Tolle Schatten und "Neustädter Gelb“
Einmal durch den Hochschwarzwald, von West nach Ost: Moritz hat sich auf einen Roadtrip begeben. Auf allen Sorten Skiern, im Kanu, zu Fuß. Heute: Schlechtwetter II – Künstler, der seine Heimat zwar liebt, aber gerne gelb streichen würde.
Albi Maier ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Es ist ungemütlich draußen, es nieselt – und jetzt hat sein Hund auch noch in die Einfahrt des Nachbarn gekackt. Anderen würde das die Laune versauen, Albi Maier schaut nur kurz etwas ratlos. Dann nestelt er eine Plastiktüte aus der Hosentasche, macht den Haufen weg. Und geht wieder hinein in sein Haus in Neustadt, blau um die Fester, ansonsten gelb gestrichen. Aber dazu gleich.
Der Großmeister unter allen lebenden Schwarzwaldmalern
Mit vorschnellen Urteilen ist es ja immer so eine Sache. Rentner entpuppen sich manchmal als Olympia-Sieger, Schwarzwaldtannen als Schwarzwaldfichten. Aber wenn man Albi Maier sieht, weiß man sofort: Das muss ein Künstler sein. Schwarze Jeans, voll mit Farbflecken, graue lange Harre, zum Zopf gebunden. Grauer langer Bart, dessen Aggregatzustand zwischen Hippie und Waldschrat wechselt, je nachdem, aus welchem Winkel man ihn betrachtet. Im Gesicht ein trotziger Ausdruck. „Denkt Euch doch, was ihr wollt“, scheint der zu sagen, „ich mache eh, was mir passt.“
Und in der Tat, es stimmt: Albi Maier ist Künstler, der Großmeister unter allen lebenden Schwarzwaldmalern. Damit steht er in einer großen Tradition, die Mitglieder der Gutacher Künstlerkolonie zum Beispiel kamen von weit her, um Walmdächer und Bollenhüte malen zu können. Maier hingegen ist hier geboren. So einer muss interessante Dinge über den Schwarzwald erzählen können, aus einer etwas anderen Perspektive. Also fahre ich nach dem Kuckucks-Clan noch schnell bei ihm vorbei.
Der Schlafsack Heimat
Auf dem Weg durch die Neustädter City komme ich ins Grübeln: Heimat ist etwas, das einerseits wärmt, andererseits auch ein wenig einschnüren kann. Vergleichbar vielleicht mit einem engen Schlafsack, in den man sich prima hineinkuscheln kann, der aber größere Bewegungen unmöglich macht. Menschen, die etwas Neues schaffen wollen, etwas umwälzen, kriechen deshalb oft aus dem Schlafsack Heimat heraus, rennen in die Welt hinaus und kommen höchstens ab und zu zurück, wenn es ihnen kalt um die Seele geworden ist. Denke ich.
Aber Achtung, da wäre es jetzt schon wieder, das vorschnelle Urteil. Denn Albi Maier rennt nirgendswo hin, das macht er schnell klar. Ihm gefällt es hier, im Hochschwarzwald.
Die Arme vor der Brust und unter dem mächtigen Bart verschränkt sitzt er da. Albi Maier malt Landschaften, Wetterstudien. Meistens mit Bauernhöfen, meistens mit Schnee, immer reduziert, impressionistisch. Andere Künstler reisen. Dorthin, wo die Muse zum Küssen aufgelegt ist. „Toscana? Provence? Keine Inspiration. Überhaupt nicht“, sagt hingegen Albi Maier. Neben den Landschaftsbildern schafft er auch abstrakte Farbgemälde, meistens eher düster, immer ziemlich groß. Werke, die besser in die Stadt passen würden. „Ich werde schon in Karlsruhe nervös“, sagt Maier, „das ist vielleicht ein psychischer Knacks bei mir“.
Was den Schwarzwald ausmacht? „Für mich auch das Düstere, diese gewisse Schwere.“ Oft werde er gefragt, warum seine Bilder so morbide seien. Ein tolles Licht gebe es hier durchaus, sagt Albi Maier dann, „aber eben auch tolle Schatten“. Und außerdem malt er die Natur nicht einfach ab. Albi Maier hat zwar ein Atelier im alten Fernsehturm auf dem Feldberg, dort malt er aber manchmal, ohne aus dem Fenster zu schauen. Stimmung entsteht nicht nur durch einem bestimmten Lichteinfall. Sie kommt auch von innen.
Neustadt soll gelb werden
Bevor Albi Maier von der Kunst leben konnte, machte er Kunsthandwerk, restaurierte alte Schwarzwalduhren. Und bevor er Kunsthandwerk machte, malte er Häuser an, als Anstreicher. Das würde er jetzt auch am liebsten wieder machen, aber mit einem künstlerischen Hintergrund: Neustadt soll gelb werden, findet Albi Maier. Komplett gelb, jedes Haus, jede Fassade, jede Wand. „Käme wegen der Hanglage der Stadt gut zur Geltung.“ Um durch diese Verrücktheit Gäste anzulocken, um wieder etwas aus der Stadt zu machen, die vor Jahrzehnten auf Industrie und nicht auf Tourismus setzte und seitdem ein wenig Minderwertigkeitskomplexe hat. Vor allem gegenüber Titisee, dem schönen und reichen Gemeindeteil.
Als Albi Maier seine Idee 2007 das erste Mal im Stadtrat vortrug, wurde er ausgelacht. Doch Albi Maier hörte nicht auf, davon zu reden, und jedes Mal lachten weniger Leute. Eine nahe gelegene Firma entwickelte eine 20-tönige Farbskala, „Neustädter Gelb“ genannt. Durchgesetzt hat es sich zwar noch nicht, aber irgendwann fingen die ersten an, ihre Häuser neu anzustreichen. Auch Albi Maier. Kurz, bevor ihm die gelbe Idee kam, hatte er sein Haus blau-weiß gestrichen. Das Weiß ließ sich gut übemalen.