradezu aufgedrängt. Außerdem wird Cego auch heute noch an den Stammtischen gespielt. Cego ist ein sehr geselliges, emotionales Spiel. Da geht es ab. Da wird es laut. Vom dramatischen Standpunkt her gehört es daher schon in die Schwarzwaldserie. Zudem ist das badische Kartenspiel von kulturhistorischem Wert. Da wird der SWR seiner Aufgabe als Bildungsinstitution gerecht und hilft, dass Cego nicht in Vergessenheit gerät.

Barbara Bollwahn: Spielen Sie regelmäßig Cego?
Martin Wangler: Ja, daheim, im Winter, wenn ich Zeit habe.

Barbara Bollwahn: Nehmen Sie auch an Turnieren teil?
Martin Wangler: Wenn es zeitlich geht und in der Nähe ist, schon. Aber Turniere sind mir nicht so wichtig, weil es oft zu verbissen ist. Cegospielen muss Spaß machen, der Wettgeist ist mir nicht so wichtig.

Barbara Bollwahn: Was gibt Ihnen das Cegospielen?
Martin Wangler: Cegospielen ist Adrenalin pur, es macht einen Riesenspaß, die Emotionen gehen extrem hoch, oft bis früh am morgen.

Barbara Bollwahn: Früher verloren Spieler nicht selten Haus und Hof beim Cego. Worum geht es heute?
Martin Wangler: Wenn man heute viel verliert, dann sind es fünf bis zehn Euro. Wenn ich ins Kino oder ins Wirtshaus gehe und nicht Cego spiele, ist genau so viel oder mehr weg.

Barbara Bollwahn: Was würde dem Schwarzwald fehlen, gebe es kein Cego mehr?
Martin Wangler: Beim Cego kann der Schwarzwälder seine Eigenheiten ausleben. Vor allem kann er seine fast nicht zu sehende Emotionalität an den Tag legen. Dem Schwarzwald würde ein sehr geselliges, lustvolles, lebensfrohes und ursprüngliches Kartenspiel fehlen.

Mehr Informationen

  • Cego-Online ist ein studentisches Projekt der Forschung und Lehre der Fakultät "Digitale Medien" an der Hochschule Furtwangen University ohne kommerzielle Interessen. 
  • Im Online-Shop: Schwarzwälder Cego
    Die limitierte Auflage der Schwarzwald Cego-Karten, von Fox Schwörer, mit bekannten Gesichtern aus dem Hochschwarzwald erhältst du hier.