Wanderung zur Elz- und Donauquelle
Bei Furtwangen entspringt nicht nur der zweitmächtigste Fluss Europas. Es verstecken sich auch uralte Steingiganten im Wald. Eine Wanderung zur Donau- und zur Elzquelle, zu mystischen Felsen, einem aussichtsreichen Berggipfel – und zur Europäischen Wasserscheide.
Eigentlich ist ja Wandern an sich schon dufte: die frische Luft, die gleichmäßige Bewegung, das völlige Eintauchen in die Natur mit all ihren Farben, Geräuschen und Stimmungen. Wandern hat etwas Ursprüngliches. Im Idealfall wird das Ganze veredelt von angenehmen Weggefährten und einer zünftigen Vesperpause.
Es soll allerdings Menschen geben (nicht selten eher jungen Alters), denen diese Argumente lediglich ein leises Stöhnen und skeptisches Naserümpfen entlocken. In solchen Fällen muss die nächsthöhere Attraktivitätsstufe des Wanderns gezündet werden: Wandern am Wasser! Ruhendes, fließendes, fallendes oder spritzendes Wasser bietet Ablenkung, Abkühlung – und die Möglichkeit zu allerlei Schabernack. Das begeistert Kinder. Und Kind Gebliebene.
Für eine etwas andere Wandertour am und zum Wasser bietet sich die Ecke zwischen Furtwangen, Schönwald und Schonach an. Nicht zu tosenden Wasserfällen oder geheimnisvollen Moorseen (die gibt es ganz in der Nähe zwar auch), sondern zu den Quellen von Elz und Breg, dem Ursprung der Donau – und entlang der Europäischen Wasserscheide. Dorthin, wo sich die Wege des Wassers trennen.
Zum Ursprung der Elz
Ein blau-weißer Himmel ziert diesen Spätsommermorgen. Langgezogene Sonnenstrahlen schießen durch die Wipfel der umstehenden Bäume am Wanderparkplatz auf der Weißenbacher Höhe, wo Hans-Peter Weis bereits mit geschnürten Wanderstiefeln wartet. Kaum jemand kennt die vielen versteckten Pfade und Wege in dieser Gegend so gut wie der gebürtige Schönwalder – die perfekte Begleitung für die heutige Runde.
Am Waldrand entlang geht es hinab ins Farnbergtal, durch mit feinen Tautropfen benetztes Gras. Unten im Talgrund schlängelt sich die junge Elz als schmales Bächlein zwischen Kühen hindurch, die mit dem frischen Quellwasser ihren Durst stillen. Spätestens jetzt sind das Büro und die PC-Tastatur so weit weg wie eine Schwarzwälder Kirsch von einer leichten Mahlzeit.
Wenig später taucht der Furtwänglehof in Sichtweite auf, einst einer der prächtigsten Schwarzwaldhöfe weit und breit, der 2003 jedoch ein Raub der Flammen und danach neu aufgebaut wurde. Nur wenige Schritte neben dem Weg verläuft zwischen lichten Heidelbeersträuchern ein kleiner Damm, in den ein Kanal eingelassen ist. Angelegt wurde dieser vor gut 200 Jahren vom damaligen Furtwänglehof-Bauer Clemens Kaltenbach, einem Schwarzwälder Cleverle. Mit dem künstlichen Graben leitete er einen Teil des Wassers aus der nahen Elzquelle um, bewässerte damit sein Land und brachte so nicht nur die Wiesen, sondern seinen ganzen Betrieb zum Aufblühen. „Seitdem“, erklärt Hans-Peter, „wird hier der Elz und damit letztlich dem Rhein das Wasser abgegraben.“ Denn vom Furtwänglehof fließt das wertvolle Nass nun weiter in Richtung Süden, der Breg zu und in die Donau. Und damit ins Schwarze Meer statt in die Nordsee. Menschliche Einflussnahme an der Europäischen Wasserscheide.
Danuvius wacht über die Quelle
Der Kanal begleitet den Wanderweg hinauf bis zur Elzquelle. