Sabine Huckenbeck freut sich, dass sie in relativ kurzer Zeit „auch menschlich angekommen“ sind.

Vom Gast zum Gastgeber

„Wenn du mal alt bist, gehst du in den Schwarzwald. Das ist eine geile Gegend für den Lebensabend.“
04.02.2016

von Barbara Bollwahn

Die Rheinländerin Sabine Huckenbeck hat als Kind viele Ferien im Schwarzwald verbracht. Ihre Eltern sind Mitglied im Alpenverein und weil die Mutter vor ihrer Heirat in Hinterzarten gelebt und gearbeitet hat, ist die Familie mindestens zwei Mal im Jahr in den Schwarzwald gefahren. 

Der Schwarzwald... eine Art Hassliebe

Sabine Huckenbeck gefiel das Wandern und Skifahren, und doch verband sie mit dem Schwarzwald eine Art Hassliebe. Als Kind wäre sie gern auch einmal ans Meer gefahren. Aber so ab Anfang 30, sie hatte zwischenzeitlich als Tauchlehrerin gearbeitet und ihre Sehnsucht nach dem Meer gestillt, teilte sie die uneingeschränkte Liebe ihrer Eltern zum Schwarzwald.

Mindestens zwei Mal im Jahr ist Sabine mit ihrer Familie in den Schwarzwald gefahren.
Mindestens zwei Mal im Jahr ist Sabine mit ihrer Familie in den Schwarzwald gefahren. © Privat

Auch ihr Freund, Benedikt Decker, ebenfalls eine rheinische Frohnatur, hat eine ähnlich lange Beziehung zum Schwarzwald. Nach der Trennung der Eltern war der Vater in die Nähe von Schopfheim gezogen und er besuchte ihn oft. „Ich habe mich immer sauwohl dort gefühlt“, erzählt er. Er erinnert sich noch gut an den Geruch nach frisch gemähten Wiesen, wie er durch die Gegend gestromert ist, den Bauern beim Stallausmisten und Holz machen geholfen hat. Auch als er als Lichtdesigner auf Messen in ganz Deutschland unterwegs war, fuhr er, wenn nicht jedes Jahr, so doch jedes zweite Jahr in den Schwarzwald. Und so mit Mitte 30 dann dachte er: 

“Wenn du mal alt bist, gehst du in den Schwarzwald. Das ist eine geile Gegend für den Lebensabend.“
(Benedikt Decker)
Benedikt Decker hat eine lange Beziehung zum Schwarzwald.
Benedikt Decker hat eine lange Beziehung zum Schwarzwald. © Privat

„Und dann nahm das Ding seinen Lauf“

Vom Lebensabend ist sowohl Benedikt Decker, 45, als auch seine Freundin Sabine Huckenbeck, 49, noch weit entfernt. Und doch sind sie jetzt schon in den Schwarzwald gezogen. Sie haben ihre Jobs als Projektmanagerin und Lichtdesigner hinter sich gelassen und sind von der 450 Kilometer entfernten Domstadt in den Schwarzwald gezogen. Am 1. Januar 2014 haben sie als Herbergseltern und Verwalter das Berghäusle übernommen, eine Ski- und Wanderhütte wenige Kilometer vom Titisee entfernt, die der Ortsgruppe Freiburg des Schwarzwaldvereins gehört. Sabine Huckenbeck war zur Eröffnung „unter Strom“ und ihr Freund „mächtig angespannt“. Doch das Wetter war gut und es war gleich ordentlich was los.

Von Anfang an haben sie die Arbeit klar aufgeteilt: Sabine Huckenbeck ist für die zehn Schlafräume mit den 45 Schlafplätzen zuständig, für die Reservierungen und die Buchhaltung und sie steht auch an der Theke am Zapfhahn. Benedikt Decker kümmert sich um die Einkäufe, das Essen und Reparatur- und Hausmeisterarbeiten. Die Beiden sind seit über sechs Jahren ein Paar. Doch im Schwarzwald wohnen sie das erste Mal zusammen. Im Berghäusle müssen sie sich mit gerade einmal 25 Quadratmetern begnügen, so klein ist die Pächterwohnung unterm Dach. Weil sie aber das gesamte Haus als das ihre betrachten und ohnehin viel Zeit mit den Gästen verbringen, funktioniert auch das gut.

