Die Straßen zwischen St. Märgen und St. Peter sind besonders reizvoll

Mit dem Rennrad auf den Spuren der alten Römer

Steilhang runter, fiesen Buckel rauf - dann geht's ab auf die Römerstraße
20.04.2022

von Patrick Kunkel

Am Zwerisberg in St. Märgen, mitten im höchsten Hochschwarzwald, zweigt ein kleines Sträßchen von der Schwarzwald-Panoramastraße ab. Es senkt sich kühn und steil Richtung Oberibental und verschwindet nach ein paar
hundert Metern in einem Waldstück.

Römerstraße ist ihr Name und mein Rennradkumpel Ingmar und ich fahren gerade mit ordentlich Geschwindigkeit an der Abzweigung vorbei, weiter auf der Hauptstrecke nach St. Peter. Das war ein Fehler. Römer sind hier freilich nicht zu sehen, weit und breit nicht. Dafür aber ganz andere Invasoren. Kein Zweifel: Die Panoramastraße im Hochschwarzwald scheint nicht nur aller Welt bekannt, sondern offensichtlich auch überaus beliebt bei Besitzern antiker Wohnmobile aus Holland und Groß-Gerau zu sein. „Denen macht das vielleicht Spaß, hier mit Dreißig runter zu zuckeln“, stöhnt Ingmar, als wir später, ein paar Kilometer weiter, in St. Peter auf der Terrasse des Hirschen sitzen. Ingmar stochert traurig in seinem riesigen Stück Apfelkuchen herum: „Die ganze schöne Abfahrt haben sie uns vermiest“, schnaubt er und schiebt sich ein großes Stück Kuchen in den Mund.

Hochschwarzwälder Dauerwellen

Eigentlich ist die Panoramastraße ein Traum von Straße: In lang gezogenen Schwüngen senkt sie sich vom Thurnerpass erst Richtung St. Märgen und strebt von dort weiter dem Klosterort St. Peter zu. Sie ist gespickt mit Kurven und die Ausblicke sind überwältigend: Berge, Bäume, Bauernhöfe, in der Ferne der Feldberg: „Eine meiner Lieblingsrouten“, sagt Ingmar kauend.

Kurvige Straßen zwischen St. Märgen und St. Peter im Schwarzwald sind ideal für das Rennradfahren.
Vor allem auf schnellen, schmalen Rennradreifen ist die Abfahrt ein Hochgenuss: Wenn der Fahrtwind am Trikot zerrt, wenn der Blick über die Hochschwarzwälder Dauerwellen streift, die sich bis zum Horizont erstrecken . . . bloß nicht am Wochenende, meint Ingmar: „Da ist es einfach zu voll.“

Gut, dass es noch andere Strecken gibt: Von all den Nebenstraßen, die den ganzen Südschwarzwald wie ein fein gesponnenes Netz überziehen, sind die schmalen Asphaltbänder zwischen St. Märgen und St. Peter ganz besonders reizvoll für Ausfahrten mit dem Rennrad. Die Hochfläche zwischen Kandel und Thurner ist zerfurcht von einem wahren Gewirr aus Bergrücken, Kuppen und Tälern. Und die Sträßchen zwischen den Tälern sind wie Lebensadern in dieser entrückten Welt – sie verbinden die abgelegenen Höfe miteinander. Und was noch viel besser ist: Anders als auf der Panoramastraße hat man hier als Radfahrer seine Ruhe. Ab und an tuckert ein Anwohner vorbei. Das war es dann.

Von der Rankmühle hat man einen wunderschönen Ausblick in Richtung St. Märgen
Von der Rankmühle hat man einen wunderschönen Ausblick in Richtung St. Märgen © Patrick Kunkel

Ein paar Tage später probieren wir es aus. Schon die Auffahrt ab Buchenbach im Dreisamtal ist ein Traum. Während die Hauptstrecke nach St. Märgen in langen Schlaufen und relativ gleichmäßig ansteigend in den Klosterort führt, schwitzen wir auf dem Steigweg, einer hochprozentigen und praktisch verkehrsfreien Bergstraße, die sich vom kleinen Örtchen Wagensteig Richtung Thurner hinaufschraubt. Erst blubbert der Bach, ganz harmlos, dann macht der Steigweg seinem Namen alle Ehre: Er steigt.

Es geht von Hof zu Hof: Rothenbauernhof, Christenherrmannshof, Tännlehof, und vorbei an Kapellen und Wegkreuzen. Kurz vorm Thurnerpass überlegen wir kurz: Panoramastraße? Ingmar schüttelt den Kopf, wir biegen ab. Noch so ein Ministräßchen: Schweighöfe und Mathisenhof fliegen nur so vorbei. Dann einen Steilhang runter, wo sich der Erlenbach seinen Weg ins Tal gefressen hat, zwei fiese Rampen wieder rauf und schließlich St. Märgen mit seinen beiden Klostertürmen. Und hinterm Ort endlich: Die Römerstraße.

Mit dem Rennrad auf historischer Spurensuche

Wobei man bis heute nicht recht weiß, ob es tatsächlich die echten alten Römer waren, denen wir diese reizvolle Straße zu verdanken haben. Sicher ist, dass es einst einen römischen Verkehrsweg durch den Schwarzwald gegeben hat, der Hüfingen auf der Baarhochfläche und Riegel am Kaiserstuhl in Breisgau miteinander verbunden haben soll. Doch für das letzte Teilstück, für „den Abstieg Richtung Breisgau, gibt es mehrere Theorien“, schreibt der Autor Roland Weis in seinem Standardwerk „Der Hochschwarzwald“. Eine mögliche Route führe über Thurner, Spirzen und Vogelacker nach Wagensteig. Also genau da, wo wir vorhin hochgeächzt sind! Und runter geht’s für uns nun dort, wo laut Weis womöglich eine andere Römertrasse verlief – mit dem Rennrad auf historischer Spurensuche, das gibt’s selten!

Wir haben uns ordentlich verbummelt. Schon schickt sich die Sonne an, allmählich hinter den von Wald gesäumten Weidbergen zu versinken, die die Aussicht begrenzen. Doch das Trödeln hat sich gelohnt, denn jetzt ergießen sich rotgoldne Sonnenstrahlen über die Matten. Alles leuchtet, die Abendkühle kriecht langsam aus den Talfurchen hinauf und es duftet nach frisch gemähtem Heu. In der Ferne ragt stolz der Feldberg auf. Von hier aus kann man die Panoramastraße sehen, die sich an die Hänge schmiegt. Und das Hupen hören. Von der Autoschlange hinter einem großen weißen Kasten, der träge talabwärts rollt.