So sieht es aus, das typische Schwarzwaldhaus

Ein Schwarzwaldhaus mit seiner altbekannten Bauart

Alte Sehnsucht: Das Schwarzwaldhaus
31.07.2019

von Pascal Cames

Hebt den Firstbalken hoch, Zimmerleute! Wie oft wohl dieser Ruf im Schwarzwald erklungen ist? Die schwarzen Wälder sind voller Holzhäuser, deren Dächer nach allen Seiten schräg abgehen. „Walmdach“, lautet der Fachbegriff. Im Bauerngarten vor dem Haus wachsen Blumen und Gemüse, ganz oft steht ein Backhaus nebenan, manchmal sogar eine Kapelle. Ein Bach plätschert auch irgendwo und am Fenster blühen die Geranien. Manchmal ertönt sogar eine Glocke. Und jedes Haus hat einen Namen.

Zum Hang bauen oder ins Tal schauen?

Über das Schwarzwaldhaus wurde schon viel nachgedacht. Einige Forscher unterscheiden vier Haustypen, andere nur zwei. Wieder andere definieren die Haustypen nach den Landschaften. Festzustellen ist: Häuser wie diese gibt es nur im Schwarzwald. Die ältesten noch erhaltenen Schwarzwaldhäuser sind um die 500 Jahre alt und werden „Heidenhäuser“ genannt, auch wenn es keine Heiden waren, die darin lebten. Typisch für diese Häuser war die Lage am Hang. Ebenso typisch war, dass die Dächer bis zum Boden gingen. So war zwischen Dach und Haus ein Gang, was im Winter wichtig war, wenn der Schnee meterhoch lag. Manche Häuser schauen auf den Berg, andere ins Tal. Warum? Hausforscher Burghard Lohrum meint, dass man wissen wollte, wer kommt. War oben ein Weg, dann „schaute“ der Wohnbereich nach oben, verlief der Weg im Tal, dann „schaute“ das Haus talwärts. Allerdings gab es anfangs keine Glasfenster. Zu teuer. Die Häuser hatten Schiebefenster aus Holz. Bei Regen Dunkelheit.

Außenansicht mit Garten und Holzvorräten
Außenansicht mit Garten und Holzvorräten © Pascal Cames

Schwarzwälder sind Pioniere

Der Schwarzwald war bekanntlich lange Zeit ein Refugium für Wölfe, Bären und Gesetzlose. Logisch, dass man in diesem Urwald kein Haus bauen wollte. Aber in den Tälern wurde es eng und der Mensch ist von Natur aus neugierig. Klöster und Fürsten lockten Pioniere in ihre Wälder, ließen die Wälder abholzen für Häuser und Weiden. Gratis! Es war ja auch gefährlich, also gab es das Haus umsonst. „Der Baumarkt war vor der Tür“, erklärt Burghard Lohrum, eine Tanne für den Firstständer (das war die wichtigste Stütze) stand meist in der Nähe. Jedes Stück Holz wurde mit dem Beil geschlagen, egal ob es nun die 20 Meter lange Weißtanne war oder ein Zapfen oder ein Schloss für eine Tür.

Wenig Platz für Mensch, viel Platz für Tiere und Futter 

Auch wenn es im Schwarzwald zig verschiedene Typen von Häusern gibt, eines haben sie alle gemeinsam und das ist die Aufteilung des Hauses. Da die Landwirtschaft das Ein und Alles war, brauchten Tiere und Futter genug Platz. Für die vielen Menschen (immer drei Generationen) war's dagegen eng, aber vielleicht auch gemütlich. Das Haus muss man sich wie eine Torte vorstellen, mit verschiedenen Schichten. Von unten nach oben: Keller, Wohnbereich und Tiere, dann ein Schlafplatz und ganz oben unterm Dach das Heu. Zwischen Mensch und Tier lag ein Gang als „Geruchsbarriere“. Zum Berg ging ein Brunnengang zur Quelle. Bis heute gibt es noch Häuser mit frischem Quellwasser!

Auf dem Heuboden wird das Winterfutter für die Tiere gelagert.
Auf dem Heuboden wird das Winterfutter für die Tiere gelagert. © Pascal Cames

