Schluchting ist das perfekte Sommer-Abenteuer!

In die Gumpe!

Bachklettern im Hochschwarzwald
14.01.2016

von Patrick Kunkel

Schluchting ist das perfekte Sommer-Abenteuer: Ein bisschen stapfen, ein bisschen kraxeln. Außerdem ist einem erst heiß und dann wird man nass! 

Heiko steht mitten im rauschenden Langenbach bei Todtnau und krempelt die Hosenbeine hoch. Einmal, zweimal. „Lieber noch ein bisschen höher“, meint er dann. Kein Wunder, eben ist er bis zu den Oberschenkeln im Wasser versunken, ganz plötzlich und ganz tief, jetzt ist die Hose halt nass.

Schön frisch!

Kann passieren, immerhin stapfen wir mitten durch einen waschechten Schwarzwälder Gebirgsbach, der zwar klein ist, aber dafür umso wilder bergab tost und oberhalb des kleinen Schwarzwalddorfs Aftersteg eine verwunschene Klamm in den Fels genagt hat. Mächtige Granitbrocken liegen kreuz und quer, von dichtem Moospelz überzogen und von schnellem Wasser umspült. Weiter oben rauscht es in Kaskaden den blanken Fels hinab und umgestürzte Baumstämme garnieren das Steilufer, überhaupt präsentiert sich der Langenbach ziemlich ungezähmt. „Und ziemlich schön“, stellt Jan versonnen fest: „Aber ein Spaziergang ist das hier nicht.“

Nein, kein Spaziergang, dafür kraxeln wir zwischen größeren und kleineren Brocken bachaufwärts, krallen uns an glitschigen Griffen im Fels fest, waten durch kniehohes, klares Bachwasser und steigen kleinere und größere Wasserfälle hoch: „Schön frisch“, findet Sven. Auf dem Weg zur Schlucht hatte die Hochsommersonne noch ordentlich gebrannt. Oberhalb einer Kuhweide, die vor Insekten nur so brummt, verengt sich das Tal und genau dort sind wir ins Bachbett hinabgestiegen. Seitdem genießen wir die schattige Kühle der Klamm, die feinen Wassertropfen, die unsere Haut besprenkeln, und das stetige Rauschen, das jeden unserer vorsichtigen Schritte orchestriert.

Davor ein Aperitif, der Herr?
Davor ein Aperitif, der Herr? © Patrick Kunkel

Schluchting, so hatte es uns Markus Dutschke aus Aftersteg erklärt, der uns heute durch den Bach begleitet, sei eine Unterart des Canyoning – jene Extremsportart also, bei der man mit Neoprenanzug und Kletterausrüstung durch schroffe Gebirgsschluchten steigt und am Ende tropfnass und voller Adrenalin wieder zum Vorschein kommt. Unser Unternehmen ist eher eine Bachwanderung, statt Neopren reichen Turnschuhe und Funktionswäsche, aber nass wird man trotzdem und ohne Klettereinlagen ist auch die Langenbachschlucht nicht zu haben. Also genau das Richtige für uns vier: Sven, Jan, Heiko und ich wollten schon lange mal wieder gemeinsam einen Tag verbringen.

Die "Bachkletterei" als Idee für Gäste

Vier Freunde im Wald! Sich bewegen, vielleicht ein bisschen Abenteuer, den warmen Sommertag und die Natur genießen. Und am Ende gut Essen. Also erst Bachwandern und danach ein Vesper auf der Waldwiese, dazu frische Drinks aus dem Bachkühlschrank! Klingt wie ein perfekter Plan für einen heißen Sommertag.

Markus, den wir am Vormittag in seinem Schwarzwaldhaus in Aftersteg treffen, ist 52 Jahre alt, Naturpark-Gästeführer und Nordic-Fitness-Trainer. Vor allem aber ist er Schwarzwälder durch und durch, aufgewachsen neben dem Langenbach. Wasserrauschen hat ihn schon als Kind in den Schlaf gewogen: „Ich bin schon als kleiner Bub immer gerne herumgestromert. Das gefällt mir einfach“, sagt Markus in seinem weichen Schwarzwälder Zungenschlag: „Felsen, Wald, Steine, Bach, das gehörte einfach immer dazu. Im Sommer und auch im Winter, wenn es vereist war. Im Jahr 2009 kam ich auf die Idee, die Bachkletterei auch für Gäste anzubieten.“ So war das Schwarzwälder Schluchting geboren.

Weil der Naturschutz und die Bergwacht ein gewichtiges Wörtchen mitreden, darf Markus ausschließlich zwischen Juli und September Gruppen durch die Schlucht führen und auch das ist limitiert: „Ich mache 24 Touren mit jeweils höchstens 12 Leuten.“ Alleine könne man die knapp ein Kilometer lange Schlucht in einer halben Stunde schaffen: „Gruppen brauchen ja immer etwas länger, eine Tour dauert etwa eine bis anderthalb Stunden.“ Helm ist Pflicht, auch wenn der Langenbach jetzt im Sommer eher ruhig sei und die Gefahren daher überschaubar: „Ich bin selbst schon mal hingefallen, das kann immer passieren“, warnt Markus, und an den unzugänglichsten Stellen der Langenbachschlucht würde selbst die Bergwacht zwei Stunden brauchen, um einen Verunglückten zu bergen.

