Die Sage vom Hirschsprung

Der weiße Wächter
29.10.2021

von Matthias Maier

Wie ein weißer Wächter steht er über dem Eingang zum Höllental und schaut auf alle Reisenden herab, die auf diesem Wege in den Hochschwarzwald kommen: der bronzene Hirsch auf dem nach ihm benannten Felsen. Das Denkmal geht auf eine Sage aus dem Mittelalter zurück – und machte diese zur wohl bekanntesten Jäger-Anekdote des gesamten Schwarzwalds.

Die "Hölle" passieren

Einst war das untere Höllental mit seinen mächtigen Felsen, die bis zu 130 Meter hoch aufragen, eine gefürchtete Engstelle auf der Route vom Dreisamtal nach Breitnau und Hinterzarten. Nicht umsonst wurde der Ort „Höllpass“ genannt: Wer hier hindurch wollte, musste die beschwerliche und gefährliche Reise durch eine unwegsame Gegend auf sich nehmen, auf einem schlecht ausgebauten Weg. Mitunter nutzten finstere Gestalten die klammartige Passage, um die nur langsam vorankommenden Wagen und Gespanne zu überfallen.

Die dicht bewaldeten Steilhänge des Höllentals

Die dicht bewaldeten Steilhänge des Höllentals © Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Wie es zum gewaltigen Hirschsprung kam

Bewacht wurde der Engpass von der seit langer Zeit verfallenen Burg Falkenstein aus. Ein Ritter von jener Burg soll sich eines Tages aufgemacht haben zur Jagd. Alsbald entdeckte er einen prächtigen Rothirsch und nahm die Verfolgung auf. Immer weiter trieb er das Tier über die bewaldeten Steilhänge des Tals und auf einen schmalen Felsvorsprung zu. Schon glaubte er, dem König des Waldes jeden Fluchtweg abgeschnitten zu haben, und spannte seinen Bogen mit dem tödlichen Pfeil. Doch mit einem gewaltigen Satz sprang der Hirsch über die Klamm hinweg auf die andere Seite und verschwand im grünen Dickicht.

Nachdem sie in der Region ausgestorben waren, gibt es heute wieder wild lebende Hirsche im Hochschwarzwald. Diese hier sind allerdings nicht wild, sondern im Wildgehege St. Blasien heimisch.
Nachdem sie in der Region ausgestorben waren, gibt es heute wieder wild lebende Hirsche im Hochschwarzwald. Diese hier sind allerdings nicht wild, sondern im Wildgehege St. Blasien heimisch. © Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Märchen oder tatsächlich passiert?

Wer heute den großen Abstand zwischen den Felswänden am Hirschsprung sieht, mag diese Episode vielleicht als erdachtes Märchen abtun. Bedenken sollte man dabei jedoch, dass die Engstelle früher lediglich neun Meter breit war – für einen ausgewachsenen Hirsch durchaus machbar. Erst im Laufe der Zeit wurden Teile der Felsen für den Wege- und Straßenausbau immer weiter gesprengt und die Klamm verbreitert.

Wer durch das Höllental fährt und aufmerksam schaut, kann die Hirschstatute auf dem Felsen entdecken.
Wer durch das Höllental fährt und aufmerksam schaut, kann die Hirschstatute auf dem Felsen entdecken. © Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Der Hirsch, der über den Felsen thront

Dem sagenumwobenen Hirsch wurde auf der Felskanzel am „Höllenpass“ bereits 1856 das erste hölzerne Denkmal errichtet. Im Jahr 1907 ersetzte man es durch ein bronzenes Standbild von 2,50 Metern Höhe, stolze 350 Kilogramm schwer, das noch heute zur Freude vieler Reisender über dem Eingang zum Höllental thront.

Höllental

Der Blick hinab ins Tal.© Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Mehr Informationen

  • Himmlisches Höllental
    Viele kennen die Gegend lediglich von der Durchfahrt. Dabei bietet das enge Tal zwischen Freiburg und Hinterzarten auf kleinstem Raum eine enorme Fülle an Natur- und Kulturschätzen - und liefert seit jeher Stoff für Mythen und Legenden.
  • Auf der Pirsch
    Pirscht gemeinsam mit einem Förster oder einer Försterin zu einer Beobachtungsstelle für Rotwild. Mit etwas Glück könnt ihr dort, in der Nähe des Schluchsees, Hirsche, Rehe oder andere Wildtiere entdecken.