Bure zum Alange
Die Landwirte Wolfgang Winterhalder und Nikolaus König haben auf ihren Höfen, im Stall, auf den Feldern und im Wald mehr als genug zu tun. Trotzdem oder gerade deshalb sehen sie zu, dass der Spaß nicht zu kurz kommt.
Weil man heutzutage als Bauer auf mehreren Hochzeiten tanzen muss, macht Winterhalder auch Baumpflege und Spezialfällungen, empfängt er auf dem Kirnerhof in Rudenberg, einem Stadtteil von Titisee-Neustadt, Kinder- und Schulklassen, damit sie sehen, woher die Milch und das Fleisch kommen, und er zeigt in Volkshochschulkursen, wie man richtig mit der Sense mäht. Wer ganz persönliche Einblicke in die Hofarbeit bekommen möchte, kann sich bei ihm als Knecht oder Magd auf Zeit verdingen. Und weil sich Winterhalder auch für Politik interessiert, sitzt er für die Grünen im Stadtrat von Neustadt.
Zwei Familienväter mit Ideen
Nikolaus König betreibt neben dem Bartleshof in Breitnau, auf dem er Rinder als Jungvieh aufzieht, ein Sägewerk, in dem er heimische Tannen zu Balken und Brettern verarbeitet, seit vielen Jahren saniert er eine denkmalgeschützte Mühle, er spielt in der SWR-Fernsehserie „Die Fallers“ einen Sägewerks-Mitarbeiter, hat einen Käsereiferaum auf dem Hof, vermietet eine Ferienwohnung und macht gerade eine Ausbildung zum technischen Lehrer zu Ende.
Als wäre all das nicht schon mehr als genug, widmen sich die Beiden, die obendrein auch Familienväter sind, einer weiteren Beschäftigung, die ihre Nachtruhe bisweilen auf ein Nickerchen verkürzt. Wolfgang Winterhalder und Nikolaus König stehen als „Bure zum Alange“ auf der Bühne und machen Kabarett. Sie spinnen zwar nicht wie im Märchen Stroh zu Gold, aber sie machen aus dem Mischt auf ihren Höfen Kunscht. Im Schwarzwald sind die Bure zum Alange Kult. Längst sind sie auch über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus bekannt.
Die Bure zum Alange treten in Festhallen, Scheunen und Bierzelten auf, in Gemeinde- und Gasthäusern, bei der Feuerwehr und Trachtenvereinen, der Landjugend und Bergwacht. Sie werden mittlerweile von so vielen Firmen, Winzergenossenschaften oder für Privatfeiern gebucht, dass sie sich irgendwann eine Sommerpause verordnet haben.
Die Wälderbure zünden die Bombe
Kennengelernt haben sich Winterhalder und König bei der Landjugend. König interessierte sich für Kleinkunst und Winterhalder hatte schon „als kleiner Seicher“ die Dialekte von Kurgästen nachgemacht, besonders den rheinischen. Als die BSE-Krise ausbrach und sich manch Politiker wahnsinniger aufführte als die Viecher, haben sie sich von Berufs wegen mit dem Thema beschäftigt und den Irrsinn auch zu Witzen verarbeitet. Bald hatten sie als „Wälderbure“ ein erstes Kabarettprogramm erarbeitet. Dass sie Landwirte sind, hingen sie nicht an die große Glocke. Bis sie „die Bombe zündeten“, wie König es nennt. „Wir sind Bauern und wissen, wovon mir schwätze.“
Während er auf der Bühne den zupackenden, pragmatischen Bauern gibt, Gitarre spielt und singt, verwandelt sich Winterhalder, der ebenfalls singt und dazu Akkordeon spielt, in Hermann Schwaderlappen, einen besserwisserischen und pedantischen Urlauber aus dem Rheinland. Auch wenn sie nicht in Stallkleidung auf die Bühne kommen, kann man die Gülle riechen, die sie besingen und die Heckschaufel sehen, die Heckschuffle, die bei ihnen zur „Handtasche des Schwarzwälders“ wird. Neben Missständen, unsinnigen Verordnungen in der Landwirtschaft oder dem Höfesterben thematisieren sie die Liebe zu ihrer Heimat, so wie in den Liedern „Du mein Hof, ich Dein Bur“ oder „Tief im Schwarzwald, da sind wir daheim“. Nach jedem Auftritt sind die gleichen Kommentare aus dem Publikum zu hören: „Echt gut!“ „Genau so isses!“
In keinem anderen Bundesland in Deutschland gibt es Landwirte, die am Tag als Bauern schaffen und am Abend als Kabarettisten darüber sinnieren. Das gibt es nur im für seinen Erfindergeist bekannten Schwarzwald. Aus dem Hobby, für das die Freunde anfangs mit Wurschtsalat und einem Trinkgeld entlohnt wurden, ist eine Tätigkeit geworden, die nicht nur mehrfach ausgezeichnet wurde, sondern zu einer festen Einnahmequelle geworden ist. Ohne die Unterstützung der Eltern, das betonen beide, würde es nicht gehen. Und bei längeren Anfahrten sind sie heilfroh, dass ein Freund sie fährt, sonst würden sie am Steuer einschlafen.
Zeit, Ausdauer, Kraft und Leidenschaft.
Was motiviert die Landwirte, am frühen Morgen dem Wecker zu gehorchen, wenn sie erst wenige Stunden zuvor von einem Auftritt zurückgekommen sind? „Der Flow vom letzten Abend“, sagt Winterhalder. „Das Wissen, man macht einen guten Job“, sagt König. „Man bruch Zitt, Kraft, Ausdauer und Leidenschaft. Für das lebsch. Sonst wir es langweilig.“ Die Gefahr, dass dem Duo, das kürzlich eine erste CD heraus gebracht hat, der Erfolg zu Kopf steigen könnte, ist gering. Denn jeden Morgen werden sie auf den Boden der Tatsachen geholt.
Obwohl die beiden Schwarzwälder alemannisch schwätzen, überlegen sie lange, bis sie einen Lieblingsausdruck benennen. „Hinterschiberschi“, macht schließlich bei König das Rennen. Wenn etwas hinten rum läuft, gemauschelt wird, das kann er nicht ertragen. Winterhalder kommt mit einem Satz rüber, der wunderbar zu den Bauern passt, die auch auf der Bühne gute Erträge einfahren: „So isch's worre.“ So ist es geworden.