Die Mühle diente als Energiequelle

Es klappert die Mühle

Auf dem Unterwirtshof wird Holz noch traditionell verarbeitet
20.01.2020

von Daniela Frahm

Die Holzwirtschaft hat im Hochschwarzwald eine lange Tradition. Sägemühlen, die es vor rund 300 Jahren auf vielen Bauernhöfen gab sind inzwischen fast nur noch in Freilichtmuseen im Einsatz. Auf dem Unterwirtshof im Langenordnachtal bei Titisee-Neustadt jedoch ist die Säge noch in Betrieb. Sie ist für Inhaber Stefan Straub nicht nur ein Hobby, sondern Beruf und Berufung.

Es ist zwar schon viele Jahre her, erzählt wird die Geschichte aber heute noch: Eines Morgens stand Ernst Straub knöcheltief im Wasser, als er das Frühstück für seine Gäste im Gasthof Zum Löwen, dem "Unteren Wirtshaus", richten wollte. Damals führte der Kanal von der nahen Ordnach zur Sägemühle des Unterwirtshofs noch mitten durch das Gebäude. Und da der Hof unten im Tal liegt, wo die Wasserkraft am größten ist, kam es auch mal vor, dass der Bach die Räume flutete. Seit etwa 30 Jahren ist das Vergangenheit, der Kanal führt nun am Haus vorbei zum etwa seit 1800 bestehenden Wasserrad, das weiterhin in Betrieb ist – genau wie die Gattersäge.

Anfangs hatte der heutige Löwen-Wirt Clemens Straub Bedenken, ob sich die Sägemühle seines Bruders mit dem benachbarten Übernachtungsbetrieb verträgt. Schließlich kommen Urlauber vor allem ins Langenordnachtal, weil sie Natur und Ruhe schätzen. Seine Vorbehalte wurden jedoch schnell zerstreut. "Die Gäste verbinden die Geräusche mit dem Schwarzwald", hat er festgestellt. Und im Sommer sind Führungen durch den Familienbetrieb sehr gefragt. "Die Besucher können sehen, wie Bauholz verarbeitet wird", sagt Straub, "außerdem trägt das Handwerk zur nachhaltigen Energiegewinnung bei, wenn man beispielsweise mit Sägemehl heizt – und wir können einen Bogen spannen zwischen der Geschichte und heute."

Stefan Straub an seiner Säge
Stefan Straub an seiner Säge © Daniela Frahm

Familie Straub lebt seit 20 Generationen im Langenordnachtal

Schließlich hat der Unterwirtshof, der zur Unterscheidung vom zweiten Gasthaus im Langenordnachtal, dem "Oberen Wirtshaus", so genannt wurde, eine lange Tradition. 1690 kaufte Franz Straub das Anwesen, das ab etwa 1727 von Johann Straub, dem Klosterwirt in Friedenweiler, als Gaststätte geführt wurde. Bis 1822 lebten Nachfahren von Franz Straub auf dem Hof, danach hatte dieser 38 Jahre lang andere Eigentümer. Seit 1860, als der Ururgroßvater von Stefan und Clemens Straub ihn übernahm, ist der Unterwirtshof durchgängig im Besitz der Familie, die seit 20 Generationen im Langenordnachtal lebt.

Einen Einschnitt gab es jedoch, nachdem Ernst Straub und seine Frau Erna, die Eltern von Stefan und Clemens, den Hof 1960 übernommen hatten: Im Jahr 1972 gaben sie die Landwirtschaft auf, verpachteten das Grünland und richteten in den ehemaligen Zimmern der Knechte und Mägde Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste ein. Außerdem erweiterten und modernisierten sie die hofeigene Säge, die über ein Wasserrad betrieben wurde. Neben dem Unterwirtshof gab es noch mindestens sieben Hofsägen im Langenordnachtal – auf dem Schafmeierhof, Wilmershof, Färberhof, Binsenhof, Fallerhof, Schwarzhansenhof und Zähringerhof –, die jedoch spätestens seit den 1960er Jahren nicht mehr in Betrieb sind. Beim Wilmershof steht nur noch das Gebäude, die Säge ist inzwischen ein Museumsstück in einem Freilichtmuseum. Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts, als das Eisenbahnnetz im Hochschwarzwald ausgebaut wurde und sich danach die Transportmöglichkeiten durch asphaltierte Straßen weiter verbesserten, konnten die Bauernsägen im Konkurrenzkampf mit den Großbetrieben nicht mehr mithalten.

