„Wir haben uns hier eine Zukunft aufgebaut“, sagt Jutta Braun nicht ohne Stolz.

Ein Schwatz mit Folgen

Aus Liebe in den Schwarzwald
28.01.2016

von Barbara Bollwahn

Jutta Braun hat es aus Liebe in den wunderschönen Hochschwarzwald verschlagen und obwohl es nicht immer leicht gewesen ist, blickt sie voller Stolz auf das, was sie mit ihrem Mann Martin zusammen, aufgebaut hat.

Als junge Frau verließ sie Offenburg und ging in den Schwarzwald, um eine Ausbildung zur Hotelfachfrau zu machen. Von Anfang an stand für sie fest, dass sie, sobald die Lehre zu Ende wäre, wieder zurückgehen würde. Statt Obstbäumen ohne Ende wie in der Ortenau gab es im Schwarzwald Tannen ohne Ende, „Oh Gott“, und die Winter schienen ihr, „Oh Gott“, endlos lang. In einer Tanzbar am Titisee hatte sie einen Schwarzwälder kennengelernt, bei dem sie zwar nicht schon wieder dachte, „Oh Gott“, aber auch nur „Es geht.“ Wie geplant kehrte sie dem Schwarzwald nach der Ausbildung den Rücken und arbeitete in Offenburg im Café ihrer Mutter.

Nie wieder in den Schwarzwald... Oder doch?

Doch der einhundert Kilometer entfernte Schwarzwald ließ sie dennoch nicht los. Als der junge Mann aus der Tanzbar ein Maschinenbaustudium in Offenburg begann, kam er bei ihr im Café vorbei, sie half ihm bei der Wohnungssuche, sie trafen sich gelegentlich, es entwickelte sich so etwas wie eine lockere Beziehung. Doch die Offenburgerin blieb dabei: Sie wollte um nichts in der Welt da hoch in den Schwarzwald. Bis sie den Schwarzwälder zufällig in einem Kaufhaus in Offenburg an einem Zeitungsständer wieder sah. „Ach, der Martin“, sagte sie zu sich und stellte sich eine Frage: „Schwätzte mit ihm oder gehste?“

Es war ein Schwatz mit Folgen. Bald darauf zog die junge Frau der Liebe wegen aus dem 57.000 Einwohner zählenden Offenburg nach Hinterzarten, wo gerade einmal 2.600 Menschen leben, auf den Ospelehof etwas außerhalb des Ortes, in den Zinken Windeck. Umgeben von vielen Hektar Wiesen, Weiden, Wald wurde samt freiwilliger Feuerwehr und Musikverein geheiratet und Jutta Braun fragte sich bang, ob sie mit den Schwiegereltern klar kommen würde, die auch auf dem Hof leben.

Alles unter einen Hut zu kriegen war nicht immer leicht

Es war auch ein gewaltiger Aufstieg für die junge Frau aus der Stadt: Von 163 Meter über dem Meeresspiegel ging es hoch auf 940 Meter. Jutta Braun hat das verkraftet, nicht aber ihr Kater, den sie neben einigen Möbeln, Bettwäsche und Geschirr in die neue Heimat mitgebracht hatte. Das Tier war nach dem Ortswechsel so durch den Wind, dass es an einem Herzinfarkt starb. „Das war ein Drama“, erinnert sich Jutta Braun. So richtig zu Hause gefühlt hat sie sich, als sie und ihr Mann aus der Ferienwohnung auf dem Hof, in der sie anfangs wohnten, in ihr „eigenes Nescht“ zogen, das sie sich auf dem Ospelehof gebaut hatten.

Dieses Jahr hat das Paar, deren zwei erwachsene Kinder schon ausgezogen sind, aber in der Nähe wohnen, silberne Hochzeit gefeiert. Offenburg, zwischen Karlsruhe und Freiburg gelegen, galt schon lange vor ihrer Eheschließung als Tor zum Schwarzwald.

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„Ich war schon arg verliebt“, erzählt Jutta Braun über den Anfang. „Mir gefiel ihre frische, gewinnende, unkomplizierte Art, wo sie het“, sagt ihr Mann über sie. „Und das ewig Fröhliche war klasse! Gott sei Dank ist das nicht verloren gegangen.“ Aber sie machen auch keinen Hehl daraus, dass nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen herrschte, besonders in den ersten Jahren. „Es hat ab und an ganz schön gerauscht“, sagt Martin Braun. „Alles unter einen Hut zu kriegen war nicht immer leicht“, sagt Jutta Braun.

