Der Ebenemooshof ist seit fast 500 Jahren in Besitz der Familie Tritschler.

Von Mexikanern und Mutterkühen

Der Ebenemooshof ist seit fast 500 Jahren in Besitz der Familie Tritschler
05.09.2019

von Daniela Frahm

Als würde er zur Landschaft gehören, schmiegt sich der Ebenemooshof an die sanften Hänge oberhalb von Schwärzenbach. Im Jahr 1435 erbaut, wurde er seit 1525 stets von Mitgliedern der Familie Tritschler bewirtschaftet. Im Lauf der Jahrhunderte verschlug es viele Nachkommen in ferne Länder. Doch durch den vor einigen Jahren gegründeten Familienverband wird die Verbindung zum Hochschwarzwald aufrechterhalten.

Aus einem Speicher holt Martin Tritschler eine Baumscheibe hervor, mit der er einen Teil der Geschichte des Ebenemooshofs veranschaulicht. Etwa 180 Jahre alt war die Fichte, als sie im Jahr 2012 gefällt wurde. An ihre Jahresringe hat er Fäden gespannt, verbunden mit Bildern der Bauern, die zu jener Zeit den Hof bewirtschaftet haben. Begonnen hat er beim Jahr 1814. Einer der äußersten Ringe ist nun mit seinem eigenen Foto verbunden. 1995 hat er den Hof von seinem Vater übernommen und damit eine Familientradition fortgesetzt, die schon viel älter ist als die 180-jährige Fichte.

1437 wurde der Ebenemooshof in Schwärzenbach, dem höchstgelegenen Ortsteil von Titisee-Neustadt, erstmals urkundlich als klostereigener Hof erwähnt. Während der zurückliegenden fünf Jahrhunderte haben immer Tritschlers dort gelebt und gearbeitet. Dass die Geschichte des Hofs und der Familie inzwischen sogar wissenschaftlich aufgearbeitet wird, ist Edgar Hermann Tritschler zu verdanken. Der mittlerweile pensionierte Wirtschaftswissenschaftler kam in den 1970er-Jahren erstmals nach Schwärzenbach und erforscht seit über 30 Jahren die Familien- und Regionalgeschichte. Er hat ein Buch darüber veröffentlicht und seine gesammelten Informationen digitalisiert. Ein direkter Verwandter der jetzigen Hofbauern-Familie ist er allerdings nicht. „Vermutlich sind wir über irgendwelche Ecken schon verwandt“, sagt Martin Tritschler, „weil sämtliche Tritschlers auf der Welt irgendeinen Bezug zu unserem Hof haben.“

Ein markantes Walmdach prägt seit jeher den traditionellen Eindachhof, zu dem auch eine Kapelle gehört.
Ein markantes Walmdach prägt seit jeher den traditionellen Eindachhof, zu dem auch eine Kapelle gehört. © Daniela Frahm

Familienverband als Verein gegründet

Edgar Hermann Tritschler war jedenfalls begeistert, wie viele Dokumente noch vorhanden waren und er von der Familie zur Verfügung gestellt bekam. Um seine Ahnenforschung zu intensivieren und zu professionalisieren, wurde 1999 auf dem Ebenemooshof der Familienverband Tritschler als eingetragener Verein gegründet. Regelmäßig gibt es große Familientreffen. Zu diesen „Mitgliederversammlungen“, die alle zwei Jahre an wechselnden Orten stattfinden, kommen mitunter auch Gäste aus dem Ausland. Denn Tritschlers und ihre Nachfahren gibt es überall auf der Welt.

Einige der früheren Familienmitglieder waren mehr oder weniger zum Auswandern gezwungen. Da der Hof auf 1100 Metern Höhe liegt, war und ist der Ackerbau nicht rentabel und die Landwirtschaft bot kein ausreichendes Auskommen für eine Großfamilie. Im Erbrecht war früher festgeschrieben, dass der jüngste Sohn den gesamten Hof bekommen sollte. Die älteren Geschwister konnten entweder als Knechte oder Mägde dort arbeiten oder den Hof verlassen. Einige suchten sich Arbeit in anderen Wirtschaftszweigen, etwa als Glasträger oder als Uhrenhändler, und zogen in die unterschiedlichsten Länder.