Die Säge liegt mitten im Langenordnachtal
Die Säge liegt mitten im Langenordnachtal © Daniela Frahm

Hofsägen waren vor allem ein Nebenerwerb für die Bauern

"Unsere Säge ist schon lange die einzige, die noch läuft", sagt Stefan Straub, der den Betrieb 1993 von seinem Vater übernommen hat. Dafür wurde das Hofgut aufgeteilt, die Land- und Forstwirtschaft von der Gaststätte mit Übernachtungsbetrieb getrennt. Seine Eltern hatten beides noch gemeinsam bewirtschaftet, so wie es früher üblich war. "Ich war schon als Kind mit meinem Vater an der Säge, bin auf dem Traktor mitgefahren und war im Wald dabei", erzählt der gelernte Landmaschinentechniker Stefan Straub, "ich bin da reingewachsen." Es gebe zwar deutlich lukrativere Jobs, sagt er. Aber er hat sich ganz bewusst für das traditionelle Handwerk entschieden – auch, weil er sich zusammen mit seiner Frau um die acht Kinder kümmern will und sein Arbeitsplatz direkt neben dem Wohnhaus liegt. "Ich bin da, wenn die Kinder aus der Schule kommen".

Wirtshaus und Säge - das passt gut zusammen finden die Gäste des Hotels zum Löwen
Wirtshaus und Säge - das passt gut zusammen finden die Gäste des Hotels zum Löwen © Hochschwarzwald Tourismus GmbH_Hannes Kutza

Früher wurden die Hofsägen von den Bauern meist als Nebenerwerb betrieben und vorwiegend für den eigenen Bedarf genutzt. Aber auch fremdes Holz von umliegenden Höfen wurde verarbeitet. Im Sommer standen sie oft still, weil von morgens bis abends auf dem Feld gearbeitet wurde und zudem die Bäche wenig Wasser führten. Vor 1700 war eine eigene Säge sehr kostspielig, so dass nur kapitalstarke Grundherren eine besaßen, die sie zumeist verpachteten. Erst als sich später die Klopfsäge verbreitete, die einfachste Sägentechnologie, gab es immer mehr private Hofsägen. Über Wasserrad, Wellbaum, Krummrad und Kurbelwelle wurde ein Gatter angehoben, an dem das Sägeblatt befestigt war. Beim Zurückfallen durch die Schwerkraft wurde das Holz zerschnitten. Dabei entstand ein schallendes Klopfen, das der Säge ihren Namen einbrachte. Das so geschnittene Holz war jedoch ungleich und eher zerrissen als geschnitten, so dass es vor allem für den Hausgebrauch genutzt wurde.

Gattersäge schafft zwei bis drei Meter in der Minute

"Zu dieser Zeit gab es sozusagen schon den Drei-Schicht-Betrieb", weiß Straub, denn die Sägen liefen auch nachts und mussten beaufsichtigt werden. Ein Knecht auf einem benachbarten Hof, so erzählt man sich, soll sich einst immer einen Strick ans Bein gebunden haben, der am zu sägenden Holzstamm befestigt war. Wenn dieser schließlich durchsägt war – das Sägeblatt schaffte mit jedem Schnitt nur etwa zwei Millimeter –, wurde der Knecht durch das Seil von seinem Nachtlager gezogen und so geweckt. Straubs Gattersäge, die sein Vater Anfang der 1970er-Jahre gekauft hat, schafft bereits zwei bis drei Meter in der Minute, Maschinen in Großbetrieben kommen in der gleichen Zeit auf 60 bis 100 Meter. "Aber dort wird eher Schwachholz verarbeitet, bei uns hingegen Starkholz", erklärt Straub. "Daraus kann man etwas Schönes und Individuelles machen, keine Durchschnittsware."

