Katrin Ernst ist Försterin aus Leidenschaft.

Försterin aus Leidenschaft

Ein Ausflug ins Revier von Katrin Ernst
14.03.2017

von Samanta Siegfried

Ihre Heimat ist der Wald mit seinen dicht an dicht stehenden Bäumen und all den Pflanzen und Tieren. Hier geht Katrin Ernst nicht nur ihrem Hobby nach, sondern kümmert sich als Försterin um Privatwaldbesitzer und ihre Wälder.

Katrin Ernst betritt den Wald und biegt sogleich vom Pfad ab. „Für mich gibt es keinen Weg“, sagt sie, während ihre festen Wanderschuhe auf weiches, nasses Moos treten. Hoher Farn umstreicht ihre Beine, geschickt umgeht sie Wurzelstöcke und Geäst, geht immer tiefer hinein, bis sie plötzlich stehen bleibt. „Hier fängt mein Revier an.“ Sie deutet auf einen unauffälligen Grenzstein am Boden. Seit 2007 ist Katrin Ernst Försterin und hat 1800 Hektar dichtes Grün unter ihrer Obhut.

Man muss Katrin Ernst nicht gut kennen um festzustellen: sie hat ihren Traumberuf gefunden.
Man muss Katrin Ernst nicht gut kennen um festzustellen: sie hat ihren Traumberuf gefunden. © Samanta Siegfried

Ihre Heimat ist und bleibt der Wald

Lange war ihre Heimat Titisee-Neustadt, jetzt ist es das Glottertal bei Freiburg. Immer schon war es der Wald. Bereits als Kind wusste sie: ich werde Försterin. „Oder Schäferin“, sagt sie und lacht. Die 33-Jährige ist eine kleine, zierliche Frau, sie spricht ruhig und selbstsicher. Die blauen Augen haben alles im Blick, das kastanienbraune Haar hat sie praktisch nach hinten gebunden. Auf ihrem dunkelgrünen Fleece ist das Landeswappen Baden-Württembergs eingestickt. Früher, erzählt sie, während ihre Schwester in die Stadt zog um Freunde zu treffen, ging sie allein in den Wald spazieren. Ihre zwei Lieblingsbäume taufte sie auf Steinwart und Wellenrausch.

“Der Wald war immer schon eine ganz andere Welt für mich.“
(Katrin Ernst)
Auf ihrem dunkelgrünen Fleece ist das Landeswappen Baden-Württembergs eingestickt.
Auf ihrem dunkelgrünen Fleece ist das Landeswappen Baden-Württembergs eingestickt. © Samanta Siegfried

Revierleiterin in einer reinen Männerwelt

An ihrer Seite spaziert Lilly, eine Hündin, Schäfer-Mischling. Sie ist ihre einzige weibliche Begleiterin auf der Arbeit. Die Forstwirtschaft ist noch immer eine Männerwelt. In Führungspositionen arbeiten bundesweit weniger als ein Prozent Frauen. Auch Katrin Ernst ist die einzige Revierleiterin im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. „Die Frauen aus meiner Ausbildung sind fast alle in die Waldpädagogik gegangen“, sagt sie. Bisher habe sie als einzige Frau aber keine Probleme gehabt, im Gegenteil, der Umgang mit den Waldbesitzern sei angenehm. „Ich habe allerdings gehört, dass der Ton früher rauer war“, erzählt sie. „Bestimmte Witze machen die jetzt wohl nicht mehr.“ Sie lacht. Ob es mehr Frauen braucht in der Forstwirtschaft? „Ehrlich gesagt, das ist mir eigentlich egal.“ Sie arbeite gern mit Männern zusammen. „Die sind sehr unkompliziert.“ Ihre gelegentlichen Alpha-Allüren steckt sie dabei mit einem Lächeln weg.

“Es reicht wenn du weißt, dass du gute Arbeit machst.“
(Katrin Ernst)

Gute Arbeit heißt für Katrin Ernst auch, die Interessen von Waldbesitzern wahrzunehmen und ihre eigenen Ansichten zwar einzubringen, aber auch zu hinterfragen. Die meisten Besitzer bezeichnet sie als typische Schwarzwälder-Bauern: etwas schroff, wie das Klima hier auch, und sie machen am liebsten alles selber. „Ich kann sie zu nichts zwingen, nur beraten.“ Sie bleibt stehen und schaut sich um. „Dem Besitzer dieses Stück Waldes würde ich raten, die Tanne hier zu ästen und diese zwei Fichten zu entnehmen.“ Sie klopft ihre Stämme ab. „Die haben ihren Zieldurchmesser bereits erreicht.“ Und je dicker, desto schlechter verkaufe sich das Holz. „Es ist halt alles ein Kreislauf.“

