Wenn die Mühlen klappern und klopfen
Seit dem Mittelalter nutzen die Schaffer und Tüftler im Schwarzwald das Wasser als Energiequelle, um Sägen für Bauholz und Getreidemühlen anzutreiben. Einst standen an jedem Bach mehrere Mühlen, heute sind viele von ihnen verfallen. Zum Glück gibt es Hochschwarzwälder, die ihre alten Mühlen in Schuss halten – ein Ausflug an den rauschenden Bach.
Auf den Spuren der Schwarzwälder Hofmühlen
Vögel zwitschern, ein Bächlein plätschert und das Mühlrad rattert im Takt: Was früher lebensnotwendiges Handwerk, ist heute pittoreskes Kulturgut: Das Bild einer schmucken Mühle gehört zum Schwarzwald wie die tiefen Wälder und die Kuckucksuhr. Wer dieses vielbesungene Stück Zeitgeschichte entdecken mag, schnürt am besten die Wanderschuhe. Denn die meisten Hofmühlen entstanden im 18. und 19. Jahrhundert, weil die Höfe so abgeschieden lagen und der Weg zu den Kundenmühlen lang und beschwerlich war, besonders im Winter. „Der Bauer wollte seine Familie autark versorgen. So wie er Vieh und Garten hatte, so gehörte auch eigenes Getreide für die Fütterung der Tiere, aber vor allem für die Menschen als Brotmehl dazu – das war existenziell“ erklärt Josef Saier vom Förderverein, der sich für den Erhalt der Rankmühle in St. Märgen einsetzt.
Ein lebendiges Zeugnis vergangener Zeiten
Die 1736 erbaute Hofmühle gehört zum Rankhof und ist von der Ortsmitte aus in knapp 15 Gehminuten erreicht. Maler wie Karl Hauptmann entdeckten sie Anfang des 20. Jahrhunderts als idyllisches Schwarzwaldmotiv und hielten die Rankmühle in ihren Gemälden fest. Mit tiefgezogenem Schindeldach und üppigem Blumenschmuck unter den Sprossenfenstern liegt sie noch heute am Waldrand in schönster Wiesenlandschaft. Dabei sieht sie von der Ostseite her eher nach historischem Schwarzwaldhof denn nach Mühle aus. „Das Besondere ist, dass sie einen kleinen Wohnteil hat für eine Taglöhnerfamilie“, sagt Saier. Da der Rankhof 700 Meter entfernt lag, war es wichtig, dass jemand in ihr wohnte.
Als sie zu verfallen drohte, brachte der 2018 gegründete Förderverein das Schmuckstück mit viel Herzblut und Eigenleistung wieder nahezu in den Originalzustand. Und so führt auch heute wieder die Zulaufrinne, der „Kähner“, das Wasser aus dem Mühlweiher aufs Rad, das sich durch das Aufschlagwasser in Bewegung und so den Mühlstein in Rotation versetzt.
Noch in den 1960er-Jahren, erzählt Saier, gab es in St. Märgen 84 Höfe, 60 davon mit eigener Mühle. „Von denen, die noch stehen, sind nur drei funktionstüchtig.“ Deshalb klingt es für Saier und alle St. Märgener wie Musik in ihren Ohren, wenn mittlerweile bei Mühlenfesten und anderen Veranstaltungen das Klappern der Rankmühle wieder ertönt. „Das ist unser Hausberg. Da engagiert man sich gern für ein Stück Heimat“, sagt er schlicht.
Tradition und Technik vereint in der Ravennaschlucht
Ein paar Kilometer weiter südlich ist es nicht das Wasser aus einem Mühlweiher, sondern der tief in der Schlucht sprudelnde Ravennabach, welcher die Großjockenhofmühle antreibt. Der gleichnamige Hof stammt aus dem Jahr 1810 und liegt im Weiler Oberhöllsteig, der zu Breitnau gehört. Er ist eines von einer Handvoll Gehöfte, die sich auf den weiten, welligen Wiesen oberhalb der Ravennaschlucht verteilen. Hier herrschte im Jahr 1882 rege Bautätigkeit. Damals begannen die Arbeiten an der Höllentalbahn, und ein Jahr später baute Josef Böhringer die Mühle in der 400 Meter entfernten Ravennaschlucht. Wegen des starken Gefälles wurde die Wasserzulaufrinne durch das Dach auf das Mühlrad geleitet und so das Mahlwerk in Gang gesetzt. Und in der Mühle war noch mehr clevere Technik verbaut: Nicht nur wichtiges Brotmehl sowie Schrot und Futterkleie fürs Vieh wurden gemahlen. Das Mehrzweckkraftwerk konnte mithilfe eines eingebauten Seiltriebs sogar landwirtschaftliche Geräte auf dem Großjockenhof antreiben.
