"Jeder sucht e weng nach Identität"
Der 25-jährige Adrian Probst arbeitet seit vielen Jahren ehrenamtlich und mit Leib und Seele bei der Bergwacht und rettet Menschenleben. „Ich finde es schön, sich sozial zu engagieren“, sagt er.
Adrian Probst hatte ein Spielzimmer ohne Fenster, Wände und Türen, Möbel gab es auch nicht. Dafür war es unermesslich groß. Adrian Probst hat draußen im Wald gespielt, erst rund um Menzenschwand, dann um Höchenschwand herum. Er hat Hütten gebaut, Baumstämme auf dem Flüsschen Alb geflößt, „Kärrele zum abi fahren“ konstruiert. „Das Gröschte“ war es, auf dem „Pischtenbully“ mitzufahren.
Die Luft, das Essen, die Landschaft
Im Sommer ist er auf der Matte Ski gesprungen, im Winter hat er Iglus gebaut und ist auf Skiern durch den Schnee gefahren. Als er größer war, ging er zur Jugendfeuerwehr, nahm an Skialpinrennen teil, Vereinsmeisterschaften und Kreisjugendskitagen, gewann Pokale. Adrian Probst ist kein extrovertierter Mensch und doch erzählt er „begeischtert“ von seiner Kindheit und Jugend im Hochschwarzwald. „Sachen, für die Leute heute viel Geld ausgeben als Event“, sagt der 25-jährige, „hatte wir damals für umme“.
In seiner Kindheit war der Schwarzwald einfach da. Als Adrian Probst kurz vor dem Abitur stand, hat er den Schwarzwald bewusst wahrgenommen und sich manchmal einfach nur auf einen Berg gesetzt.
Ging es mit der Schule auf Auslandsfahrt, fand er das „superschön“ und hat sich „wahnsinnig drauf gefreut“. Aber auch wenn er kein Heimweh hatte, wusste er: „Daheim ist es am schönsten.“ Die Luft, das Essen, die Landschaft seien im Hochschwarzwald „am beschten“.
Adrian Probst spricht nur selten in der Ich-Form. Meistens sagt er wir, redet von der Gruppe, der Mannschaft, der Zusammengehörigkeit. Das hat viel mit einem Ehrenamt zu tun, das er schon mit 16 Jahren übernahm. Da wurde Adrian Probst, dessen Vater seit vielen Jahren den Bergrettungsdienst in Höchenschwand leitet, Mitglied der Bergwacht Schwarzwald. Seit 2013 hat er den stellvertretenden Vorsitz inne, vorher war er für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Ist man einsatzfähig, ist der Melder an
Während andere junge Männer am Wochenende auf die Piste gehen, eine, für die man keinen Bully braucht, überlegt sich der Rettungssanitäter gut, ob beziehungsweise wie viel Bier er trinkt. „Der Alarmmelder ist eigentlich immer dabei“, sagt Adrian Probst. Geht auch er auf die Piste, bleibt der Melder zu Hause. 15 Bergretter müssen erreichbar sein, um sicher zu stellen, dass fünf für einen Einsatz zusammen kommen. „Sofern man aber einsatzfähig ist“, fährt Adrian Probst fort, „keinen Alkohol getrunken hat und nicht übermüdet ist, ist der Melder in der Jacke und auch an“. Adrian Probst und seine Kollegen werden über die Nummer 112 gerufen, wenn sich jemand verirrt hat oder vermisst wird, wenn Spaziergänger, Wanderer, Kletterer, Mountainbiker, Gleitschirmflieger oder GPS-Schnitzeljäger verunglückt sind oder Tote geborgen werden müssen.
Um Menschenleben zu retten, braucht Adrian Probst neben einem klaren Kopf auch eine verständnisvolle Freundin. Manchmal hat er fünf Einsätze in drei Tagen, manchmal fünf in zwei Monaten. Aber auch dann hat er genug zu tun bei der und für die Bergwacht. Er hält Vorträge über die Führungsebene und Einsatzleitung, über landes- und bundeseinheitliche Regelungen des Rettungsdienstgesetzes, übernimmt Ehrungen für langjährige Mitglieder.
Sinnvolles tun und sich für andere einsetzen
Warum opfert ein junger Mann so viel seiner Zeit für ein Ehrenamt, für das er kein Geld bekommt und Jacken, Hosen, Skiausrüstung und Stirnlampe noch selbst bezahlen muss? „Das ist das reinschte Ehrenamt, das ich kenne“, antwortet Adrian Probst und schiebt einen Satz hinterher, den viele Eltern gern von ihren Kindern hören würden: „Ich finde es schön, sich sozial zu engagieren.“ Ohne überlegen zu müssen, nennt er drei Dinge, die ihn motivieren.
Viele seiner Freunde sind bei der Bergwacht, die Kameradschaft ist ihm wichtig, Netzwerke entstehen. „Über den Tennisclub findet man auch Freunde“, sagt Adrian Probst. „Aber bei der Bergwacht auf andere Art.“ Wer sich gegenseitig absichert in luftiger Höhe, lässt sich auch sonst nicht hängen.
Adrian Probst erklärt sein Pflichtbewusstsein mit seiner „inneren Einstellung“ und der Verbundenheit mit seiner Heimat. Er muss nicht unbedingt weit weg, um zu sich zu finden oder zu sich zu kommen. Warum für viel Geld in ein tausende Kilometer entferntes Fleckchen Erde fliegen, wenn er von der Feldhütte aus die Alpen rot glühen und vom Rettungshubschrauber aus den Schwarzwald sehen kann?
Stolz auf den kleinen Ort im Schwarzwald
Vor wenigen Monaten hat er sein Studium der Forstwissenschaften in Freiburg abgeschlossen. Anfang Oktober hat er seine erste Stelle angetreten, in Obertal bei Baiersbronn beim Naturpark Nordschwarzwald. Seitdem pendelt er. Unter der Woche wohnt er in Obertal, die Wochenenden verbringt er in Menzenschwand bei der Mutter, in St. Blasien beim Vater oder im Zastlertal bei seiner Freundin. Er weiß jetzt schon, dass die Kinder, die er einmal haben will, ähnlich groß werden sollen wie er. „Jeder sucht e weng nach Identität“, sagt er zum Schluss. „Je globaler alles wird, umso stolzer ist man, aus einem kleinen Ort im Schwarzwald zu kommen.“