In seinem Kleinbetrieb mit einem Mitarbeiter sägt er vor allem Bauholz, das er an Zimmereien liefert. Es wird in langen Stücken gesägt und ist nicht verleimt, wie die kürzeren Hölzer aus den Großbetrieben, die einfacher zu produzieren sind. Etwa fünf Prozent des von Straub verarbeiteten Holzes kommen aus seinem Privatwald, den Rest der rund 2000 Festmeter pro Jahr kauft er in der Region. Und wenn er ein bisschen Zeit hat, entwirft und baut er auch Gartenmöbel, zum Beispiel eine Bank aus Tannen- und Douglasienholz.

"Den Wald kann man nicht reparieren"

"Wir haben hier auf jeden Fall einen grünen Fußbadruck, weil wir mehr CO2 festsetzen, als wir emittieren können", sagt Straub. Er ist der Ansicht, dass der nachwachsende Rohstoff weltweit noch mehr und besser genutzt werden könnte, auch im Sinne der kommenden Generationen. Er selbst setzt eine lange Tradition fort, denn die Bäume, die er fällt, hat sein Urgroßvater einst gepflanzt. Rund 100 Jahre brauchen sie, bis sie als Baumaterial genutzt werden können.

Tradition, Nachhaltigkeit und Gemeinschaft spielen auch für seinen Bruder Clemens eine wichtige Rolle, der nach einer Ausbildung und verschiedenen Stationen im Hotelbereich 2002 die Gaststätte und das Gästehaus von den Eltern übernommen hat. "Den Wald kann man nicht reparieren", sagt er, "wir versuchen das an unsere Nachkommen weiterzugeben – was sie daraus machen, ist ihnen überlassen." Um an die Verantwortung zu erinnern, hängen in der Gaststube unter anderem ein Stammbaum, ein Bild von Urgroßvater Anton Straub und eine Schwarzwälder Uhr, die schon über mehrere Generationen hinweg vererbt wurde.

Als die Eltern noch den gesamten Unterwirtshof führten, gab es nur eine Küche, die sowohl für den Gastbetrieb als auch privat genutzt wurde. Stefan und Clemens Straub saßen damals nicht nur zwischen Mutter und Vater am Essenstisch, sondern zusammen mit den Waldarbeitern und Angestellten aus der Umgebung. Und es konnte auch mal vorkommen, dass eines der Kinder ein Schnitzel fertig briet, weil die Mutter gerade etwas anderes zu tun hatte. Ein Koch wurde erst später angestellt.

Inzwischen sind zwar der Säge- und der Gastbetrieb von den Privatwohnungen der Straubs getrennt – manche Bräuche werden aber nach wie vor aufrechterhalten. "Für uns als Familie ist es wichtig, traditionelle Werte zu verkörpern, auch im täglichen und persönlichen Umgang", sagt Stefan Straub. So kommen beispielsweise die älteren Nachbarn aus dem Langenordnachtal jeden Sonntagmorgen nach der Kirche zum Stammtisch im Löwen zusammen. Wie es eben seit langer Zeit gute Sitte ist.

Mühlen entdecken

Vielerorts im Hochschwarzwald gibt es noch gut erhaltene oder restaurierte historische Mühlen und Sägen. Einige besonders sehenswerte Exemplare befinden sich entlang des Heimatpfads Hochschwarzwald. Dieser führt von Hinterzarten durch das Löffeltal und zurück durch die Ravennaschlucht.

Deutscher Mühlentag: Jedes Jahr am Pfingstmontag (1. Juni 2020) öffnen zahlreiche Mühlen im Hochschwarzwald ihre Türen für Besucher. Neben Vorführungen gibt es Mühlenfeste mit Bewirtung und Musik.