Uhren

Die Zeit vergeht, die Uhren bleiben

Kuckucksuhren - Präzision und Schönheit
24.05.2022

von Pascal Cames

Im Schwarzwald gehen die Uhren anders. Die Menschen ticken anders. Sie sind Tüftler:innen, Erfinder:innen und Handwerker:innen, sie haben Fantasie, sie trauen sich was, sie gehen auf Wanderschaft und leben ihre Träume. Davon ist im Juni viel zu sehen auf der Uhrenbörse in Eisenbach.

Vor 100 Jahren war Eisenbach ein Hotspot der Uhrenindustrie. Die gesichert älteste Uhr des Schwarzwalds (Wildi, 1780) stammt aus Oberbränd bei Eisenbach. Im 19. Jh. verdienten die Leute im kleinen Eisenbach ihr Geld mit Uhren, sie bauten Kästen, schnitzten Figuren, fertigten Zahnräder oder waren Unternehmer. „Um die 200 Uhrmacher gab es hier“, berichtet Hubert Wursthorn, der Macher der Uhrenbörse, die vom 10. bis 12. Juni in Eisenbach stattfindet. Hubert Wursthorn ist ein Nachkomme des wohl berühmtesten Uhrmachers seiner Zeit: Johann Baptist Beha. Bis heute sind seine Uhren nicht von der Zeit überholt. Sie sind Klassiker. 

Etikett einer Kuckucksuhr Fa Beha & Söhne, Eisenbach 1885

Etikett einer Kuckucksuhr Fa Beha & Söhne, Eisenbach 1885 © Deutsches Uhrenmuseum

Kuckucksuhren - ein Ausweg aus der Armut

Die Geschichte beginnt mit dem 20 Jahre jungen Vincens Beha (1781-1868) aus Oberbränd der 1801 beschloss Uhrmacher zu werden. Das versprach einen Ausweg aus der Armut (viele Menschen, wenig Land) und Erfolg. Und er hatte Erfolg, der später von seinem Sohn Johann Baptist (1815-1898) noch übertroffen wurde. „Wenig Material, viel Wissen“, nennt Eva Renz vom Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen, das Geheimnis der Schwarzwälder Erfolgsgeschichte. 

Ein Engländer aus Eisenbach

Johann Baptist Beha wurde „der Engländer“ genannt, weil er mit Erfolg in England seine Geschäfte tätigte (ohne Englisch zu können!) und mit Ideen zurückkam und sie auch umsetzte. Er war nicht nur von Technik besessen, sondern hörte auf das, was die Kundschaft wollte. Kuckucksuhren („Kästle-Gugu“) kamen gut an. Weil in London Tischuhren beliebt waren, baute er Kuckucksuhren als Tischuhren. Zudem entwickelte er die beliebte Bahnhäusle-Uhr weiter. Während die wenigen Kollegen, die es zum Unternehmer schafften, als Uhrmacher galten, war er als der „Kukuksuhrenmacher“ bekannt.

Sammlung von Hubert Wursthorn

Sammlung von Hubert Wursthorn © Pascal Cames

Qualität statt Quantität

Da jede Industrie ihre Höhen und Tiefen hat, musste auch Johann Baptist Beha weitreichende Entscheidungen treffen, als nach 1870 die Geschäfte nicht mehr so gut liefen. Die Globalisierung fand schon damals statt. Nicht nur Beha exportierte, sondern auch amerikanische Firmen lieferten günstige Clocks in alle Welt. Was tun? Er spezialisierte sich auf hochwertige Uhren, die so nicht in der Massenproduktion zu fertigen waren. Die „ausschließliche Spezialität“ ging nach Sankt Petersburg, New York, London und sogar Konstantinopel. Nicht nur Präzision und Schönheit wurden gerühmt, sondern „die beste Nachahmung des eigenthümlichen Rufes dieses Vogels.“ Vielleicht sind darum Beha Uhren im Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen zu finden, aber auch im British Museum in London. Beha Uhren wurden vielfach mit Preisen bedacht, wie z.B. in London (1862), Paris (1867), Straßburg (1895). Auf der Wiener Weltausstellung 1873 gab es sogar eine Goldmedaille!

"...die beste Nachahmung des eigenthümlichen Rufes dieses Vogels."
(Unbekannt)
Sammlung von Hubert Wursthorn

Die Uhrensammlung von Hubert Wursthorn © Pascal Cames

Der Uhren-Sammler

Johan Baptist Behas Nachkomme Hubert Wursthorn hält das Erbe in Ehren. In seinem Bogensporthotel Bad in Eisenbach tickt wie eh und je die Weltzeituhr (70 kg schweres Pendel!), welche die Uhrzeiten in New York, London, Konstantinopel (heute Istanbul) anzeigt. Das Hotel liegt  direkt an der Deutschen Uhrenstraße. Hubert Wursthorn ist ein großer Sammler von Uhren. Er hat solche mit lackierten und bemalten Schildern, tiefbraune Uhren mit tollen Schnitzereien, ja sogar Uhren, wo sich die Augen der aufgemalten Figuren bewegen oder mit tanzenden Paaren, wie bei der Flötenuhr (Waldkirch, circa 1840). Hier ruft der Kuckuck nicht nur einmal. In einer Reportage hieß es einmal über ihn: „Der Sammler, der nicht weiß, wie viel er hat.“ Mit einem wissenden Lächeln sagt Hubert Wursthorn: „Eine Uhr will nicht alleine bleiben. Hat man eine, will man zwei, hat man zwei, will man vier.“

Antik-Uhrenbörse Eisenbach

Antik-Uhrenbörse Eisenbach © Hubert Wursthorn

Uhrenbörse - Sammler und Uhren aus aller Welt

Weil es auch anderen so geht, veranstaltet er die Eisenbacher Uhrenbörse. Diese bringt Sammler:innen, Liebhaber:innen und Händler:innen aus aller Welt nach Eisenbach. So kommt so manches Prunkstück über den Umweg Ausland wieder dorthin, wo alles begann. Zu kaufen, tauschen und zu sehen sind Wanduhren, Tischuhren, Standuhren, Schilderuhren, Taschenuhren – und natürlich Kuckucksuhren. Wie nebenan in Furtwangen, das auch eine Uhrenbörse hat, zählt dieses Ereignis zu den Events des Jahres. Das Pendel der Leidenschaft schwingt immer noch.