Thadeus Tritschler war „der Mexikaner“

Einer von ihnen – der wie der heutige Hofbauer Martin Tritschler hieß – verließ den Ebenemooshof 1833 als Uhrenträger und landete schließlich in der Stadt Puebla in Mexiko, heiratete dort und blieb bis zu seinem Tod. Sein Bruder Thadeus, der ihm gefolgt war, kehrte hingegen in den Hochschwarzwald zurück und wurde hier anschließend scherzhaft „der Mexikaner“ genannt. Nicht ganz so weit fort verschlug es zuvor Michael Tritschler. Er gehörte zu einer Gemeinschaft von Glasträgern, die ihre Waren aus dem Schwarzwald zu Fuß nach Stuttgart trugen, um sie auf Märkten zu verkaufen. 1723 ließ er sich fest dort nieder und gründete am Stuttgarter Marktplatz ein Geschäft – das es heute noch als Haushaltswarengeschäft „Tritschler“ gibt.

Für den aktuellen Hofbauern Martin Tritschler war schnell klar, dass er den Hof übernehmen würde. Nicht nur, weil er der einzige Sohn war. Seine vier Schwestern haben andere Berufe erlernt, leben aber alle weiterhin im Schwarzwald und packen ab und zu noch mit an. „Die Heu- und Kartoffelernte werden manchmal zu Familienevents, bei denen dann auch unsere Kinder und unsere Neffen und Nichten mithelfen“, erzählt Karin Tritschler, die mit Martin Tritschler seit 1992 verheiratet ist. Sie kommt ebenfalls aus Schwärzenbach, auch ihre Eltern stammen von Schwarzwaldhöfen.

Martin Tritschler ging zunächst auf dem Hof seines Vaters in die Lehre, besuchte danach die landwirtschaftliche Fachschule, dann die Meisterschule und machte den Jagdschein. „Das Jagen gehört dazu und ist mehr als ein Hobby“, erklärt er. Als sein Vater im Alter von 65 Jahren mit einem Schlepper tödlich verunglückte, war Martin Tritschler plötzlich allein für den Hof verantwortlich. Bereits zuvor hatte er seinen Vater davon überzeugt, aus arbeitswirtschaftlichen Gründen von Milchviehhaltung auf Mutterkuhhaltung zur Rindfleischerzeugung umzustellen. Seit 1997 ist er Mitglied der Erzeugergemeinschaft Bio-Weiderind.

Zwei Standbeine: Das Ehepaar Karin und Martin Tritschler betreibt Forstwirtschaft mit eigener Sägerei und hält Mutterkühe für die Rindfleischerzeugung.
Zwei Standbeine: Das Ehepaar Karin und Martin Tritschler betreibt Forstwirtschaft mit eigener Sägerei und hält Mutterkühe für die Rindfleischerzeugung. © Familie Tritschler

„Holz wird ökologisch produziert und ist nachhaltig“

Im Vordergrund steht für ihn jedoch die Forstwirtschaft. Fast täglich ist er im Wald, außerdem besitzt er ein eigenes Sägewerk, ist Mitglied im Waldbesitzerverband und Vize-Präsident der Forstkammer. Für diese politische Arbeit muss er häufig nach Stuttgart, „da sieht mal ein bisschen über den eigenen Betrieb hinaus“. Der Wald habe nicht nur Erholungsfunktion für Spaziergänger und Langläufer, erklärt er, er habe auch Besitzer und müsse gepflegt und bewirtschaftet werden. „Es ist toll, dass wieder viel mit Holz gebaut wird, weil es ökologisch produziert wird und nachhaltig ist“, sagt Tritschler. Ein bisschen schade findet er, dass er nicht mehr alle Ergebnisse seiner Aufforstungsarbeiten sehen wird, hofft aber auf seine Nachfahren.