Als Martin Braun den Ospelehof von seinem Vater übernahm, der sich noch immer um die Waldpflege kümmert, war klar, dass es eine gute Arbeitsteilung auf dem Hof braucht, damit es nicht zu oft „rauscht“. Jutta Braun kümmert sich um die Ferienwohnungen und den Hofladen und um die Bewirtung der Gäste, wenn sie Raclette-oder Musikabende im ausgebauten Milchviehstall veranstalten. Kommen Besuchergruppen auf den Hof, macht Martin Braun die Führungen und seine Frau die Bewirtung.

Käse und Kosmetik?

Martin Braun, der vor dem Maschinenbaustudium Elektriker gelernt und als Zimmermann gearbeitet hat, ist auch für die schottischen Hochlandrinder zuständig, die er angeschafft hat, nachdem er einen Partner für die Milchproduktion gefunden hatte. Zudem begann er vor mittlerweile 25 Jahren als einer der Ersten in der Region mit der Produktion von Käse. Im Allgäu, im Bregenzer Wald und in der Schweiz hat das Tradition, nicht aber im Schwarzwald. Verkauft wird der Bergkäse, der Ospele-Pur, ein Schnittkäse, der Weich- und Frischkäse, von dem Martin Braun etwa zwei Tonnen pro Jahr produziert, im Hofladen und auf Märkten.

Und vor einigen Jahren kam noch ein weiteres Standbein hinzu: Kosmetik aus dem Schwarzwald. Diese Idee ist nicht auf dem Mist von Jutta Braun gewachsen, sondern auf dem von ihrem Mann. Weil beim Käsemachen etwa 90 Prozent der verwendeten Milch als Molke abfällt, die in der Regel nicht genutzt wird, und weil die Schwarzwälder von jeher erfinderisch sind, begann er, aus Molke Cremes und Lotionen herzustellen, für das Gesicht, die Hände, den Körper, für den Tag und für die Nacht.

Dass Jutta und Martin Braun bereits zweifache Großeltern sind, glaubt man kaum. Sie schwimmen vielleicht nicht in Geld, aber sie baden regelmäßig in Molke, so wie es schon Kleopatra, die Traumfrau der Antike, tat. Ihr Aussehen ist die beste Werbung für ihre Kosmetik vom Ospelehof. Jutta und Martin Braun sehen unglaublich frisch aus, tatsächlich wie das blühende Leben. Molke in Verbindung mit Liebe scheint der Haut ganz besonders gut zu tun.

Von der Schwarzwaldhasserin zur Botschafterin

Und Jutta Braun, die erst partout nicht in den Schwarzwald ziehen wollte, ist mittlerweile sogar zu einer Botschafterin des Schwarzwaldes geworden. Haderte sie anfangs mit den Landfrauen, ist sie längst eine. Vor einigen Jahren hat sie bei der SWR-Fernsehsendung „Lecker aufs Land“ mitgemacht, in der Landfrauen für andere Landfrauen mehrgängige Menüs auf ihren Höfen zubereiten. Für ihren Schwarzwälder Schinken, den ihr Mann unter dem Dach geräuchert hat, die handgeschabten Spätzle und das Fleisch von den eigenen Rindern bekam sie den zweiten Platz.

Jutta Braun kennt andere Paare, bei denen die Frauen ebenfalls der Liebe wegen in den Schwarzwald gezogen sind, bei denen es aber nicht funktioniert hat. „Wir haben uns hier eine Zukunft aufgebaut“, sagt sie nicht ohne Stolz. „Das schweißt zusammen“, ergänzt ihr Mann. Martin Braun spricht von Ausdauer, die man auch in einer Beziehung brauche. „Und man muss als Team funktionieren.“ Jutta Braun ist froh, über die eine oder andere Differenz erst einmal geschlafen oder mit einer Freundin ein Glas Wein getrunken zu haben. Heute sagt sie über die Anfangszeit: „Es war gut, uns zusammen gerissen zu haben.“ Ihr Mann fügt lachend hinzu: „Ich konnte sie immer überzeugen.“