Die Rheinländerin Sabine Huckenbeck hat als Kind viele Ferien im Schwarzwald verbracht.
Die Rheinländerin Sabine Huckenbeck hat als Kind viele Ferien im Schwarzwald verbracht. © Privat

Sabine Huckenbeck kennt das Haus seit ihrer Kindheit, als sie mit ihren Eltern dort eingekehrt ist. Es waren auch ihre Eltern, die den Anstoß dazu gaben, dass sie schließlich in den Schwarzwald zog. Nachdem Mutter und Vater wieder einmal in Hinterzarten Urlaub gemacht und für ihren 50. Ferienaufenthalt einen Präsentkorb von der Tourist-Information bekommen hatten, halfen die Tochter und ihr Freund, die Schwarzwaldspezialitäten im Rheinland zu verspeisen. Dabei erzählten die Eltern, dass neue Pächter für das Berghäusle gesucht werden. „Da machte es Klick“, erzählt Sabine Huckenbeck. Das war im August 2013. Zwei Monate später kündigte sie ihren Job im Projektmanagement einer großen Automesse. „Und dann nahm das Ding seinen Lauf.“ Ihr Freund arbeitete selbständig und musste nirgendwo kündigen.

Im ersten Jahr als Herbergseltern hatten sie 1.700 Übernachtungen, womit sie sehr zufrieden sind. Sie haben die Internetpräsenz verstärkt, einen rheinischen Stammtisch ins Leben gerufen, im Winter wird am Stammtisch Cego gespielt, das typisch Schwarzwälder Kartenspiel. Benedikt Decker stört es nicht, dass er die Regeln nicht beherrscht. „Ich sitze unheimlich gerne bei den Spielern und höre denen zu“, sagt er. Haben er und seine Freundin sich im ersten Jahr gelegentlich gefragt, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, in den Schwarzwald zu gehen, ziehen sie mittlerweile eine positive Bilanz. „Wir können davon leben“, sagt Sabine Huckenbeck zufrieden, auch wenn die Arbeitstage oft 12, 13 Stunden lang sind.

Das "Berghäusle" – eine Ski- und Wanderhütte wenige Kilometer vom Titisee entfernt.
Das "Berghäusle" – eine Ski- und Wanderhütte wenige Kilometer vom Titisee entfernt. © Barbara Bollwahn

Eingefügt und Angekommen

Gleich am Anfang hat sich das Paar bei den Nachbarn vorgestellt, die nächsten wohnen etwa 100 Meter entfernt auf ihren Bauernhöfen. Und weil im Schwarzwald die Mitgliedschaft in einem Verein zum sozialen Leben dazu gehört, fährt Sabine Huckenbeck Fahrrad mit dem Skiclub und hat sich einem Helferkreis für Flüchtlinge angeschlossen, ihr Freund trat dem Kegelverein bei. „Man muss sich einfügen in die Umgebung“, sagt Benedikt Decker. „Wir sind auf die anderen angewiesen“, weiß Sabine Huckenbeck. Wie wichtig das ist, haben sie gemerkt, als sie im Herbst 2015 auf dem Trockenen saßen, nachdem es monatelang nicht geregnet hatte und die Quelle am Berghäusle ausgetrocknet war. Sie haben zwei 1.000 Liter-Tanks besorgt und mithilfe eines Nachbarn und dessen Traktor und Hänger haben sie bei einem anderen Bauern Wasser geholt, das er ihnen kostenlos gibt.

Sabine und Benedikt sind seit über sechs Jahren ein Paar.
Sabine und Benedikt sind seit über sechs Jahren ein Paar. © Barbara Bollwahn

Mittlerweile haben sich die Kölner eine Katze zugelegt, Ralli, und zwei Kaninchen, Walli und Wilfried. Bald soll auch noch ein Hund dazu kommen, ein französischer Hütehund ist bei einem Züchter im Elsass schon bestellt. Sabine Huckenbeck freut sich, dass sie in relativ kurzer Zeit „auch menschlich angekommen“ sind und sie „ein bisschen langsamer“ geworden ist, nicht mehr so gestresst wie vorher. „Astrein“ findet Benedikt Decker besonders die langen Winter. „Die sind gut für die Seele." Bei seiner allerersten Einkaufstour, als er durch den Wald fuhr und eine umwerfende Aussicht genoss, fragte er sich, wie lange diese Begeisterung anhalten würde. „Es ist noch immer so“, sagt er zufrieden. Und Sabine Huckenbeck kann sich, genau wie er, sehr gut vorstellen, im hohen Alter noch immer im Berghäusle zu leben. Der Schwarzwald ist nicht ihre Heimat, aber er ist ihr Zuhause geworden.