Schellsch halt mol!

Unterwegs um Bekanntschaften zu machen
28.04.2025

von Pascal Cames

Einfach bei Einheimischen klingeln und mit ihren Tipps die Gegend besser kennenlernen? Im Hochschwarzwald kein Problem! Wir haben das einmal selbst ausprobiert.

Wer ein Smartphone hat, braucht theoretisch keine Mitmenschen mehr. Das Handy weiß, wann der Bus fährt, welches Gasthaus offen hat und wie man zum Hochfirst kommt. Aber das ist halt auch langweilig. Außerdem kann Google nicht bewerten, welches Gasthaus besonders urig ist, welcher Weg am schönsten ist oder wer die besten Brägele macht. Solche Geheimtipps kennen Einheimische.
Aber wann hat man zuletzt einfach so einen fremden Menschen angesprochen?

Ziemlich nett! Welche Tipps wir hier wohl bekommen?
Ziemlich nett! Welche Tipps wir hier wohl bekommen? © Paul Wagner

„Schellsch halt mol“: Mit einem Klingeln zu Gast bei Einheimischen

Da kommt die Aktion „Schellsch halt mol“ genau recht. Für alle die’s nicht wissen:
Schellen heißt an der Tür klingeln. Im Hochschwarzwald machen schon mehr als 60 Leute bei der Aktion mit. Überall, wo das Schild mit dem „Schellsch halt mol“-Schriftzug zu sehen ist, darf man einfach so klingeln oder klopfen. Hinter der Aktion der Ferienregion Hochschwarzwald steht der Gedanke, dass so Besucher unkompliziert mit Einheimischen ins Gespräch kommen können. Die Idee stammt von Jochen Faller aus Breitnau: „Jeder teilnehmende Einheimische trägt einen Teil dazu bei, dass sich alle im Hochschwarzwald wohl und willkommen fühlen.“

Testen wir „Schellsch halt mol“ mal selbst. In Saig, das auf einer Höhe von
987 Metern liegt und als die schönste Sackgasse im Schwarzwald gilt. Hier gibt es keine Durchfahrtstraße, und darum ist es angenehm ruhig, man hört nur einige Kühe muhen, die gerade auf die Weide getrieben werden.
Etwas außerhalb stehen drei Häuser, eines unter einem gigantischen Baum
(Deutschlands höchste Esche), eines auf dem Buckel, das andere direkt vor mir.
„Jeder teilnehmende Einheimische trägt dazu bei, dass sich alle im Hochschwarzwald willkommen fühlen.“

Dorfidylle pur: Was gibt es zu sehen in Saig? Eine Menge! Zum Beispiel den Hof von Mathias Brugger. Der kennt einen schönen Wandertipp.
Dorfidylle pur: Was gibt es zu sehen in Saig? Eine Menge! Zum Beispiel den Hof von Mathias Brugger. Der kennt einen schönen Wandertipp. © Paul Wagner

Idyllisches Saig

Die schönsten Sonnenstrahlen leuchten es aus. Ich entdecke mehrere Holzbeigen, viele Blumen, drei Gießkannen, zwei Enten, einen Hund, der eine Katze jagt, drei weitere Katzen, Gummistiefel …
Genauso kann man sich eine Landidylle vorstellen. Echt Schwarzwald. Da vorne das Zeichen für „Schellsch halt mol“ zu sehen ist, weiß ich, hier kann ich klingeln, klopfen oder halt schellen, ohne dass Schäferhund Hasso („Hier wache ich“) knurrt. Es vergeht keine Minute und ein Mann öffnet die Tür. Mit einem herzlichen „Guten Tag!“ begrüßen wir uns. Da ich unverkennbar als Wanderer durchgehe und nicht als Postler, weiß der Mann sofort, was los ist. Ich sage, dass ich mich hier gar nicht auskenne. „Da dachte ich mir, schellsch halt mol.“ Der Mann, Milchbauer Mathias Brugger, fängt an zu erzählen:
von dem nahen Gipfel, dem Adventure Golf, was sehr beliebt ist, dem Kuhlehrpfad für die Kleinen, der aber auch den Erwachsenen Spaß macht, und von den drei Restaurants oder Gasthäusern in Saig und dass man in Lenzkirch gut einkaufen kann. „Nicht so schnell“, bitte ich.

