Schmuckstücke der Schwarzwälder Baukultur

Der Verein Bauwerk Schwarzwald setzt sich für die regionale Baukultur ein
24.03.2022

von Freya Pietsch

Seit Jahrhunderten prägen Schwarzwaldhöfe das Bild der Region. Doch von den hübschen Wahrzeichen gibt es immer weniger. Wie kann man sie retten und für die Zukunft rüsten? Und wie sollten Neubauten aussehen, damit sie zur Landschaft und zur Tradition passen? Diesen Fragen geht der Verein Bauwerk Schwarzwald nach. Der Langenbachhof in Schonach und das Ferienhaus „Am früheren Seilerhansenhof“ bei Furtwangen sind Beispiele dafür, wie der Spagat zwischen früher und heute gelingen kann.

Tok. Tok. Tok. Der Türklopfer trifft auf massives Holz. Susanne Mathias, die Hauswirtschafterin und gute Seele des Langenbachhofs öffnet die Tür. „Willkommen, treten Sie ein!“ Über den Flur und eine hohe Schwelle gelangen wir in die gute Stube. Links steht ein grüner Kachelofen, in der Ecke ruft der Herrgottswinkel zur Besinnung. Alles ist aus Holz: die niedrige Decke, die Kastenfenster, der Boden, die Wände und auch der Tisch, an dem mit Kaffee, Tee und Brötchen eingedeckt ist.
Der Langenbachhof liegt idyllisch eingebettet in einem Tal bei Schonach. Man holpert durch ein Waldstück, biegt um die Kurve und ist mittendrin in einer anderen Welt: Ein Bach plätschert, Vögel zwitschern, Kühe muhen und der würzige Duft von Holz und Tannen steigt in die Nase. Das Anwesen ist ein Eindachhof wie er für den Schwarzwald typisch ist: Als er 1813 erbaut wurde, fanden unter seinem ausladenden Holzschindeldach nicht nur die Kammern und Stuben der Bauernfamilie, sondern auch das Vieh und die Scheune ihren Platz.

Stube im Langenbachhof

Die Stube im Langenbachhof wurde mit viel Liebe zum Detail restauriert. © Reinhard Sorg

"Ich liebe alte Höfe seit meiner Kindheit“
(Jörg Wisser)

Vergangenes Jahr hat der 57-Jährige gemeinsam mit seiner Frau den Hof einem Freund abgekauft. Jörg und Susanne Wisser sind in Schonach aufgewachsen, beruflich viel in der Welt herumgekommen, bis es sie zurück in den Schwarzwald zog. „Mein  Urgroßvater war Uhrmacher, mein Großvater Schreiner. Mein Vater hatte eine Schwäche für Schwarzwaldhäuser. Die Liebe zum Holz liegt bei mir in den Genen“, sagt Wisser. Der Erhalt der Höfe sei wichtig, denn: „Sie spiegeln das Leben der Menschen und die Handwerkstradition wider. Sie sind ein Teil unserer Geschichte.“

Freund und Vorbesitzer Reinhard Sorg (59) kann dem nur zustimmen. Der Hörakustik-Meister kommt aus der Gegend von Stuttgart und lernte die Eindachhöfe kennen, als er sich in Freiburg beruflich niederließ. „Ich war beeindruckt von der Bauweise, die so perfekt in die Landschaft passt.“ Für ihn stand fest: So einen Hof möchte ich haben. Mehrere Jahre habe er gesucht, viele „hunderte, wenn nicht tausend“ Kilometer sei er gefahren, bis er vor circa 15 Jahren den Langenbachhof entdeckte.

Verein Bauwerk Schwarzwald

Stolze Hofbesitzer sind Jorg und Susanne Wisser v.l., Susanne Matthias kümmert sich um die Gäste und Reinhard Sorg hat als Vorbesitzer die Restaurierung des Langenbachhof ins Rollen gebracht.   © Freya Pietsch

Bei der Restauration scheute er keine Kosten und Mühen: In zweieinhalb Jahren wurde der baufällige Hof komplett ab- und wieder neu aufgebaut. Unterstützt wurde Sorg von regionalen Handwerkern, insbesondere von Axel Kuttruff, einem Zimmermeister aus Lenzkirch und „absoluten Experten in Sachen alter Schwarzwaldhöfe“. Sorg achtete penibel darauf, dass das Gebäude auf neuem Fundament wieder originalgetreu errichtet wurde, in der traditionellen Holzständerbauweise, mit der Raumeinteilung von damals, dem Schindeldach und mit Original Schwarzwälder Holz, das er unter anderem von Titisee hertransportieren ließ. Der glückliche Zufall wollte es, dass dort gerade ein anderer Hof abgebrochen wurde.

Bei aller Liebe für historische Authentizität: Nicht alles ist alt auf dem Langenbachhof. Da er heute als Ferien- oder Seminarhaus genutzt wird, ist auch moderner Komfort wichtig. Jedes der acht Zimmer verfügt über ein Bad mit Fußbodenheizung, es gibt eine neue Küche, eine eigene Wasserversorgung und eine Solarthermie-Anlage auf dem Schuppen. Geheizt wird mit Holz. Reinhard Sorg, der über Jahre die passende Schwarzwälder Innenausstattung wie Öfen, antike Möbel und die urigen Betten zusammengetragen hat, war dabei wichtig, Vergangenheit und Moderne nicht zu vermischen. Beide Bereiche sollten abgegrenzt voneinander existieren: „So bekommt man, wenn man die Stubentüre schließt, ein Gefühl davon, wie man vor 200 Jahren lebte.“

"Die Region lebt von diesen Höfen, sie sind ein Alleinstellungsmerkmal und mit ein Grund, warum Menschen in den Schwarzwald reisen.“
(Diana Wiedemann)

