Heiße Öfen auf dem Glatteis
Es ist ein kalter, klarer Wintermorgen am Titisee. Die gefrorene Seeoberfläche glitzert wie ein funkelnder Kristall im Sonnenlicht. Über dem See liegt eine unheimliche Ruhe. Plötzlich zerreißt das Knattern von Motorrädern die Stille, auf einen Schlag bricht ein höllischer Lärm los. Am 8. Februar 1931 findet auf dem zugefrorenen Titisee erstmals ein Eisrennen statt. Das Spektakel lockt Tausende von Menschen auf die spiegelglatte Seefläche.
Zur Veranstaltung lud der Freiburger Motorradclub ein, der mit einer Anzeige in der ADAC-Motorwelt zur Teilnahme aufrief. Das Startgeld betrug 10 Reichsmark, inklusive einer kostenlosen Übernachtung mit Frühstück.
Die enorme Resonanz brachte den ADAC auf den Plan, der die Winterfahrt in Garmisch-Patenkirchen organisierte. Gab es einen perfekteren Ort, als den in 800 Metern Höhe gelegenen, idyllischen Titisee? Zudem war der See als Austragungsort der Eiskunstlaufmeisterschaften bestens bekannt. Im nächsten Jahr, am 14. Februar 1932 fand das 2. Eisrennen unter der Regie des ADAC in Zusammenarbeit mit dem Kurverein Titisee statt. Das Rennen wurde zum Publikumsmagnet.
Die Austragung des 3. Eisrennens im Jahr 1933 brach sämtliche Zuschauerrekorde: Bei strahlendem Sonnenschein pilgerten mehr als 10.000 Schaulustige zum Titisee. Die Rennen gewannen an Dramatik, Schnelligkeit und Prominenz: Der berühmte Rennfahrer Hans Stuck nahm mit dem Mercedes Nr. 102 teil. Mit Geschwindigkeiten über 100 KM/h rasten die mit Spikes ausgerüsteten Fahrzeuge über die Eispiste.
Flugzeug versus Automobil versus Motorrad: Kopf an Kopf!
Unbestrittener Höhepunkt war das sensationelle Schaurennen zwischen Flugzeug, Motorrädern und Autos. Das Flugzeug musste in nur geringer Flughöhe sieben Runden absolvieren, der Rennwagen viereinhalb, die Motorräder drei Runden über die spiegelglatte Seeoberfläche rasen. Das spektakuläre Rennen gewann der Motorradfahrer Roth, der am Vormittag die Zweiradrennen dominierte.
Beflügelt von den Erfolgen erweiterten die Veranstalter 1934 erneut das Programm. Vor allem der Wettkampf mit dem Flugzeug zog Zuschauermassen an. Sonderzüge fuhren von Colmar, Basel, Mannheim, Stuttgart und Konstanz nach Titisee. An die 15.000 Zuschauer pilgerten zum See.
Der ehemalige Jagdflieger Ernst Udet sorgte mit einem Kunstflugprogramm für Aufsehen. Mit dem Flamingo-Doppeldecker flog er waghalsige Manöver: Im Sturzflug steuerte er auf den See zu, schaltete den Propeller aus und berührte mit einer Tragfläche das Eis, um ein Taschentuch aufzunehmen.
Nach dem 2. Weltkrieg endete die Ära der Eisrennen. Ab 1957 etablierte der damalige Kurdirektor, Heinz Kind, zusammen mit dem Geschäftsmann Rudolf Metz, Flugtage auf der Eisfläche des Titisee. Als im Januar 1966 der Bühlhofbauer Walter Wilde den Schnee mit einem Schneepflug von der Landebahn schob, brach das Eis und riss Traktor samt Fahrer in den See. Die Leiche konnte erst Wochen später geborgen werden. Damit war das Ende der Flugtage auf dem Titisee besiegelt.
Heute tummeln im Winter Spaziergänger und Eisläufer auf dem zugefrorenen Titisee. Wegen der Windverhältnisse und des Wellengangs gefriert der See nicht immer zu. Erst wenn das Eis mindestens 16 Zentimeter dick ist, werden vereinzelte Bereiche für die Öffentlichkeit freigegeben.