„Es ist ein Traumberuf für mich, er füllt mich aus und ist eine Lebensaufgabe, die mir Spaß macht“, sagt der Land- und Forstwirt. „Wenn eines unserer Kinder weitermacht, wäre das natürlich schön.“ Eine Tochter und zwei Söhne im Alter zwischen 22 und 25 Jahren haben die Tritschlers. „Sie sind sehr heimatverbunden, zeigen Interesse am Hof, helfen schon seit ihrer Schulzeit mit und geben einen Teil ihrer Freizeit dafür her“, ergänzt Karin Tritschler. Wohin die Wege ihrer Kinder einmal führen werden, ist aber noch offen.

Karin und Martin Tritschler
Karin und Martin Tritschler © Daniela Frahm

Ferienwohnung mit familiärer Anbindung

Auch wenn der Hof weiterhin mit seinem markanten Walmdach als traditioneller Eindachhof besteht, hat sich im Laufe der Jahre doch einiges verändert. Hof und Stall wurden mehrfach saniert und umgebaut, um den neuen Ansprüchen an die landwirtschaftliche Arbeit gerecht zu werden. In den 1970er-Jahren kam auch eine Ferienwohnung hinzu. Um die Gäste kümmert sich hauptsächlich Karin Tritschler, die zudem in Teilzeit als Krankenschwester in Neustadt arbeitet. „Manchmal waren Familien aus dem Ruhrpott für drei Wochen hier. Da haben sich Freundschaften entwickelt, auch unter den Kindern“, erzählt sie.

Nach einem langen Arbeitstag im Wald und auf dem Feld freut sich Martin Tritschler, wenn die Familie am großen Küchentisch zusammenkommt. Der ist weiterhin Dreh- und Angelpunkt des Hofes, „auch wenn es nicht mehr so voll ist und nicht mehr alle zu jeder Mahlzeit da sind“. Ein weiterer beliebter Sitzplatz ist, wie in allen Schwarzwaldhöfen, besonders im Winter der Kachelofen in der Wohnstube. In den 70er-Jahren wollte der Ofenbauer eigentlich einen cremefarbenen einbauen, wie es damals modern war. „Aber mein Vater hat sich – Gott sei Dank – doch für das traditionelle Grün entschieden“, sagt Martin Tritschler lachend.

Kuehe_Ebenemooshof © Karin Tritschler
© Karin Tritschler

Höhenlage mit Blick auf den Feldberg

Er und seine Familie schätzen das Landleben. Mit bäuerlicher Idylle, wie sie sich Besucher aus der Stadt oft ausmalen, hat es allerdings nicht viel zu tun, erklärt der Hofbauer. „Wir stellen eine immer größere Entfremdung von der Landwirtschaft fest, das war bei unseren Eltern noch nicht so.“ Dennoch überwiegen für Familie Tritschler die schönen Seiten, und dazu gehört nicht zuletzt die Lage zwischen weiten Feldern auf der Hochebene in Schwärzenbach, die im Winter von glitzernden Schneemassen bedeckt sind.

Am besten bezeugt das eine Geschichte von Martin Tritschlers Großonkel Johann, der noch als 70-Jähriger auf dem Feld mitgearbeitet hat. Eines Tages kam ein Tourist am Ebenemooshof vorbei und fragte den alten Mann, welchen Berg man dort am Horizont sehe. „Das ist der Feldberg“, antwortete der Großonkel. Der Wanderer wollte wissen, wann er das letzte Mal dort gewesen sei. „Das ist lange her“, entgegnete Johann Tritschler lächelnd, „aber ich sehe und freue mich doch jeden Tag an ihm.“ Dieses Privileg genießen auch die heutigen Hofbewohner – und bei guter Fernsicht reicht der Blick sogar bis zu den Alpen.

Wintersonne tanken

Die fantastische Fernsicht von der Schwärzenbacher Hochebene, die vor allem an klaren Wintertagen bis zur Alpenkette reicht, lässt sich am besten bei einer gemütlichen Winterwanderung, einer Schneeschuhtour oder einer Runde Langlauf genießen. Ausgangspunkt ist das Loipenhäusle, nur einen Steinwurf vom Ebenemooshof entfernt.