„Der Langenbachhof ist sehr liebevoll und detailbewusst restauriert“, findet Diana Wiedemann, Vorsitzende des Vereins Bauwerk Schwarzwald (siehe Kasten). Ein Ziel des Vereins ist es, Hofbesitzer darin zu unterstützen, ihre Häuser zu erhalten. Denn, so die promovierte Architektin: „Die Region lebt von diesen Höfen, sie sind ein Alleinstellungsmerkmal und mit ein Grund, warum Menschen in den Schwarzwald reisen.“ Die Problematik sei, dass die Gebäude oft zu groß seien und eine Sanierung für eine Familie allein finanziell schwierig. Auch würden viele Bewohner keine Landwirtschaft mehr betreiben und die Raumaufteilung für ein Leben und Arbeiten unter einem Dach sei nicht zeitgemäß. „Die Höfe müssen in die Zukunft hinein weiterentwickelt werden“, meint Wiedemann. „Beim Langenbachhof ist das vorbildhaft gelungen.“ 

Neben alten Schwarzwaldhöfen hat der Verein auch Neubauten im Blick. Wiedemann: „Viele Neubaugebiete im Schwarzwald sind austauschbar, könnten genauso gut in Hamburg oder München stehen. Das ist schade.“ Es sei wichtig, ein Bewusstsein für die regionale Baukultur zu schaffen. „Oft ist die Achtung vor dem Alten, der Landschaft und den hier vorhandenen Materialien verlorengegangen. Diesen Respekt möchten wir in den Baubereich zurückbringen.“

Ferienhaus Am früheren Seilerhansenhof

Bei den Ferienhäusern am früheren Seilerhansenhof sind die Bezüge zum Schwarzwälder Baustil eher subtil zu erkennen. © Barbara Kuberczyk Kommunikationsdesign

Betritt man das grüne Tal im Vorderschützenbach bei Furtwangen, in das sich das Ferienhaus „Am früheren Seilerhansenhof“ fast wie ein Teil der Natur einfügt, dann ist etwas von diesem Respekt zu spüren, von dem Diana Wiedemann spricht. Und das, obwohl das 2016 errichtete Gebäude optisch nichts mit einem rustikalen Schwarzwaldhof zu tun hat: Schlichte Formen, große Fensterfronten und hohe, lichtdurchflutete Räume prägen den Holzbau von Barbara und Christian Kuberczyk. Das kreative Ehepaar – er ist Architekt, sie Kommunikationsdesignerin – kommt aus dem Schwarzwald und lebt heute in Konstanz. Bei der Planung des Hauses haben sie die Lage bewusst miteinbezogen: „Mein Mann hat sich an der hügeligen Landschaft orientiert“, erzählt Barbara Kuberczyk (45). „Mit den bodentiefen Fenstern wollten wir die Jahreszeiten und die Natur ins Haus hineinholen.“ Auch die Abfolge von Satteldächern spiegelt die Topografie wieder.

Neben der Ausrichtung an der Landschaft und dem Einsatz von viel Holz lassen sich weitere subtile Bezüge zur Schwarzwälder Tradition finden: Das Ferienhaus besteht aus einem Dreier-Ensemble, dem optisch zweigeteilten Haupthaus und einem Gartenhaus. „Damit erinnern wir an den ehemaligen Seilerhansenhof, der um 1440 auf dem Grundstück erbaut wurde und 1912 niederbrannte. Er bestand aus mehreren Gebäuden, fast wie ein kleiner Weiler“, erklärt Architekt Christian Kuberczyk (46). „Auch den Namen führen wir weiter und knüpfen damit an die Geschichte an“, ergänzt seine Frau Barbara. 

Innenbereich Ferienhaus Am früheren Seilerhansenhof

Schlicht und doch gemütlich ist die Inneneinrichtung es Ferienhauses. © Barbara Kuberczyk Kommunikationsdesign

„Das Haus ist ein gutes Beispiel dafür, wie man die Formensprache von damals ins Moderne transformieren kann“, sagt Diana Wiedemann. „Auch wenn über diesen Neubau sicher kontrovers diskutiert wird.“ Diskussionen, denen Christian Kuberczyk gelassen gegenübersteht: „Mit Kritik können wir leben, sie ist sogar wichtig“, meint er, „Auf diese Weise kommt man miteinander ins Gespräch.“ 

Mehr Informationen

  • Bauwerk Schwarzwald
    Der 2020 gegründete Verein Bauwerk Schwarzwald mit Sitz in Titisee-Neustadt sieht sich als Kompetenzzentrum für Schwarzwälder Architektur, Handwerk und Design. Ziel ist es, die traditionelle Bau- und Handwerkskultur zu wahren, auf ihre Bedeutung aufmerksam zu machen und sie nach modernen Ansprüchen weiterzuentwickeln. Der Verein möchte Anlaufstelle und Plattform sein für Architekten, Designer, Handwerker, Gemeinden, Bauherren, Denkmalschutz und alle weiteren Akteuren. Sie sollen sich besser austauschen und vernetzen können, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam Lösungen finden. Zum Angebot gehört eine Gestaltungsberatung für Bauherren, die vor der Vereinsgründung beim Naturpark Südschwarzwald angesiedelt war.
  • Langenbachhof

    Langenbach 1
    78136 Schonach i. Schwarzwald
    Tel. +49 (0)1525/7874020 
  • Am früheren Seilerhansenhof

    Vorderschützenbach 25
    78120 Furtwangen
    Tel. +49 (0)7531/8918128

    Übrigens: 
    Der Seilerhansenhof liegt auch auf der
    Schwarzwald Architekturroute