Gemeinsam stark: Landwirtsfamilie Saier und die Schwarzwaldmilch
Mit der Pferdekutsche hat Wilhelm Schwär seine Milch 1933 vom Pfändlerhansenhof in St. Märgen nach Hinterzarten zum Bahnhof gebracht, und von dort wurde sie zur Freiburger Milchzentrale transportiert. Damit gehörte er zu den ersten Mitgliedern der Genossenschaft, die heute Schwarzwaldmilch heißt und Landwirte von mehr als 1.000 Höfen in der Region vereint. Auch sein Sohn Josef Saier und sein Enkel Fridolin Saier sind der Genossenschaft bis heute treu geblieben.
Das Geld von der Freiburger Milchzentrale war in den 1930er-Jahren die erste regelmäßige Einnahmequelle für den Pfändlerhansenhof. Und auch heute, 90 Jahre später, schätzt Fridolin Saier, dass „ich jeden Monat pünktlich mein Geld bekomme, das ist mir wichtig“. Der Schwarzwaldmilch sind die Besitzer des seit 1717 bestehenden Hofes treugeblieben, ansonsten hat sich hier oben, auf der offenen Hochebene zwischen Thurner und St. Märgen, wo die Löwenzahnblüte die weitläufigen Wiesen jedes Frühjahr in ein leuchtendes Blumenmeer verwandelt, aber vieles verändert: Der Großvater hätte sich bestimmt nicht vorstellen können, dass die Kühe mal von einem Roboter gemolken werden, der über den angeschlossenen Computer auch noch Auskunft über den Gesundheitszustand der Tiere gibt.
Fridolin Saier und seine Frau Susanne haben den Hof mit Sohn Jonas zukunftsfähig gemacht. Der 28-jährige Sohn ist auch hauptverantwortlich dafür, dass die Familie inzwischen eines der Premiumprodukte der Schwarzwaldmilch liefert, die Bio-Heumilch. Während seiner Lehre war Jonas Saier bei Landwirten im Allgäu im Einsatz, da sei er "infiziert" worden: "Ich war begeistert von der Arbeit mit Trockenheu“.
Bio-Milch hat Familie Saier schon zuvor produziert, für die Heumilch waren aber weitere Veränderungen auf dem Hof nötig: Die Kühe verbringen den gesamten Sommer von April bis Oktober auf den Weiden und werden in den Wintermonaten mit heimischem Heu gefüttert, teilweise ergänzt durch Bio-Getreide und Bio-Kraftfutter. „Heumilch schmeckt viel besser, weil sie keinen Gärfuttergeruch hat“, findet der passionierte Milchtrinker Fridolin Saier. Nach den Vorgaben darf sich im ganzen Betrieb keine Silage, zum Beispiel in Ballen verpacktes Gärfutter, befinden. Das wird auch kontrolliert. Ein umweltfreundlicher Nebeneffekt: Es fällt weniger Plastikmüll an.
Besserer Geschmack, mehr Aufwand
Der besondere Heumilchgeschmack erfordert jedoch einen erhöhten Arbeitsaufwand: Das Heu muss in die Scheune gefahren und beim Trocknen überwacht werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass der ganze Hof abbrennen könnte. Getrocknet wird es mit Hilfe von Solarkollektoren auf dem Scheunendach. „Man muss überzeugt davon sein“, sagt Saier über die Mehrarbeit im Sommer, „die Futtergewinnung ist aufwändiger“.
Vater und Sohn sind beide leidenschaftliche Landwirte. Als siebtes von insgesamt elf Geschwistern hat Fridolin Saier schon als Kind „am meisten im Stall gehockt“, wie er erzählt. Und schon während der Schulzeit war für ihn klar, dass er Landwirt werden will. Als 27-Jähriger hat er 1989 den Hof von seinem Vater übernommen. Anfang der 90er-Jahre wurde die Schweinehaltung genauso abgeschafft wie der Ackerbau, Saier stellte komplett auf Grünland und Milchwirtschaft um. Die Kühe bekamen einen Laufstall, in dem sie nicht mehr angebunden waren. 2019 kam dann ein neuer Stall hinzu. Damals hat sich die Familie dazu entschieden, in die Heumilch-Produktion einzusteigen.
Die Saiers bewirtschaften mittlerweile 85 Hektar, von denen ihnen etwa die Hälfte selbst gehört, den Rest haben sie in den vergangenen Jahren hinzugepachtet. Darauf weiden 60 Milchkühe, die durchschnittlich jeweils etwa 25 Liter Milch am Tag geben. Das lässt sich am Computer im Stall überprüfen, genauso wie der Fett- und Eiweißgehalt der Milch. Gemessen werden auch die Temperatur und die Aktivität der Kühe. Die Landwirte können sehen, wie viel die Tiere fressen, und ob sie Probleme mit dem Euter haben.
Wie überall wurde auch auf dem Pfändlerhansenhof früher noch in den Eimer gemolken, danach die Milch gesiebt und in große Milchkannen abgefüllt. Diese wurden an die Straße gestellt und täglich eingesammelt. In späteren Zeiten saugte eine spezielle Anlage die Milch in einen großen Tank. Inzwischen kommt der Wagen der Schwarzwaldmilch alle zwei Tage. Zuletzt mit der Hand gemolken wurde auf dem Hof nach Fridolin Saiers Erinnerung vor rund 40 Jahren. „Als es mal einen Stromausfall gegeben hat, da mussten dann alle beim Melken mithelfen.“ Nach Sturm Lothar im Dezember 1999 sei der Strom zwar auch zwei Tage weg gewesen, aber der Hof konnte da bereits durch ein eigenes Notstromaggregat versorgt werden.
Bio-Milch produziert Familie Saier schon seit 2005. Dafür bekam sie etwa acht bis zehn Cent pro Liter mehr als für herkömmliche Milch. Für Heumilch gibt es nochmal einen Aufschlag von rund fünf Cent. „Wenn du auf Bio-Milch umstellst, musst du nicht nur den Betrieb umstellen, sondern auch den Kopf“, erklärt Saier, „das kann man nicht nur wegen des Geldes machen.“
Fridolin Saier ist überzeugter Genossenschaftler und findet, dass die Schwarzwaldmilch „alles andere als 08/15 ist – sie ist etwas ganz Besonderes“. Durch den Zusammenschluss schaffen es die vielen Schwarzwälder Milchbauern gemeinsam, sich im Wettbewerb mit landwirtschaftlichen Großbetrieben aus anderen Regionen zu behaupten. Und von der guten Vermarktung profitiere die gesamte Region, so Saier. Außerdem gibt es einen regelmäßigen Austausch mit anderen Produzenten der Schwarzwaldmilch, mit Biomilch- und Heumilch-Erzeugern. „Wenn ich beispielsweise Fragen zur Heutrockung oder Probleme im Stall habe, dann kann ich einfach mal schnell Kollegen anrufen“, freut sich Saier. Und nicht nur zu seinen Schwarzwaldmilch-Genossen pflegt er einen guten Draht, sondern auch zu vielen weiteren Landwirten im Hochschwarzwald. So wie seit jeher gehandhabt wird hier oben, auf fast 1.000 Metern Höhe. Man kennt einander. Und man hilft einander.