In den Feldern rund um Löffingen sammelt Michael Meßmer die Kräuter für seine Gerichte

"Wildkräuter sind das Superfood, welches unser Immunsystem jetzt braucht."

Wie kommen die Hochschwarzwälder Gastbetriebe durch die Corona-Zeit?
01.01.1970

Von Mitte März bis Mitte Mai war in Deutschland der Betrieb von Gaststätten, Urlaubsunterkünften und Freizeiteinrichtungen aufgrund der Corona-Pandemie untersagt. Auch im November steht wieder alles still. In einer kleinen Serie erzählen Gastgeber und Betreiber von touristischen Einrichtungen aus dem Hochschwarzwald, wie sie mit dieser schwierigen Situation umgehen. Wir haben den Gastronomen und Hotelier Michael Meßmer vom Gasthof Linde in Löffingen interviewt.

Vieles ruht zurzeit – wie sieht in Zeiten von Corona momentan Ihre Arbeit aus?

Meßmer: Am Anfang waren wir natürlich geschockt, aber schnell haben wir wieder nach vorne geschaut, die Zeit genutzt und einen Gemüsegarten mit sechs großen Beeten und einer Kräuterspirale gebaut. Wir hatten also in den letzten Wochen immer Arbeit. Ich habe neue vegetarische Wildkräuter-Rezepte ausprobiert und diese über unsere Social-Media Kanäle geteilt. Vor allem über TikTok konnten wir so bis zu 57.000 Videoaufrufe erreichen. Jedoch sollte es auch für unser Restaurant weitergehen und so bieten wir seit dem 1. April einen Abholservice für unsere Speisen mit wechselnden Tagesgerichten an. 

Gibt es positive Aspekte, die Sie persönlich momentan erfahren oder wahrnehmen?

Meßmer: Wir sind überwältigt von den vielen positiven Rückmeldungen, die wir bekommen! Schon am ersten Sonntag wurden 80 Essen vorbestellt und abgeholt, über Ostern waren es 200. Viele Gäste schreiben uns, wie dankbar sie sind, dass wir diesen Service anbieten und wie gerne sie uns unterstützen möchten, damit unser Restaurant erhalten bleibt. Das ist wirklich unglaublich toll! 

Die Wildkräuter werden zu feinen vegetarischen Gerichten verarbeitet
Die Wildkräuter werden zu feinen vegetarischen Gerichten verarbeitet © Gasthof Linde

Auf Ihrem Rezept-Blog „bleibtgesund.com“ finden sich spannende Rezepte mit heimischen Wildkräutern. Wieso arbeiten Sie so gerne mit Wildkräutern und warum haben Sie sich gerade in Zeiten von Corona entschieden, diesen Blog zu starten?

Meßmer: Wir haben den Blog bleibtgesund.com im März gestartet, weil wir uns gefragt haben, wie wir am Besten zu den Gästen kommen können, wenn diese nicht zu uns dürfen. Der Gedanke für das Thema war: Wie schütze ich mich vor Corona? Das bedeutet, ich muss mein Immunsystem stärken. Schon seit einigen Jahren beschäftige ich mich intensiv mit heimischem Superfood. Jeden Morgen gehe ich für 1-2 Stunden raus und sammle auf den Löffinger Wiesen mit Bedacht Kräuter, die gerade Saison haben. Brennnesseln zum Beispiel, haben mehr Vitamin C als Zitronen und einen Eisengehalt, ähnlich wie der unseres Blutes. Auch Huflattich, Bärlauch und Lungenkraut sind typische Frühlingskräuter, die ich zurzeit verwende. Hinter jedem Kraut stecken überraschende Geschmäcker. So erinnert die Knospe der Eberesche beim Verzehr sehr an Mandeln. Zuerst habe ich die Wildkräuter-Gerichte aus dem Blog für die Familie zubereitet. Jedoch bin ich es nicht gewohnt in kleinen Mengen zu kochen und es war immer etwas übrig. So dachten wir uns, dass auch die Allgemeinheit in den Genuss meiner neuen Ideen kommen sollte. Wenn ich dazu noch eine Message mit der Bleibtgesund-Küche mitgeben kann, dann ist das umso besser.

Die Wildkräuter-Küche ist ein Steckenpferd von mir. 
(Michael Meßmer)

Ihr Gasthaus gibt es schon seit fast 200 Jahren, es hat sicher schon viele turbulente Zeiten überstanden. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die Corona-Krise und die Zeit danach?

Meßmer: Die Linde hat zwei Weltkriege überstanden, die übersteht auch die Corona-Krise. Wir denken einfach positiv! In der Vergangenheit haben uns Hektik, Stress, das immer mehr machen wollen und müssen begleitet. Corona lehrt uns „Zurück zu den Wurzeln“. Wir lernen in der Krise die Einfachheit und schätzen die Langsamkeit. Das fängt schon bei meinen Gerichten an. Mit Brennnesseln zu kochen, das hat man früher schon gemacht, aber es ist nun mal aufwändig und braucht seine Zeit in der Zubereitung. In diesen Tagen kann man sich die Zeit wieder nehmen, um etwas gesundes auf den Tisch zu bringen. Auch beim Fleischkonsum ist es meiner Meinung nach so. Ein Tier, was zum Verzehr getötet wird, muss geschätzt werden. Fleisch darf nicht das billigste Nahrungsmittel auf unserem Speiseplan sein. Ich bin zuversichtlich, dass uns das Corona-Virus in dieser Hinsicht besinnt. Wir schauen positiv in die Zukunft – und das ist eigentlich schon von Anfang an, der Fall gewesen. 

Das Traditionsgasthaus ist seit fast 200 Jahren im Familienbesitz
Das Traditionsgasthaus ist seit fast 200 Jahren im Familienbesitz © Gasthof Linde

Info

Der Gasthof Linde im Zentrum von Löffingen ist seit 1823 im Familienbesitz und wird heute in der sechsten Generation von Michael und Christina Meßmer geführt. Die Wildkräuter-Rezepte von Michael Meßmer für ein gestärktes Immunsystem sind unter bleibtgesund.com zu finden.