Schwarzwälder Höhenflüge
Wer möchte nicht mit FANS fliegen? FANS steht für Flugzeuge aus Neustadt im Schwarzwald und hätte in der Welt so bekannt sein können wie Cessna. Leider gibt es diese Firma nicht, aber es hätte sie geben können! Einer der Schwarzwälder Flugzeugpioniere jener Tage war Wilhelm Hirt. Für Höhenflüge und Medaillen sorgten seine Nachkommen dennoch – als Skihersteller und erfolgreiche Wintersportler.
Als das Deutsche Kaiserreich noch jung war, rauchten überall die Fabrikschlote. Deutschland war Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur die „Werkbank der Welt“, sondern auch deren Ideenschmiede. Der urige Schwarzwald war damals nicht etwa das Land, wo sich Fuchs und Hase guten Abend sagten, sondern ein technologisches Powerhouse. Hier wurden an langen Winterabenden an Uhren getüftelt und weitere Präzisionsarbeit gemacht. Und warum sollten Flugzeuge nur in Berlin, London oder Paris abheben? Gute Frage! Im Hochschwarzwald ist man bekanntlich dem Himmel ein Stück näher.
Auch in der Wälderstadt Neustadt gab es Leute mit Ideen. Einer von ihnen war Wilhelm Hirt, der als Wagnermeister gut im Bilde war, wie sich das Rad der Zeit schneller und schneller drehte. Die Motorisierung war auch im Hochschwarzwald angekommen. Es waren nicht mehr die Pferdekutschen, bald nicht mehr die Ochsengespanne. Die Eisenbahn war schon da, die ersten Automobile rollten über den Asphalt – warum nicht auch abheben und fliegen?
Ein talentierter Wagnermeister
Besagter Wagnermeister Wilhelm Hirt war damals aktiv daran beteiligt, ein Sportflugzeug zu bauen. Für die Flügel habe man ihn gebraucht, erzählt sein Urenkel Egon Hirt, der seinen Urgroßvater nur noch vom Hörensagen kennt. Aus jenen Tagen ist wenig übriggeblieben, der Alltag ließ keine Zeit für Familien-Souvenirs. Aus der Flugzeugfirma wurde schließlich doch nichts, denn der Erste Weltkrieg durchkreuzte den Schwarzwälder Höhenflug. Aber andere Talente wurden vom Wagnermeister gebraucht und so baute er Kutschen fürs kaiserliche Heer. Nebenbei wurden auch ein paar Ski fabriziert, man kannte sich ja aus mit Holz. Die Latten mussten ja gebogen werden und das ging mit einem Dampfkessel, wie ihn der Wagner besaß, und einem von Wilhelm Hirt eigens dafür entwickelten Verfahren.
Sein Sohn und Nachfolger Albert Hirt fertigte später Waschmaschinen und Ski. Anfangs waren es nur 20 Paar. Dass die Hirts den Bogen raushatten, war aber allen klar, denn die Nachfrage wuchs, wenn auch auf bescheidenem Niveau. Im Hochschwarzwald lebten damals längst nicht so viele Menschen wie heute und der Begriff Freizeit war nicht bekannt. Tourismus war nur für einen kleinen Kreis erschwinglich. Und: Wer traute sich auf gewachste Holzlatten, um sich in der tiefverschneiten Landschaft fortzubewegen? Es waren der Landarzt, die Hebamme, der Postler und vielleicht der eine oder andere Waldbauer, wenn er mutig war.
Tag und Nacht arbeiten
Das Tüftlertum blieb der Familie Hirt von Generation zu Generation erhalten. Tag und Nacht wurde geschafft, erzählt Egon Hirt. Die Werkstatt war immer auf der Höhe der Zeit, schon der selige Wilhelm Hirt hatte eine elektrische Bandsäge. Mehrmals wurde an- und umgebaut und in den 30er-Jahren wurde Hirt zum guten Namen für alle mit einem Faible für den Wintersport.
Der Zweite Weltkrieg endete auch für den kleinen Neustädter Betrieb im Desaster, eine Bombe räucherte Werkstatt und den kleinen Laden aus. Es folgte ein Wiederaufbau und eine Vertiefung der Fertigkeiten beim Bau von Ski. Zudem wurden neue Geschäftsfelder entwickelt: Albert Hirts Sohn Klemens eröffnete gemeinsam mit seiner Frau Margot Zacherl, einer Textilfachfrau, im Jahr 1959 das erweiterte Ski- und Sportgerätegeschäft der Familie. Im gleichen Jahr wurde auch der erste lange Sprungski gefertigt – dank einer selbstgebauten (!) Presse.