Ein Loch für die Hofkatze

Wer die Treppe zum Dach nimmt, entdeckt einen riesigen Raum. Der Platz wird gebraucht und zwar fürs Heu, das die Tiere durch einen langen Winter bringt. Die Tenne hat eine Hocheinfahrt über eine Brücke oder einen aufgeschütteten Hügel. Die Einfahrt geht auf die „Fahr“, die sich ein, zwei Meter über dem Heuboden befindet. Links und rechts neben der Fahr wurde das Heu „verschoppt“, wie man heute noch sagt. Alte Leute erinnern sich gerne, wie sie früher das Heu in alle Ecken stopften und wenn Arbeit und Hausaufgaben gemacht waren, von oben ins Heu sprangen und sich Gänge bauten. Unterm Dach findet sich auch ein Raum, der wie eine Schachtel in der Tenne steht. Da drin lagerte das Saatgut. Aber auch sicher? Mäuse kommen bekanntlich überall durch und darum haben Saatgutspeicher ein Schlupfloch für die Hofkatze. Noch eine Besonderheit: An der Stelle, die die Grenze zwischen Menschen und Haustiere markiert, wurde an einen Pfosten ein Ochsenkopf als Glücksbringer gehängt. Das war der Zugochse, der das Material für den Hausbau herangezogen hat und der zum Richtfest geschlachtet wurde. Neben dem Heu waren die Knechtskammern. Die Kinder schliefen bei den Mägden und bei den Knechten war streng geregelt wer wo seinen Schlafplatz hat. Der älteste und vielleicht stärkste Kerl durfte ganz hinten im Raum schlafen, da war es am wärmsten.

Über die Hocheinfahrt wurde das Heu in die Tenne transportiert
Über die Hocheinfahrt wurde das Heu in die Tenne transportiert © Pascal Cames

Die gute Stube als Zentrum der Familie

Immer warm war es in der Stube mit dem Kachelofen. In der guten Stube stand ein großer Tisch, ein Schrank, vielleicht schlug eine Uhr, ganz sicher aber gab und gibt es den Herrgottswinkel mit einem Kruzifix oder der Mutter Gottes. In der Stube wurde das selbstgebackene Brot gesegnet und der Eintopf gelöffelt. Da die Menschen in alter Zeit besser an die Dunkelheit gewohnt waren, als heute, schnitzten oder stickten sie in der Stube oder in einer kleinen Werkstatt neben den Stallungen. Bis heute wird die Fläche auf dem Kachelofen „Kunscht“ genannt. Auf der „Kunscht“ lässt es sich selig schlafen. Über der Stube gab es noch einen weiteren Raum, da schliefen Bauer und Bäuerin im Warmen.

In der Guten Stube treffen sich alle Hofbewohner am Kachelofen
In der Guten Stube treffen sich alle Hofbewohner am Kachelofen © Martin Wider

Kochen unter Rauchhorizont

Nebenan in der Küche wurde der Ofen angefeuert. Bevor es einen Herd gab, war hier auch eine offene Feuerstelle. Jetzt kommt's! Die Häuser hatten bis nach 1900 keinen Kamin! In einem „Rauchhaus“ schwebten Rauch und Funken von der Feuerstelle in eine Rauchhurt wo sie etwas abkühlten und dann weiter abzogen. In der Küche bewegten sich die Leute ständig unter dem „Rauchhorizont“, der je nach Wetterlage höher oder tiefer lag. Der Schinken hing unter der Decke im Rauch. (Als dann Kamine eingebaut wurden, kam die Räucherkammer in die Tenne.) Der Rauch zog schlussendlich aufwärts und verschwand durch die Ritzen. Das ganze Haus wurde so zum Kamin! Warum hat man das so gemacht? Dank des Rauchs gab es weniger Ungeziefer und die Feuchtigkeit hielt sich auch in Grenzen. Weil es keinen Kühlschrank gab, musste man sich mit einer Brunnhütte behelfen, das war ein überdachter Brunnen, in der die Milch gelagert wurde.

Alte Häuser, neue Sehnsucht 

Ab 1900 kommt die neue Zeit. Statt auf dem offenen Feuer wurde auf einem Herd gekocht, der elektrische Strom kam, danach der Kühlschrank und die Glühbirnen. Die Kamine wurden eingebaut und Dächer mit Ziegeln gedeckt und nicht mehr mit Stroh oder Schindeln. Silos wurden errichtet und in der Tenne parkten Landmaschinen. Der Bauer brauchte keine Knechte und Mägde mehr, aus ihren Zimmern wurden Kinderzimmer und Ferienwohnungen. Die tiefschwarzen Küchen wurden neu gestrichen und nach und nach vergrößerte sich auch der Wohnraum und wurde schmuck. Heute gibt es Neubauten im Stil der alten Schwarzwaldhäuser und original Schwarzwaldhäuser, wie das von Martin Wider in Raitenbuch, der immer noch einen Rauchhurt hat, aber sonst absolut modern lebt. Natürlich schaut sein Haus ins Tal. Nah und fern stehen ähnliche Häuser und alle haben sie einen genauso schönen Ausblick. Vieles hat sich geändert, aber die Häuser sind geblieben. Sogar die Glocken läuten noch, dann und wann oder sogar regelmäßig wie auf dem Wildenhof.