Regelmäßig macht Claus Giller Führungen durch einen Wald, in dem totes Holz und morsche Baumstämme kein Ärgernis sind, sondern gewollt.

Unterwegs im Bannwald

Dieser Wald soll sich ungestört zum Urwald von morgen entwickeln.
22.07.2021

von Barbara Bollwahn

Claus Giller hat noch nie eine Führung wegen schlechtem Wetter abbrechen müssen. Auch bei Regen, Kälte oder Hitze ist der Förster oft und gerne im Wald. Nur bei Sturm beugt er sich der Natur. Weht der Wind mit mehr als 70 km pro Stunde, kann totes Holz abbrechen und morsche Baumstämme umknicken wie Streichhölzer.

Regelmäßig macht Claus Giller vom Forstbezirk Ost Führungen durch einen Wald, in dem totes Holz und morsche Baumstämme kein Ärgernis sind, sondern ausdrücklich gewollt. Stellen sie in einem normalen Wald eine Gefahr dar, gehören sie zu einem Bannwald wie die Kirsche auf die gleichnamige Schwarzwälder Torte.

Mit 428 Hektar ist der Schwarzawald der größte Bannwald im Schwarzwald und der zweitgrößte in Baden-Württemberg.
Mit 428 Hektar ist der Schwarzawald der größte Bannwald im Schwarzwald und der zweitgrößte in Baden-Württemberg. © Barbara Bollwahn

Wandern und Schauen erlaubt

„Dieser Wald soll sich ungestört zum Urwald von morgen entwickeln“, steht auf einem Schild der Forstverwaltung über den Bannwald Schwarzahalden, der sich auf dem Gebiet der Gemeinden Höchenschwand und Ühlingen-Birkendorf und auf beiden Seiten des Schwarzatales in einer Höhe zwischen 620 und 960 Metern erstreckt. Es wird darauf hingewiesen dass die Gefahr herabfallender Äste und umstürzender Bäume besonders groß ist.

Das Einzige, was im Bannwald nicht sich selbst überlassen wird, sind die Wege, auf denen man ihn durchstreifen kann und die entsprechend gesichert werden. Ansonsten gilt, nichts aus dem Wald mitzunehmen und nichts hineinzubringen. Einzige Ausnahme sind die Jäger, die im Bannwald jagen dürfen. Das Schönste aber ist, dass Wandern und Schauen nicht nur erlaubt, sondern auch unter fachkundiger Begleitung wie der von Förster Giller möglich ist.

Auch bei Regen, Kälte oder Hitze ist der Förster oft und gerne im Wald.
Auch bei Regen, Kälte oder Hitze ist der Förster oft und gerne im Wald. © Barbara Bollwahn

Dort, wo der Bannwald beginnt, ist er mit gelben Steinen auf dem Boden markiert, und Förster Giller weist die Wanderer, Urlauber und auch Schwarzwälder, darauf hin, dass Totholz ganz und gar keine tote Angelegenheit ist, wegen der vielen Insekten, der „Totholzbewohner“, die sie bevölkern.

“Die Natur macht es, wie sie es für nützlich hält“,
(Förster Giller)

erklärt er den Charakter eines Bannwaldes. Befürchtungen von Waldbesitzern, dass sich Insekten auf angrenzende Wirtschaftswälder ausdehnen könnten, nennt er unnötig, weil Schädlinge wie der Borkenkäfer und der Kupferstecher ausschließlich in Fichten nisten. Da es sich bei der Schwarzahalden aber um einen Bergmischwald handelt, sei es äußerst unwahrscheinlich, dass die Plage auf angrenzende Bestände übergreift.

Felsen, Blumen, Baumleichen

Die Schwarzahalden sind ein weitgehend natürliches, tief eingeschnittenes Waldtal im Mittellauf der Schwarza. Mit 428 Hektar ist er der größte Bannwald im Schwarzwald und der zweitgrößte in Baden-Württemberg. 1970, im Europäischen Naturschutzjahr, wurde er mit 147 Hektar ausgewiesen, in den 90er Jahren auf 276 Hektar erweitert und dann noch einmal um weitere 151 Hektar auf jetzt über 400 Hektar vergrößert. In Baden-Württemberg gibt es insgesamt 127 Bannwälder mit einer Gesamtfläche von mehr als 9.000 Hektar.

Als Claus Giller die Gruppe auf den Rappenfelsenweg führt, gehen die meisten vorsichtig voran oder bleiben stehen. Zum einen ist der Weg in dem steilen Felsengelände schmal, zum anderen gibt es viel zu sehen. Kleine gelbe Blümchen auf einer wunderschönen Wiese, Felsbrocken in unterschiedlichster Größe, jede Menge Baumleichen und bizarre Baumgestalten, eine steile Schutthalde, auf der die Steine ständig in Bewegung sind und deshalb keine Vegetation Wurzeln fassen kann. Nur Gemsen, die unterhalb der Halde leben, sind an diesem nachmittag nicht zu sehen, dafür kann man bis zu den Alpen blicken.

Als Claus Giller die Gruppe auf den Rappenfelsenweg führt, gehen die meisten vorsichtig voran oder bleiben stehen.
Als Claus Giller die Gruppe auf den Rappenfelsenweg führt, gehen die meisten vorsichtig voran oder bleiben stehen. © Barbara Bollwahn

Claus Giller weist mit seinem Stock auf eine Fichte, die auf einer alten Tanne wächst. „Das ist die Keimzelle für den künftigen Wald.“ Und: „Das ganze Ding isch immer in Bewegung.“ Vor einer Tanne, die seit zehn Jahren einen halben Meter über dem schmalen Weg liegt, bleibt er stehen. „Das Holz ist weich und bröselig. Sobald er auf dem Boden liegt, verfault er schneller.“

Noch kein Auerwild - kommt aber!

Auch zu den Tieren im Bannwald weiß Giller viel zu erzählen. Seltene Vogelarten gibt es, wie den Dreizehenspecht, der etwas kleiner ist als der Buntspecht und sich hauptsächlich von Käferlarven ernährt, oder den Rauhfußkauz, eine steinkauzgroße Eule, deren Gesang bis zwei Kilometer weit zu hören ist, und die giftige Aspisviper, die neben der Kreuzotter die zweite in Deutschland vorkommende Giftschlangenart ist. Die Zahl der Wildschweine, erzählt er weiter, habe durch milde Winter so stark zugenommen, „dass man das mit der Jagd allein nicht in den Griff kriegt“. Auerwild aber, muss er einen Wanderer enttäuschen, gibt es hier nicht. „Auerwild braucht Kiefern, Heidelbeeren, Freiflächen und keinerlei Störung.“ Er nennt den Bannwald aber ein „Erwartungsgebiet“, was das Auerwild angeht.

Die Schwarzahalden sind ein weitgehend natürliches, tief eingeschnittenes Waldtal im Mittellauf der Schwarza.
Die Schwarzahalden sind ein weitgehend natürliches, tief eingeschnittenes Waldtal im Mittellauf der Schwarza. © Barbara Bollwahn

Nach gut drei Stunden ist die Wanderung durch den Bannwald zu Ende. Weil kein toter Ast herunter gefallen und kein morscher Baum umgestürzt ist, verabschieden sich alle ohne Schrammen oder Beulen. Dafür nehmen sie jede Menge Eindrücke und Wissen über den Wald von morgen mit nach Hause.