Schäferhündin-Mischling Lilly ist ihre einzige weibliche Begleiterin auf der Arbeit.
Schäferhündin-Mischling Lilly ist ihre einzige weibliche Begleiterin auf der Arbeit. © Samanta Siegfried

Sorge um die Schwarzwaldtanne

Sorgen bereiten ihr die Tannen. Immer wieder deutet sie auf kleine Pflanzen die erst wenige Zentimeter über den Boden schauen. „Hier, schon verbissen.“ Die Rehe fressen die frischen Äste ab und behindern so das Wachstum der Tannen. Dabei wären sie wertvoll für den Schwarzwald, der seit der Aufforstung Mitte des 19. Jahrhunderts zu 80 Prozent aus Fichten besteht. Mit ihren flachen Wurzeln sind sie weitaus weniger standhaft und außerdem sind sie anfälliger für Schädlinge wie Pilze oder Borkenkäfer. Die Tanne hingegen, einmal gewachsen, haut so schnell nichts mehr um. Allerdings verkaufe sie sich auch schlechter. „Klar steht bei meinem Beruf der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund“, sagt Ernst. „Aber dazu gehört auch den Wald zu erhalten, auch wenn der einzelne Baum weniger ertragreich ist.“ „Risikominimierung“ sei dabei ihr Credo.

Wertschätzung wieder erlernen

Neben Beratungen und gelegentlichen Büroarbeiten gehören zu ihrer Arbeit als Försterin auch Führungen mit Kindern. „Dabei sollen sie den Wald als Lebensraum erleben“, erklärt Ernst. Etwa in dem sie Bäume ertasten oder verschiedenste Nussarten erforschen. „Ich denke, die Wertschätzung für den Wald in der Gesellschaft nimmt wieder zu“, sagt sie. Wir erreichen eine mächtige Tanne, geschätzte 30 Meter hoch. „Der größte Baum in meinem Revier“, sagt sie, etwas stolz. „Wenn ein Baum wie der hier etwa 250 Jahre auf dem Buckel hat, flößt mir das schon Respekt ein.“ Dann, als ob die Gegenwart des Riesen dazu angeregt hat, wird sie nachdenklich und stellt die Frage: wohin geht unsere Gesellschaft? „Das Bedürfnis nach Beständigkeit nimmt wieder zu“, teilt sie schließlich ihre Beobachtungen. „Auch nach Verbundenheit und Achtsamkeit.“ Im Wald, ist sie überzeugt, können die Menschen diesem Gefühl sehr nahe kommen. „Das ist nicht nur Holz, was der Wald produziert.“ Sie schaut sich kurz um und lauscht der Stille. Dann reckt sie ihren Kopf und schaut in den Himmel. „Ist das nicht wunderschön? Wie die Wolken zwischen den Baumwipfeln vorbeiziehen.“

„Hier kann man die Jahreszeiten riechen.“
„Hier kann man die Jahreszeiten riechen.“ © Samanta Siegfried

Man muss Katrin Ernst nicht gut kennen um festzustellen: sie hat ihren Traumberuf gefunden. Bevor wir in ihr Auto steigen, atmet sie nochmals tief ein. „Hier kann man die Jahreszeiten riechen.“ Am liebsten sind ihr die Gebiete ohne Handy-Empfang. „Da schaff i mei Gschäft und bin für meine Waldbesitzer da und guet isch“, sagt sie in ihrem alemannischen Dialekt. Klar, sie habe sich auch daran gewöhnt. Erholung findet sie eher in ihrer Freizeit, etwa beim Wandern, als auf der Arbeit. Wertschätzung hat sie deswegen nicht verlernt.

“Hin und wieder überkommt es mich. Dann halte ich kurz inne und denke: Ach, wie schön ist das hier eigentlich.“
(Katrin Ernst)

Gut zu wissen

Ist man mit einem Förster unterwegs im Wald, so kann man vieles über diesen erfahren. Und keiner kennt sich besser aus, als ein Förster in seinem Revier. Wenn auch Sie einmal einen ganz speziellen Einblick haben wollen, können Sie sich einer der zahlreichen Försterwanderungen im Hochschwarzwald anschließen. Diese finden über die Saison verteilt in verschiedenen Orten statt. Wann und wo eine für Sie geeignete Wanderung stattfindet sehen Sie in unserem Veranstaltungskalender