Echt Schwarzwald: Tannenzipfelhonig

Tannennadeln aufs Brot
24.05.2016

von Barbara Bollwahn

Die Schwarzwälder sind bekannt für ihren Erfindungsreichtum. Dieser geht so weit geht, dass sie Honig aus Tannenspitzen machen. Der nennt sich Waldhonig oder Tannenzipfelhonig und ist eine Art Melasse, also ein Honigersatz.

Ideal sind die Monate Mai und Juni, um sich mit einem Eimer oder Korb auf in den Wald zu machen und hellgrüne zarte Triebe von Tannen, Fichten eignen sich auch, zu sammeln. Aber Achtung: Nicht die Haupttriebe nehmen, sondern Seitentriebe, und diese nicht nur von einer Tanne oder Fichte, damit die Bäume nicht verkümmern. Im Schwarzwald heißen die zarten und weichen Triebe, die, wenn sie jung und hellgrün sind und somit für den Honig geeignet, Schössele, was von dem Wort Schoss abgeleitet wird. Je nach Gegend und Ortschaft im Schwarzwald kann es auch Schössle heißen. Die Schwarzwälder schwätze, wie ihnen de Schnabel gwagse isch.

Aus den Nadeln wird ein leckerer Honig hergestellt
Aus den Nadeln wird ein leckerer Honig hergestellt © Pixabay

Tannennadeln: Gut für die Nerven!

Schon die Benediktinerin und Universalgelehrte Hildegard von Bingen beschrieb im 12. Jahrhundert den balsamischen und belebenden Geruch von Tannenzweigen- und nadeln und setzte Tannenspitzen gegen Herzbeschwerden ein. Der Priester und Hydrotherapeut Sebastian Anton Kneipp, an den zahlreiche Wassertretbecken im Schwarzwald erinnern, empfahl Tee aus frischen Tannentrieben zur Förderung des Auswurfs bei Husten und Verschleimung und als lungenstärkend bei Lungenschwäche und Bronchitis. Außerdem galt der Sud als nervenstärkend bei Nervosität und Unruhe. Gegen Erkältungen setzte Kneipp auf Winterbäder mit aufgekochten Tannenzweigen sowie auf Sitzbäder gegen Blasenentzündungen. Auch die Bauern im Schwarzwald wussten die jungen Tannenspitzen zur Behandlung von Krankheiten zu nutzen. Sie machten daraus Aufgüsse gegen Skorbut, eine Vitamin-C-Mangelerkrankung. Die Einsatzmöglichkeiten der Tannenspitzen sind so vielfältig, dass man aus ihnen, bis heute, auch Gelee macht, Sirup oder Likör, und sogar Parfait.

Doch zurück zum Waldhonig. Die gesammelten Schössele werden gewaschen und in einen großen Topf getan. Auf ein Kilo kommen zwei Liter Wasser. Etwa eine halbe Stunde werden sie in sprudelndem Wasser geköchelt. Danach können sie sich schlafen legen, denn der Topf muss über Nacht stehen gelassen werden.

Je dunkler, desto karamelliger.

Am nächsten Tag wird der Sud durch ein Tuch abgegossen, die Schössele, die im Schlaf an Farbe verloren haben und etwas blass um die Nase sind, kommen auf den Kompost, und der Sud wird noch einmal aufgekocht – zusammen mit dem Saft einer Zitrone und oder einer Orange sowie jeder Menge Zucker. Zwei Pfund kommen auf einen Liter Sud. Nun braucht es eine ganze Weile - zwei Stunden muss man bei einem Kilo Schössele schon rechnen, und immer wieder rühren – bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Je dunkler die dickflüssige Masse ist, umso stärker hat sich der Zucker beim Einkochen karamellisiert. Die richtige Konsistenz ist dann erreicht, wenn erbsengroße Blasen beim Kochen entstehen. Um sicher zu gehen, schöpft man einen Teelöffel ab und gibt ihn auf einen kalten Teller. Sobald der Honig auf dem Teller abgekühlt ist, zeigt sich, ob er noch zu flüssig ist oder nicht. Ist die Masse dickflüssig und bernsteinfarben, wird sie in Gläser gefüllt und mit Schraubdeckeln verschlossen. Auf keinen Fall darf der Sud zu lange köcheln, dann wird er hart wie Stein.

Klebt man noch ein selbst gemachtes Etikett auf die Gläser, hat man ein originelles Mitbringsel und eine schöne Erinnerung, die nach Schwarzwald schmeckt. Kühl und trocken gelagert, hält sich der Waldhonig ein Jahr und länger. Hat er sich im Glas doch in Stein verwandelt, stellt man das Glas einfach in einen Topf mit heißem Wasser, bis er wieder flüssig wird. Dann lässt sich der Honig, der eigentlich keiner ist, wunderbar aufs Brot schmieren.

Abfüllen von Bienenhonig
© Hochschwarzwald Tourismus GmbH

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  • Mehr über Honig aus dem Hochschwarzwald:
    Tim Schreiber ist Imker im Nebengewerbe und hat die Honigmeisterei in Schonach eröffnet. Wie er dazu kam und was er an diesem Beruf am meisten mag, kannst Du in diesem Artikel lesen.