Walpurgisnacht in Löffingen
Walpurgisnacht im Schwarzwald und nicht auf dem Brocken im Harz? Und das nicht in der Nacht vor dem 1. Mai, sondern am Fasnets-Mendig, wie der Fasnachtsmontag auf Alemannisch heißt?
Ja, sie gibt es, diese ganz besondere, diese einzigartige Walpurgisnacht. Schauplatz dieses „höllischen“ Spektakels ist Löffingen. Der historische Marktplatz dieses schmucken Städtchens, gelegen auf der Westbaar ganz im Osten des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwalds, über die B 31 und mit der Höllentalbahn gut zu erreichen, wird seit vielen Jahrzehnten am Abend jeden Fasnets-Mendigs zur Bühne – zur Freude der vielen Mitmacher und der zahlreichen Zuschauer. Doch noch kann die Löffinger Walpurgisnacht als ein Geheimtipp für die Freunde eines ganz authentischen närrischen Erlebnisses gelten. Denn während beispielsweise zu den Fackelumzügen der Elzacher Schuttig, zu den Endinger Jokili oder zum Villinger Narrensprung zigtausende Besucher strömen und die Fasnet zum Massenevent geworden ist, herrscht in Löffingen familiäres Flair. Die Zuschauer sind hautnah dabei und können sich gar nicht sattsehen am nächtlichen Hexentanz vor historischen Fassaden.
Jeden Pfennig wert
Vor der Aufführung drängeln sich Löffinger aller Altersstufen in den fasnächtlich dekorierten Gasthäusern der Altstadt. Auch auswärtige Besucher fühlen sich nach kurzer Zeit nicht als Fremdkörper, sondern eingebunden in die Löffinger Gemeinschaft. Nun ist es an der Zeit für die wenigen Schritte zum Marktplatz. Die Spannung steigt, die nur von wenigen Lichtern erleuchtete Altstadt wirkt geheimnisvoll. Neben uns schreitet ein Laternenbruder. Er trägt eine von einer Kerze beleuchtete Holzlaterne, auf deren Boden ein Pfennig liegt. Dieses Geldstück hat eine besondere Geschichte und geht aufs Jahr 1886 zurück. Denn vor nun bereits 128 Jahren fand in Löffingen die Premiere eines Fasnachtsspiels statt. Als die Veranstalter hinterher abrechneten, konnten sie genau einen Pfennig Überschuss verbuchen! Immerhin also ein minimales Guthaben statt eines Defizits. Und so beschlossen die Vorfahren der heutigen Laternenbrüder, diesen Pfennig als symbolisches Grundkapital ihres Narrenrats auf jeder Fasnacht in Erinnerung zu rufen.
Die Vorhölle direkt auf dem Marktplatz
Der Löffinger Narrenrat existiert bis heute. Er besteht aus (höchstens) elf Männern. Diese erlauchte Gesellschaft zeichnet für die örtliche Fasnacht und auch für die Walpurgisnacht verantwortlich. Auf dem Rathausplatz haben sich inzwischen viele Zuschauer versammelt. Den besten Überblick haben sie von der Bistro-Terrasse, doch die meisten stehen möglichst nahe vor der Bühne.
Nun beginnt das Spiel. Die Löffinger Hansele lassen ihre Schellen am Häs klingeln, die Stadtmusik spielt den Löffinger Narrenmarsch. Plötzlich Rauchschwaden auf der Bühne. Bengalos, Feuerwerk und Kracher verwandeln den Platz in eine Art Vorhölle. Aus den Nebelschwaden taucht urplötzlich eine Gruppe Hexen auf. Die Maskenträger hüpfen und kriechen auf der Bühne herum, schwingen ihre Reisigbesen, kehren sich einem ausgebleichten Tierkopf zu. Nun der große Auftritt des roten Teufels. Mit seiner Autorität schlägt er im Handumdrehen die Hexen in den Bann. Sie ducken sich weg, wollen sich dem Teufel entziehen, doch er hat sie im Griff. Faszinierend die Choreographie, spannungsgeladen die Musikbegleitung, gespenstisch-schaurig die Atmosphäre – die Zuschauer sind gefesselt.
Einzigartiges Schauspiel seit über 80 Jahren
Dass Löffingen mit seiner magisch-mythischen Walpurgisnacht in Baden-Württemberg und darüber hinaus ein Alleinstellungsmerkmal besitzt, ist Prof. Dr. Hermann Regner zu verdanken. 1934 hat er sein Schauspiel in Verse gefasst und die Melodien komponiert. Seit über 80 Jahren wird die Walpurgisnacht also von den Löffinger Hexen aufgeführt und von der Stadtmusik gespielt. Der Inhalt der teils drastischen Verse: Der Teufel lässt sich von der Hexengroßmutter überzeugen, dass die Hexen bis zum frühen Morgen des Aschermittwochs Fasnacht feiern dürfen. Sollte eine aber überziehen, dann „kommt sie zur Strafe noch / acht Tag‘ ins Höllenloch“.
Daraufhin der Geist:
“Der Satanas muss weichen
vor unsern Fasnachtsstreichen.
Habt ihr nur Tradition,
dann kann kein Höllensohn,
kein Mucker und Philister
und sonst‘ge Unheilstifter
die Fasnacht jäh ersticken
mit seinen Teufelsstücken!
Singet, spielt und lacht
bis dass die Bude kracht!“
Und dann legen sie erst richtig los, die Hexen. Ihr Tanz wird immer wilder, der Teufel kapituliert, die Fasnacht hat die Oberhand behalten. Von benachbarten Terrassen schießen Feuerwerke in den Nachthimmel, das Publikum klatscht begeistert, die Hexen verziehen sich in die Gassen, noch ein Marsch der Stadtmusik, dann ist das Spektakel zu Ende. Für diejenigen, die es noch nie gesehen haben, ist es ein eindrucksvolles Erlebnis und Ausdruck der so vielfältigen alemannischen Fasnacht. Und für die Löffinger ist ihre Walpurgisnacht ein Höhepunkt ihres Jahreslaufs. Dass sie keine Ermüdungserscheinungen zeigt, ist dem Verein der Laternenbrüder zu verdanken. Zu ihr gehören die Hansele, die Hexen und die Narrenpolizei. 2014, als wir die Walpurgisnacht erlebten, verkörperten Lothar Trenkle den Teufel, Jörg Ganter die Hexengroßmutter und Thomas Hofmeier den Geist. Spürbar, wie sehr sie ihr Figuren lebten. Und um sie herum der wilde Tanz der Hexen, die sich am Ende zu einer großen Pyramide aufbauten – ein eindrucksvolles Schlussbild einer ganz besonderen Fasnachtsveranstaltung.
Langsam zerstreuen sich die Zuschauer. Manche folgen der Stadtmusik in ihr Fasnachtslokal, andere feiern in einem der naheliegenden Gasthäuser weiter. Wir machen uns auf den Heimweg durchs – natürlich – Höllental Richtung Freiburg. Noch lange stehen wir unter dem Eindruck der Löffinger Walpurgisnacht. Wir werden wiederkommen. Dann aber kümmern wir uns vorher um ein Nachtquartier in einem der Löffinger Gasthäuser oder einem Privatquartier. Denn der Geist der Löffinger Fasnacht hat uns infiziert.