"Harte Arbeit, aber ziemlich schön!“
Seit 14 Jahren bewirtschaftet Uta Reese als Selbstversorgerin einen kleinen Hochschwarzwälder Bergbauernhof.
Sieben Jahre lang lebte Uta Reese ohne Strom in ihrem alten Bauernhof, hoch droben im Hochschwarzwald. Ein Leben, so wie es in den Höhenlagen der Berge hunderte Jahre lang üblich war, ehe die Elektrifizierung und der Wohlstand nach und nach Einzug hielten: Karg, im Rhythmus der Tages- und Jahreszeiten, genügsam. „Seit 2009 produzieren wir unseren eigenen Strom aus Wind, Sonne und Wasserkraft“, sagt die 58 Jahre alte Landwirtin. Seither brennen auf dem Häusleberghof die Glühbirnen und Utas Gäste können sich, wenn sie das wollen, die Haare föhnen oder mit der elektrischen Zahnbürste die Zähne putzen. Eigentlich ein vorbildliches Projekt, doch Uta sieht es mit gemischten Gefühlen: „Ich muss sagen: Vorher hat es mir besser gefallen. Das Lebensgefühl, das ich davor hatte, das war weg. Für immer.“
Kühe, Gänse, Hunde, Pferde, Katzen und Uta
Idyllisch ist es trotzdem geblieben auf dem Häusleberghof, auch mit Strom, und wunderschön. Das graue, lange Haar hat Uta zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, sie lacht viel und wenn man mit ihr vorm Haus am Holztisch sitzt, macht sie einen ruhigen und zufriedenen Eindruck. Das knorrige, 400 Jahre alte Schwarzwaldhaus schmiegt sich auf 850 Metern Höhe an einen steilen Berghang weit oberhalb von Oberried. Hier wohnt Uta seit 14 Jahren, der Hof liegt inmitten von Gemüse- und Kräuterbeeten, blumigen Weiden und struppigen Wäldern. Übers Tal hinweg sieht sie auf den Feldberg und die umliegenden Schwarzwaldberge. Uta lebt von den Produkten, die Hof und Wald abwerfen. „Wir betreiben hier extensive Wirtschaft, auf den Magerweiden rund um das Haus.“ Dort gibt es eine große Pflanzenvielfalt: „Weil wir nicht überdüngen und weil wir nicht mit Maschinen arbeiten.“
Drei Kühe grasen auf der Koppel hinter dem Haus, daneben leben auf dem Hof zwei Hunde, eine Schar Gänse, Hühner, Pferde und vier Katzen: „Wobei die gerade Junge haben“, stöhnt Uta: „Und ich weiß nicht, wie viele.“ Geld verdient sie außerdem mit Eselwanderungen und der Zucht von Eseln, Mangalitza Wollschweinen und Krainer Steinschafen. Schafsalami oder Blutwurst vom Wollschwein kann man direkt bei ihr auf dem Hof kaufen.
„Ich melke von Hand. Ich mache Frischkäse, Joghurt, Quark und Schnittkäse.“ Wenn es nicht zu heiß ist, gibt es auch Mozzarella. „Im Sommer buttere ich nicht, das ist schwierig mit dem Wetter und da habe ich auch nicht viel Zeit.“ Außerdem gibt es Eier und es wird auch geschlachtet: „Wenn kein Fleisch da ist, dann essen wir auch keins.“
Die kleinen Tiere darf Uta selbst schlachten: „Die großen aber nicht. Doch ich habe einen guten Metzger, der im Herbst kommt. Dann muss hier alles ausziehen, was keine Miete zahlt. Der Winter hier oben ist eine harte Zeit.“
Autark leben - nur Kaffee wird hinzu gekauft!
„Ich baue Kräuter an,“ erklärt sie: „und andere sammle ich im Wald.“ Die Kräuter vermarktet sie gemeinsam mit anderen Frauen aus ganz Baden-Württemberg, die sich zusammengeschlossen haben und eine Vertriebsgemeinschaft namens „Die Kräutermanufaktur“ gegründet haben. „Ansonsten ist unsere Richtung die Selbstversorgung. Wir produzieren die meisten Lebensmittel selbst, also alle Milchprodukte und alles, was wir an Gemüse brauchen. Obst haben wir auch, nicht so viel, aber eine gute Mischung.“
Dinge des alltäglichen Bedarfs wie Salz und spezielle Gewürze, Kaffee oder Schwarztee kauft sie dazu. „Wir schauen, dass wir möglichst autark leben, das klappt immer besser.“ Neben Tees, Kräutern und Fleisch verkauft Uta Produkte wie Pfefferminzsirup, Holundersaft, Fruchtgelees, Bärlauchpesto oder Kräutersalbe.
Regelmäßig kommen auch Menschen aus der ganzen Welt auf den Hof, die für Kost und Logis in allen Bereichen mitarbeiten. Und seit einiger Zeit lebt ihre Enkelin Isabella bei Uta: „Sie ist 15 Jahre alt und kann reiten wie der Steppenwind.“ Mokka heißt ihr Pferd, Utas eigene Stute hat 20 Jahre auf dem Buckel, sie selbst reitet seit über 50 Jahren. „Früher habe ich einen Reitstall gehabt, habe Reitunterricht gegeben und bin Wanderreitführerin. Ich habe Kutsche fahren gelernt und Holzrücken mit Pferden.“ Für Uta bedeutet dieses entbehrungsreiche Leben Erfüllung. Hier oben, zwischen Magerweiden, Bergwiesen, Wald, Felsen und dem Himmel über den Schwarzwaldgipfeln, sieht sie ihre Ideale verwirklicht, die sie schon als junge Frau hatte.
Im Winter beginnt die harte Zeit auf dem Häusleberghof. Wenn die Berge ringsum und der Hof eingeschneit sind, „dann wird es richtig arbeitsintensiv. Wir haben zwar nichts mehr im Garten zu tun, aber die anderen Arbeiten kommen dann in den Vordergrund. Da muss man körperlich gut unterwegs sein, sonst kann man das kaum schaffen.“ Holz hacken, jeden Tag die Ställe ausmisten, oft friert das Wasser ein: „Dann muss man das aufpickeln.“ Und auch die Tiere wollen versorgt werden im Winter: „Das Futter muss ich mit Schubkarren und mit Eimern in die verschiedenen Ställe bringen. Das ist den ganzen Tag harte Arbeit. Aber das ist auch ziemlich schön.“
Der "Arme-Leute-Hof"
Für Uta bedeutet dieses entbehrungsreiche Leben Erfüllung. Hier oben, zwischen Magerweiden, Bergwiesen, Wald, Felsen und dem Himmel über den Schwarzwaldgipfeln, sieht sie ihre Ideale verwirklicht, die sie schon als junge Frau hatte: „Ich bin ins Wirtschaftswunder reingeboren worden. Meine Eltern haben in Stuttgart in einer Villa auf dem Feuerberg residiert und als ich später in eine Wohngemeinschaft zog, waren wir für sie gefallene Menschen. Kurz vor Obdachlos“, sagt sie und lacht. Den damaligen Idealen, so sagt Uta, sei sie treu geblieben: Aussteigen, alles teilen, Selbstversorgung – das passt auch gut zu dem Ort, den sie sich zum Leben ausgesucht hat: „Der Häusleberghof war immer ein Arme-Leute-Hof“, sagt sie.
„Naja“, meint Uta und zwinkert mit den Augen: „Ich habe auch meine Wohlstandssüchte wie endlos Bücher kaufen und Filme gucken. Aber das wird immer weniger!“