Gehen, als hätte man die Augen geschlossen

Im Winter oder nach starken Regenfällen, wandelt sich der Langenbach in einen reißenden Gebirgsbach, der auf seinem Weg von der Quelle am Notschrei auf 1270 Metern Höhe bis zur Mündung in den Schönenbach unterhalb der Todtnauer Wasserfälle eine beeindruckende Menge Material bergab bewegt, erklärt Markus. Kiesel und Schotter bilden meist, aber eben nicht immer einen festen Untergrund. „Wir gehen einfach so, als hätten wir die Augen geschlossen, also mit den Füßen tastend. Und macht lieber kleine Schritte, damit ihr nicht das Gleichgewicht verliert und ausrutscht. Selbst die größten Steine können kippen, wenn man sie nur anguckt. Wir sind einmal einen Wasserfall hinauf und genau nach der letzten Person ist so ein Riesenstein runtergekracht“, erinnert sich Markus. Glück gehabt.

„Aber ein Spaziergang ist das hier nicht.“
„Aber ein Spaziergang ist das hier nicht.“ © Patrick Kunkel

Nicht nur die dicken, meterhohen und mit Moospolstern bewachsenen Brocken hat der Langenbach talwärts gespült. Die Wucht des Wassers schuf auch tiefe Becken: „Die heißen auf alemannisch Gumpen“, sagt Markus. Eine dieser Gumpen war es auch, mit dem der Heiko vorhin Bekanntschaft gemacht hat. Durch das dichte Blattwerk, das sich wie ein grünes Dach über den Gebirgsbach spannt, fallen die kräftigen Strahlen der Mittagssonne und sorgen auf der Wasseroberfläche für blitzende Lichtspiele. Das sieht hübsch aus, leider können wir vor lauter Geglitzer kaum abschätzen, wie tief das Wasser ist. Hier reicht es bloß bis zu den Knöcheln und dort, bloß einen Schritt weiter schon übers Knie. Seine Mutter habe in einer Gumpe sogar schwimmen gelernt, sagt Markus.

Manch eine Gumpe versuchen wir trockenen Fußes seitwärts zu umgehen. Was klappt – und mal nicht klappt: Harmlos aussehende alte Blätter bilden eine schmierige, seifige Schicht auf den feuchten Felsen und bieten allerbesten Untergrund für Slapstickeinlagen. Meine rechte Hand krallt sich an einer jungen Farnpflanze fest, die linke kratzt über schleimige Flechten – und schon lande ich in der Gumpe. Was bei den Temperaturen nicht wirklich schlimm ist. Zum Glück sind wir zu viert, da gibt es nämlich in solchen Lagen reichlich helfende Hände. Und reichlich freundliche Lacher obendrein.

Ach, schon vorbei?

„Hier gibt es auch Forellen,“ erklärt Markus, die sehe aber immer nur derjenige, der als erster durch die Schlucht komme. Auf halber Strecke rasten wir kurz und unser Guide zaubert eine Thermoskanne mit heißem Tee und Nüsse aus seinem riesigen roten Rucksack. Das tut gut, auch wenn wir bloß feucht und nicht durchgefroren sind, so genießen wir nach einer halben Stunde im sprudelnden Wildbach das warme Gefühl, das sich im Bauch ausbreitet.

Ein bisschen Abenteuer, die Natur genießen und am Ende gut Essen.
Ein bisschen Abenteuer, die Natur genießen und am Ende gut Essen. © Patrick Kunkel

Kurz darauf tasten wir uns wieder schluchtaufwärts, die Füße immer dort, wo es wirbelt und rauscht: „Fühlt sich gut an“, findet Jan: „So eine eiskalte Fußmassage.“ Mal ist der Untergrund glitschig nass, dann wieder halbwegs trocken. Mal beschleunigt der Bachlauf, mal sammelt sich das Wasser still in den Gumpen, nur um dann kurz darauf in Kaskaden sprühend zwischen mächtigen Felsblöcken dahinzuschießen.

Weiter oben in der Schlucht wird es immer wilder, die Felstreppen immer höher und die Spalten, durch die wir uns zwängen, immer enger. Ich kralle mich an einer moosbewachsenen Kante fest, die schmatzende Geräusche von sich gibt, rutsche ab, und stehe dann doch wieder bis zu den Oberschenkeln im Wasser – Kumpel, gib mir Deine Hand! Und plötzlich ist das alles vorbei: Keine Stunde später stehen wir unter einer maroden Brücke im Wald. Ende der Tour. Noch den Steilhang rauf, einen Forstweg zurück nach Aftersteg. „Das war`s schon?“ fragt Heiko: „Schade. Ich könnte jetzt ruhig noch ein bisschen weiterklettern.“

Gut zu wissen

Schluchting: Geführte Bachkletterwanderung in der Langenbachschlucht, für Jugendliche und Erwachsene ab 11 Jahren
Ausrüstung: gut sitzende, flache Sportschuhe oder Barfußlaufschuhe; der Witterung angepasste schnelltrocknende Bekleidung, Helm.
Buchung und Info: Markus Dutschke, Tel. 07652-1206 8530
info@ummegumpe.de