Mit 26 Jahren fängt er noch einmal von vorne an, verwirklicht seinen Traum und studiert Modedesign.

Artwood Black Forest – Trachtenstreetwear made im Schwarzwald

Zur Inspiration reicht Jochen Scherzinger ein Blick aus dem Fenster
27.11.2013

von Birgit-Cathrin Duval

Zum Shoppen fliegt man nach New York, fährt in die Outlet City Metzingen oder ins Factory-Outlet nach Weil am Rhein. Das könnte sich schon sehr bald ändern. Denn ein abgelegenes Tal im Schwarzwald hat sich zum Geheimtipp in Sachen Mode entwickelt. Grund genug für einen Ortsbesuch in der Design-Schmiede Artwood Black Forest.

„In Gütenbach Ortsmitte beim Rathaus abbiegen, weiter bis zur alten Mühle, dann rechts“, lautet meine Wegbeschreibung ins Hübschental. Tatsächlich finde ich die alte Mühle, davor einen Strommasten mit einem Wegeschild „Hübschental 2,3,4,6“, Anlieger frei, steht angeschrieben, darunter ein schwarzes Schild mit dem Aufdruck „Artwood Black Forest“. Die Straße wird enger und schlängelt sich tiefer in das Tal hinein. Prompt hat sich mein Handyempfang verabschiedet. In der Ferne sehe ich einen Hof. Es ist das letzte Haus, danach hört die Teerstraße auf. Hier muss es sein, das Headquarter von Artwood Black Forest.

Der Werkzeugmechaniker studiert Modedesign

Ein Typ in Hosenträgern und Hut, mit tätowierten Armen, Ohr- und Nasenringen öffnet die Tür. Um seinen Hals baumeln alte Ketten und Uhren. Irgendwie wild durcheinander und doch stilvoll. Es ist Jochen Scherzinger, Modedesigner und Inhaber von Artwood Black Forest.

Die Straße wird enger und schlängelt sich tiefer in das Tal hinein. Prompt hat sich mein Handyempfang verabschiedet. In der Ferne sehe ich einen Hof.
Die Straße wird enger und schlängelt sich tiefer in das Tal hinein. Prompt hat sich mein Handyempfang verabschiedet. In der Ferne sehe ich einen Hof. © Birgit-Cathrin Duval

In seinem Büro tickt eine große Pendeluhr, auf dem Schreibtisch liegen alte Schwarzwaldbücher und Fotografien. Zur Inspiration reicht ein Blick aus dem Fenster. Direkt hinein in den Schwarzwald. Hier ist Jochen Scherzinger verwurzelt. Die Stadt ist nichts für ihn.

“Im Hübschental habe ich meine Ruhe, so arbeite ich am besten“
(Jochen Scherzinger)

Klamotten haben ihn schon von klein auf interessiert, aber was will einer, der im tiefsten Schwarzwald aufwächst, mit Mode machen? Jochen Scherzinger wurde Werkzeugmechaniker. Bis er nach drei Jahren den Beruf schmiss. „Das war mir einfach zu rational, ich wollte einen Beruf, in den ich mich kreativ einbringen kann.“ Mit 26 Jahren fängt er noch einmal von vorne an, verwirklicht seinen Traum und studiert Modedesign. Schwarzwald ist Heimat, betont Jochen. „Das ist ein Gefühl, das man nicht missen möchte.“ Aus diesem Gefühl heraus entsteht seine Mode. Eine Mischung aus Schwarzwaldtracht und Streetwear.

“Meine Schwarzwaldmode soll zeitlos sein, kein Mainstream“. 
(Jochen Scherzinger)

Seine Inspiration holt er sich von den Arbeitsklamotten wie sie damals von Uhrenmachern, Uhrenträgern, Holzfällern, Zimmerleuten, Glasmachern und Jägern getragen wurde. So entstand die Bauernbluse, eine Arbeitsbluse ohne Kragen mit körpernahem Schnitt. Oder die Kapuzenpullis mit Eingriffstaschen im Zimmermannshosen-Stil. Diese Hoodies stehen einem 17-Jährigen genauso gut wie einem 70-Jährigen, ist sich Scherzinger sicher.

Inspirationsquelle: Das alte Fotoalbum

Jochen Scherzinger hat sich mit seiner Mode ein großes Ziel gesteckt: Das Label Artwood Black Forest soll Kultcharakter entwickeln, „so wie der Schwarzwald auch“. Bodenständig mit Wurzeln, so wie sein Designer. Romantischer Kitsch ist ihm zuwider. Aufgeweckt und kantig sind seine Styles. Auf den T-Shirts finden sich Aufdrucke alter vergilbter Schwarzwaldfotografien. „Das hier ist Oma Leonie“, erklärt Scherzinger und zeigt auf ein junges Mädel in einer Schwarzwaldlandschaft. Der Onkel seines Vaters war einer der ersten Fotografen in Gütenbach. Das Archiv befindet sich in Familienbesitz und gehört mit zu den wichtigsten Inspirationsquellen des Designers. Auf dem Shirt mit dem Balzer Herrgott, einer Christusfigur, die ganz von einem Baum umwachsen ist, findet sich ein witziges Detail: Die GPS-Koordinaten mit dem Standort des Baumes.

Seine Klamotten vertreibt er über den eigenen Webshop und in einigen ausgewählten Läden.
Seine Klamotten vertreibt er über den eigenen Webshop und in einigen ausgewählten Läden. © Birgit-Cathrin Duval

Der Showroom von Artwood Black Forest entpuppt sich als buntes Sammelsurium. Hier ein 300 Jahre alter Bauernschrank, dort das Hirschgeweih an der Wand, alte Malereien, Rosenkränze, Puppenwagen und ein Gütenbacher Häs, eine hölzerne Fasnachtsmaske. Dazwischen liegen die Hoodies, Blusen und T-Shirts von Artwood Black Forest. Jedes Teil hat ein Label mit Waschanleitung in Deutsch, Englisch und Schwarzwälder Dialekt. „Ich bekomme erstaunlich viel Kundenbesuch“, erzählt Jochen. Viele kommen aus der näheren Umgebung, doch der Kundenkreis, der den Weg ins Hübschental findet, wächst.

Seine Klamotten vertreibt er über den eigenen Webshop und in einigen ausgewählten Läden. Im Winter kann es schon mal vorkommen, dass Kunden etwas länger auf die Ware warten müssen, denn nicht immer schafft es der Postbote wegen der Schneeverhältnisse bis ans Ende des Hübschentals.

Schwarzwald weltweit

Die Facebook-Seite von Artwood Black Forest zählt derzeit bereits über 28.000 Fans, die gerne Fotos aus allen Ecken der Welt posten, auf denen sie mit ihren Artwood Black Forest Klamotten zu sehen sind. Mit seinen schwarzwaldfrischen Designs ist Jochen Scherzinger auf dem besten Weg, seine Schwarzwälder Trachtenstreetwear in urbanen Straßenschluchten salonfähig zu machen. Man darf gespannt sein, was sich der Designer aus dem Hübschental während des langen, dunkeln Schwarzwaldwinters alles einfallen lässt.

Exklusiv für den Hochschwarzwald hat Jochen Scherzinger die Hochschwarzwald Edition mit zwei Designs entworfen.
Exklusiv für den Hochschwarzwald hat Jochen Scherzinger die Hochschwarzwald Edition mit zwei Designs entworfen. © Birgit-Cathrin Duval