Höher, schneller, weiter
Mit „ausprobieren“ und „Erfahrungen machen“, beschreibt Egon Hirt diese einzigartige Erfolgsgeschichte der Hirt'schen Skiproduktion, die während der 1960er-Jahre immer besser lief. Jetzt waren es nicht nur das Holz, sondern mehrere Hölzer, die einen guten Ski ausmachten. Ganz dünn wurden die Latten gesägt und dann wie ein Sandwich zusammengelegt und in der Presse verleimt, sodass sie „wie aus einem Guss“ waren. So waren sie um einiges beweglicher, dynamischer und stärker als ein herkömmlicher Ski. Später wurden Metall, Kunststoffplatten und Fiberglas in den Ski eingebaut, dessen Basis immer noch aus Holz war. Alles für ein höher, schneller, weiter. Auch hier wurde die selbst konstruierte Presse gebraucht, denn es waren ja verschiedene Materialien, die dank eines Superklebers aus der Flugzeugindustrie zusammenhalten sollten wie Pech und Schwefel. Jedes neue Material brachte eine neue Herausforderung und erforderte neue Techniken. Ski Hirt war immer dabei, ganz oft vorne und auf einmal sogar ganz weit vorne.
Schanzen- und Weltrekorde
Denn Ski Hirt aus dem Hochschwarzwald eroberte in den folgenden Jahren die großen Bühnen des Skisports. Dem deutschen Skispringer Wolfgang Happle gelang 1961 ein Weltrekordflug auf 145 Meter, zudem stellt er in Oberstdorf mehrere Schanzenrekorde auf. Sein Sprungski hieß „Record“, war von Klemens Hirt mitentwickelt und produziert worden und auf seine Art genial. Der damals schon legendäre Georg Thoma aus Hinterzarten wurde 1966 Weltmeister in der Nordischen Kombination. Seine Bretter waren von? Ganz klar, von Ski Hirt. Der Allgäuer Franz Keller wurde 1968 Olympiasieger in Grenoble – unnötig zu sagen, welche vier Buchstaben zum Erfolg beflügelten. Und zwei Drittel der Olympiateilnehmer vertrauen damals auf die Marke aus Neustadt. Sogar von den großen Rivalen, den Österreichern, hörte man, dass sie lieber mit Hochschwarzwälder Brettern springen wollen. Was für ein Potenzial! Klarer Fall, das wäre eine Steilvorlage für einen medialen und monetären Höhenflug gewesen.
„Das waren andere Zeiten“, erklärt Egon Hirt, der diese Glanzzeit als Kind miterlebte. Die Erfolge der Skisportler zahlten sich für die „Schneeschuhmacher“, wie sie manchmal noch genannt wurden, nicht aus. Als die Konkurrenz dank großer Fabriken noch mehr in Serie fertigen konnte, musste Ski Hirt passen. Mehr als 2500 Paar Ski pro Jahr waren nicht zu machen, denn eine Fabrik hätte man finanziell nicht stemmen können. So wurde die Skiproduktion im Hause Hirt eingestellt. Die Familie konzentrierte sich auf andere Bereiche, sie betrieb zu jener Zeit, Anfang der 70er-Jahre, bereits ein gutgehendes Geschäft, einen Skilift und eine Skischule.
Sportler und Geschäftsmann
Während die Skiherstellung endete, begann für Egon Hirt (Jahrgang 1960) eine spannende Zeit als Skisportler. Schon 1972 wurde er Deutscher Alpiner Schülermeister und 1976 Deutscher Jugendmeister im Slalom. Er kam viel herum in der Welt. 1985 gelang ihm bei der Weltmeisterschaft in Bormio sein größter Erfolg, Platz 4 im Riesenslalom. Danach beendet seine Karriere. Natürlich hätte er weitermachen können, aber Sportgeschäft und Familie waren ihm wichtiger.
Er lernte Einzelhandelskaufmann, machte später in der Abendschule den Betriebswirt. Er übernahm das elterliche Geschäft, erweiterte, baute neu und erkannte, was neben Skifahren noch geht im Schwarzwald. Wandern? Ja, aber das war ja allseits bekannt. Egon Hirt sah den Trend, dass der Schwarzwald auch Radfahrern Sport, Spaß und Abenteuer zu bieten hat, ob nun mit dem Trekking-Bike, dem Mountainbike oder auf dem Rennrad. Er dachte noch einen Schritt weiter und brachte als erster eine Tourenkarte für Radfahrer heraus. Jetzt waren auch die Ortsfremden im Bilde und konnten im Hochschwarzwald Seen entdecken und Berge erobern.
Das Skifahren lässt Egon Hirt aber auch nach Ende seiner Sportler-Karriere nicht sein. „Wenn sich die Gelegenheit ergibt, schon!“, sagt er und die alte Leidenschaft blitzt freudig auf bei all den vielen schönen Erinnerungen. Damals in Kitzbühel, Garmisch oder Todtnau ... „So steil wie eine Skisprungschanze muss es sein, sonst wäre es ja langweilig“, erklärt er schmunzelnd die Faszination der Slalom-Abfahrt, die für ihn „so schnell wie möglich“ am schönsten ist. Wer ihn in seinem Geschäft in Neustadt trifft, kann mit ihm über Skitechnik plaudern oder sich in Sachen Räder und Touren, Laufschuhe und Strecken beraten lassen. Vielleicht fällt dann auch ein Blick auf die historischen Skier, die an einer Säule stehen. Aktuelle Modelle gibt's natürlich auch, eine Menge sogar. „Ich glaube an den Winter“, sagt Egon Hirt. Allein schon, weil die Leidenschaft für Ski in seinen Genen liegt.
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