Von Hinter- und Vorderwäldern
Die Schwarzwälder, das sind doch Hinterwäldler! Was nach Spott und Hochmut ignoranter Städter klingt, trifft tatsächlich zu. Aber nicht auf die Menschen im Schwarzwald, sondern auf die im Südschwarzwald verbreitete Rasse der Hinterwälder Rinder. Sie gehören neben den Vorderwälder Rindern zu den zwei lokalen Rinderrassen der Region.
Die Schwarzwälder, die ohnehin nicht zu viele Worte machen, nennen sie kurzerhand Hinterwälder und Vorderwälder. Das Zuchtgebiet liegt in Baden-Württemberg im südlichen Schwarzwald.
Kühe, wie für den Schwarzwald gemacht!
Die Vorder- und Hinterwälder haben sich im Laufe der Zeit den Gegebenheiten im Hochschwarzwald angepasst. Aus dem 1829 erstmals erwähnten „Wäldervieh“ entwickelte sich die eigenständige Rasse des größeren Vorderwälder Rindes und des kleineren Hinterwälder Rindes. Beide wurden und werden als sogenanntes Zweinutzungsrind für die Fleisch- und Milchgewinnung gehalten.
Das Vorderwälder Rind gilt als besonders vital und langlebig. Mit bis zu 145 Zentimetern Schulterhöhe ist es etwas größer und hat ein weiteres Verbreitungsgebiet als das Hinterwälder Rind. Nach Angaben des Vereins „Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen“ gab es im Jahr 2012 in den mittleren und tieferen Lagen des Schwarzwaldes 1.443 Mutterkühe und 6.295 Milchkühe in mehr als 500 Betrieben. Die Vorderwälder gelten als „futterdankbar“ und sind „von regelmäßiger Fruchtbarkeit“.
Die Hinterwälder sind zwar weniger leistungsstark, aber dafür gelten die Kühe als die langlebigsten in Deutschland. Sie sind mit einer Schulterhöhe zwischen 115 und 125 Zentimetern das kleinste Rind Mitteleuropas, das ursprünglich nur im kargen Hochschwarzwald vor kam. Aufgrund seiner hohen Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit, der Trittsicherheit und Steigfähigkeit eignen sich die Hinterwälder besonders für extensive steile Hänge. Zu finden sind sie in einem relativ eng begrenzten Gebiet im südlichen Schwarzwald, zwischen Feldberg und Belchen. Nach Angaben der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen gibt es derzeit 1.694 Mutterkühe und 527 Milchkühe in fast 280 bäuerlichen Betrieben.
Beide stehen auf der roten Liste
Das Hinterwälder Rind ist ein wichtiger Helfer bei der sogenannten Offenhaltung der Landschaft im Südschwarzwald mit seinem harten Klima und schwierigen Gelände und die Landschaft wurde von ihm geprägt. Ohne die Hinterwälder gebe es die berühmten Weidbuchen nicht. Weidbuchen sind eine Besonderheit in der Kulturlandschaft des Südschwarzwaldes und gehören zu den faszinierendsten Bäumen Mitteleuropas. Eigentlich sind es ganz gewöhnliche Buchen, aber ihr Leben auf der Weide verläuft völlig anders als im Wald.
Der Verbiss durch das Vieh zwingt sie zu einem eigenartigen Wachstum, das die Buchen zu beeindruckend knorrigen und ausladenden Exemplaren werden lässt. Fachleute haben mit Unterstützung des Naturparks Südschwarzwald den Bestand der Weidbuchen erfasst: 1.600 Stellen wurden gefunden, mit kleinen „Kuhbüschen“, Jungbäumen und uralten Bäumen. Weil immer weniger Weiden offen gehalten werden, sind diese Bäume in ihrem Bestand gefährdet.
Damit teilen sie das Schicksal der Vorder- und Hinterwälder. Beide Rassen stehen auf der „Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen“ in Deutschland. Die Hinterwälder gelten als gefährdet. Als gefährdet wird eine Rasse bezeichnet, wenn die Population unter einer Mindestbestandszahl liegt und sich über einen Zeitraum von zwei Jahren durchschnittlich um mindestens zehn Prozent verringert. Um die Hinterwälder zu erhalten, zahlt das Land Baden-Württemberg Haltungsprämien. Die Vorderwälder, die einem auf Schritt und Tritt im Schwarzwald begegnen, sind „zur Bestandsbeobachtung“ eingestuft.
Es gibt tatsächlich Kuhfriseure!
Eine ganz besondere Art der Beobachtung können Urlauber im Hochschwarzwald machen, wenn sie sich die Kühe einmal ganz genau anschauen. Dann wird ihnen auffallen, dass sie nicht nur einfach Haare auf dem Kopf haben, sondern richtige „Frisuren“. Wie beim Menschen finden sich die unterschiedlichsten Haartrachten: glatt, zerstrubbelt oder ganz akkurat, Mittel-und Seitenscheitel, Ponyfrisuren oder zu Locken und Löckchen gelegte Haare. Und ob man es glaubt oder nicht, es gibt tatsächlich Kuhfriseure. Die rücken jedoch nicht regelmäßig auf der Weide oder im Stall mit Schermaschinen, 2.000 Watt-Föhnen und Gel an, sondern wenn Kühe für eine Leistungsschau in Form gebracht werden sollen.