„Da dachte ich mir, schellsch halt mol."
(Paul Wagner)
Hier gibt's Tipps an der Tür: In Zeiten des Internets werden Gelegenheiten rar, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Da kommt die Aktion "Schellsch halt mol" aus dem Hochschwarzwald genau richtig...
Hier gibt's Tipps an der Tür: In Zeiten des Internets werden Gelegenheiten rar, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Da kommt die Aktion "Schellsch halt mol" aus dem Hochschwarzwald genau richtig... © Paul Wagner

Nächste Station: Hochfirst

Der Hochfirst interessiert mich. „Da hoch, dann links Richtung Saig und beim weißen Haus rechts hoch“, erklärt Mathias. Ist das ausgeschildert? „Ja, natürlich“, sagt er.
„Einfach dem Weg folgen.“ Dass Mathias gerne erzählt, wird mir sofort klar. Auch mit den Kneipen in der Nähe kennt er sich aus. Die eine hat einen Biergarten und kleine Sachen auf der Speisekarte, der Ochsen ist eine feine Adresse, die dritte hat leider nur abends auf. Woher er das alles weiß? Na, ganz einfach, weil er im Dorf lebt – und froh ist, dass es Touristen gibt. Denn ohne die gäbe es vielleicht keine Orte mehr, wo man ein Bier zusammen trinken kann. „Das Wichtigste ist, in Austausch zu kommen!“, lautet Mathias’ Statement.
Dann erzählt er mir noch ein bisschen von seinem Hof: Seine Enten heißen Miles und Richard. Seine Tochter dagegen meint, dass sie Richard und Rüdiger heißen würden. Ob nun so oder so, die beiden watscheln immer im Duo. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mit denen so viel Spaß habe.“ Ob nun die Katzen einen Namen haben, war dann nicht mehr zu erfahren, aber dass es oben auf dem Hochfirst ein Bier geben wird, das hat er mir erzählt.
Natürlich ist der Weg zum Hochfirst (1196,9 Meter) ein bisschen steil. Zwei Stunden habe ich dafür gebraucht. Dass die Aussicht so genial ist, hat mir Mathias gar nicht erzählt.

Der Weg hat sich gelohnt! Der wunderschöne Ausblick auf den Titisee
Der Weg hat sich gelohnt! Der wunderschöne Ausblick auf den Titisee © Paul Wagner

Zwischen Wurstsalat und Wanderlust: Der nächste Besuch im Hochschwarzwald

Ich hätte es mir aber auch denken können, dass der Blick auf den Titisee und darüber hinaus ganz wunderbar ist. Der Wind pfeift schon ein bisschen winterlich. Da die Wirtschaft schon aufgesperrt hat, gehe ich in die behagliche Wärme. Was ist die Spezialität des Hauses? „Wurstsalat“, sagt die Wirtin, „Schäufele“, meint der Wirt. Dazu gibt es Bratkartoffeln. Es gibt natürlich auch Flammkuchen oder Schwarzwälder Kirschtorte auf der Speisekarte.
Bei Elisabeth Kaiser in Menzenschwand läuft es ähnlich ab. Auch sie hat vor ihrem Holzhaus eine „Schellsch halt mol“-Plakette. Kaum habe ich geschellt, höre ich sie schon hinter der Tür. „Hallo, Frau Kaiser!“ Elisabeth Kaiser, erfahre ich, hatte schon einmal unerwarteten Besuch. „Ich suche meinen Mann“, habe sie die fremde Frau an der Tür wissen lassen. Da war Elisabeth dann doch kurz überrumpelt: „Woher soll ich denn wissen, wo Ihr Mann ist?“ Dann stellte sich heraus, dass der gesuchte Gatte Segelflieger ist. Jetzt konnte sie weiterhelfen, die Flugschule ist nämlich nicht weit.
Wenn Elisabeth im Garten ist, hört sie öfters Touristen und Wanderer von den
Häusern hier schwärmen. Dann denkt sie sich ihren Teil: Wenn die wüssten, wie viel Holz man hacken muss, bis es endlich warm ist! Darum erklärt sie nicht gleich den Weg zum Herzogenhorn oder zum Geißenpfad, sondern lädt in die gute Stube ein, zeigt uns die Heavy-Metal-CD-Sammlung ihres Mannes und leuchtet mit der Taschenlampe in den alten Ofen. Ganz schön groß!
Auch hier hat die Katze Freilauf, der Garten geht in die Wiese über. Hier ist es aber auch schön! „Elisabeth, wo können wir hinwandern?“
Jetzt muss sie uns aber endlich erzählen, was man hier machen kann – oder uns einen Kaffee spendieren …

Hallo, Frau Kaiser! Wenn Elisabeth Kaiser aus Menzenschwand nicht gerade Holz macht, setzt sie sich gerne in  die Sonne hinterm Haus. Hier hat sie im Blick, was die Katzen machen und ob Wanderer vorbeikommen. Sie freut sich über Besuch!
Hallo, Frau Kaiser! Wenn Elisabeth Kaiser aus Menzenschwand nicht gerade Holz macht, setzt sie sich gerne in die Sonne hinterm Haus. Hier hat sie im Blick, was die Katzen machen und ob Wanderer vorbeikommen. Sie freut sich über Besuch! © Paul Wagner

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