Ein Erbe, das mit Herzblut bewahrt wird
Obwohl schon lange kein Mehl mehr für den Hof gemahlen wird und der Seiltrieb bereits 1941 stillgelegt wurde, kümmert sich der heutige Hofbesitzer Oskar Böhringer weiter um den Erhalt der Mühle: „Aus Interesse am Kulturgut – um das zu erhalten, machen wir weiter“, sagt er. Doch es ist ein arbeitsintensives Unterfangen. Seit den 1970er-Jahren wurde das Kleinod von den Eigentümern, freiwilligen Helfern, dem Schwarzwaldverein und dank Fördermitteln schrittweise renoviert. Heute hat das Mahlwerk ein neues Fundament, das Schindeldach ist neu gedeckt und den Zinkstahlkähner hat Böhringer selbst instandgesetzt.
Den Mühlenbetrieb gelernt hat Oskar Böhringer von seinem Vater Albert, durchs Mitgehen, Zuschauen, Helfen. Noch heute führt er am Deutschen Mühlentag vor, wie Getreide zu Mehl wird und wie gut das duftet. Dieses feine Aroma können Wanderer dann weithin rund um die Mühle riechen.
Auf den Spuren historischer Handwerkskunst
Apropos Wandern: Wer die Großjockenhofmühle und weitere Kulturdenkmäler wie in einem großen Freilichtmuseum zu Fuß erkunden will, sollte dem Heimatpfad folgen. Auf gut sieben Kilometern führt der Rundweg von Hinterzarten aus in tiefe Schluchten und zu historischen Zeugnissen des bäuerlichen Lebens. Geleitet vom Mühlradsymbol gelangt man schon nach einem Kilometer zum ersten Denkmal. Ist die Kingenhofsäge in Betrieb, hört man bereits von Weitem ein rhythmisches Klopfen: „Sie ist die älteste Säge im Hochschwarzwald“, weiß Josef Haberstroh, Vorsitzender des Vereins Heimatpfad Hochschwarzwald, der die historischen Gebäude erhalten und altes Handwerk erlebbar machen will. Haberstroh, der bis zum Frühjahr 2024 Bürgermeister von Breitnau war, ist selbst auf einem Hof mit Säge und Mühle aufgewachsen. „Die Säge lief im Winter, wenn auf dem Feld nichts mehr zu tun war. Das war Alltag und mit extrem harter Arbeit verbunden“, erinnert er sich.
Wenn sich das Sägeblatt Schlag für Schlag durch das Holz frisst, bebt der ganze Dachstuhl. Das Durchsägen eines langen Stammes dauert schon mal eine Stunde. Doch warum klopft sie eigentlich? „Das Sägeblatt ist in ein schweres Holzgatter eingespannt, das durch die Wasserkraft nach oben gebracht wird. Durch das hohe Eigengewicht fällt es nach unten und sägt. Beim Herunterfallen gibt es einen lauten Schlag, das Klopfen“, erklärt Haberstroh. In Deutschland und der Schweiz existieren nur noch ganze vier einsatzfähige Klopfsägen. Die Kingenhofsäge ist eine davon.
So wird die Kraft des Wassers im Hochschwarzwald seit Jahrhunderten genutzt – früher in Mühlen und Sägen, heute vor allem zur Stromgewinnung und als Stromspeicher, etwa am Schluchsee. Haberstroh nennt ein weiteres Beispiel: „Die größte Wasserkraftanlage bei uns in der Gegend befindet sich im Höllental am Rotbach. Sie liefert einen großen Teil des regenerativen Stroms für Breitnau. Wasser ist unser Lebenselixier.“
Deutscher Mühlentag
Jedes Jahr am Pfingstmontag sind zahlreiche Mühlen und Sägen im Hochschwarzwald in Aktion zu erleben. Der Deutsche Mühlentag fällt in diesem Jahr auf den 20. Mai.
Die Rankmühle öffnet zudem das ganze Jahr hindurch zu verschiedenen Veranstaltungen ihre Türen, Führungen gibt es auf Anfrage. Infos und Termine unter rankmuehle.de
Auch in der Kingenhofsäge sind Besichtigungen und Führungen für Gruppen auf Anfrage möglich. Infos und Kontakt unter heimatpfad.de