Aufs Rind gekommen
Dass der blonde, kräftige Mann ein Schaffer ist, sieht man ihm sofort an. Felix Schätzle (27) trägt Outdoorjacke und eine gesunde Gesichtsfarbe. Seine Sprache verrät den Landwirt als einen von hier. Volker Hupfer (36) sieht man auch an, was er macht. Er ist Gastgeber und Küchenmeister im Naturpark-Hotel derWaldfrieden in Todtnau-Herrenschwand. Hupfer und Schätzle verbindet das Hinterwälder Rind. Was der eine züchtet, kommt beim anderen auf den Tisch. Ein Gespräch über Rindviecher, Landschaftspflege und den Verein der Naturpark-Wirte, der Gastronomen und lokale Erzeuger zusammenbringt.
Sie sind Rinderzüchter beziehungsweise Küchenchef und Hotelbesitzer. Erzählen Sie einmal: Wie hat das Ganze bei Ihnen angefangen?
Felix Schätzle: Ich weiß gar nicht, wie lange es unseren Hof schon gibt. Bekannt ist, dass er 1921 mal abgebrannt ist. Ich bin in die Landwirtschaft hineingewachsen, aufgewachsen, mitgelaufen. Ich habe das schon immer gemocht: mit den Tieren, mit der Natur, egal was – das ist seit jeher meine Welt gewesen, bis heute.
Volker Hupfer: Die Geschichte vom Gasthaus Waldfrieden hat 1954 begonnen. Bei der Namensgebung hat man sich vom Hochplateau, der Aussicht und der Ruhe inspirieren lassen. Meine Oma hat mit der Gastwirtschaft angefangen, später kam dann meine Mutter dazu. Wir sind jetzt die dritte Generation. Meine Mutter gehört zu den Gründungsmitgliedern der Naturpark-Wirte.
Die Naturpark-Wirte haben sich auf die Fahne geschrieben, regionale und saisonale Produkte zu verwenden.
Hupfer: Genau. Das Regionale ist bis heute unser Thema. Darum nehmen wir auch das Hinterwälder Rind am liebsten. Diese Rinderrasse ist hier im Hochschwarzwald heimisch.
Das Fleisch bekommt der Waldfrieden von Ihnen, Herr Schätzle?
Schätzle: Wir züchten Hinterwälder schon immer. Vor ein paar Jahren habe ich Volker angesprochen, ob er nicht unsere Rinder haben will und er hat ja gesagt. Wir kennen uns schon lange und unsere Tiere weiden rund um sein Hotel.
Hupfer: Wenn ich aus dem Fenster schaue, dann sehe ich die Tiere. Sie gehören zum Schwarzwaldbild einfach dazu. Wenn jemand bei uns Urlaub macht, dann möchte er auch den Hochschwarzwald erleben in all seinen Facetten, die Häuser, die Landschaft, die Tiere, das Essen. Wenn einer in die Toskana fährt, dann will er auch das Typische dort sehen.
Bei Ihnen ist die offene Landschaft das Typische?
Hupfer: Ja, die gehört zu uns. Wer in den Hochschwarzwald kommt, der will den weiten Blick. Bei uns auf dem Hochplateau ist er sehr offen, hell, frei, heiter. Das macht es aus und das macht es bei uns so schön.
Schätzle: Ich glaube auch nicht, dass der Tourist nur Wald sehen möchte. Wir haben 100 Stück Vieh, die auf 100 Hektar Land die Landschaft offenhalten. Das ist schon viel Fläche.
Hupfer: Die Landwirtschaft ist für den Tourismus einfach wichtig. Essenziell. Wenn Tourismus stattfindet, fährt der Bus, habe ich den Metzger im Ort, habe ich den Landwirt. Wenn wir aber nicht mehr dieses typische Landschaftsbild haben, kommen weniger Gäste zu uns und die Lebensqualität insgesamt sinkt.
Was zeichnet die Hinterwälder als typische Rinderrasse der Region aus?
Schätzle: Sie kommen mit dem Futter besser klar als eine moderne Rasse wie etwa das Schwarzbunte. Wir haben hier oben ziemlich karge Weiden – jedoch mit den besten Bergkräutern. Im Verhältnis zu anderen Rassen ist ein Hinterwälder ein kleines Tier, mit niedrigem Widerrist von 1,20 bis 1,25 Meter. Weil Hinterwälder somit leichter sind, wird der Boden schonender behandelt. Es gibt viel weniger Erosion. Sie fressen ihr Gras dort, wo sonst keine Kuh oder keine Maschine hinkommt. Andere Rassen wie Limousin- oder Charolais Rinder auf unseren steilen Hängen – das kann man vergessen. Diese Tiere könnten mit dem kargen Futter ihr volles Potenzial gar nicht ausschöpfen. Das Hinterwälder schafft das, wächst aber auch langsamer als andere Rinderrassen.
Was für einen Charakter haben diese Rinder?
Schätzle: Wie die meisten Menschen in der Gegend auch, sind sie gutmütig. Man muss natürlich aufpassen, wenn man über eine Kuhweide wandert. Bleibt man auf dem Weg und hält den Hund an der Leine, dann sollte auch nichts passieren.
Herr Hupfer, gehen Sie auf die Wiese und sagen: „Das da will ich haben“?
Hupfer: Ganz so idyllisch läuft es nicht ab. In regelmäßigem Turnus wird mir ein halbes Rind angeboten. Ich darf mir keines aussuchen, sondern ich bestelle eines und Felix sucht es mir dann aus. Das ist mir fast lieber. Ich wollte jetzt nicht da draußen stehen und sagen: „Das nehme ich.“ (lacht)
Ein halbes Rind?
Hupfer: Ein ganzes Rind hat um die 200 Kilo Schlachtgewicht, mit Knochen. Wir haben genaue Abläufe, wie lange wir das Fleisch reifen lassen. Daraus machen wir Hackfleisch, Gulasch, Braten, Tafelspitz, Rouladen, die Bäckchen – alles was dazugehört. Es wird alles verarbeitet.
Was meinen Sie als Koch zum Hinterwälder Rind?
Hupfer: Für uns ist es ein tolles Produkt, weil es ein sehr feinfaseriges Fleisch ist. Es gibt Geschichten darüber, dass in den großen Pariser Restaurants der 1970er-Jahre das Hinterwälder Rind serviert worden ist. Es war ein begehrtes Fleisch. Aber im Vergleich zum Angus- oder Charolais-Rind hat es zu wenig Schlachtgewicht und so ist es für viele Landwirte uninteressant geworden.
Herr Schätzle, was schmeckt Ihnen am besten bei Ihrem Nachbarn?
Schätzle: Eigentlich alles. Aber ein schönes Rumpsteak, das ist es wert!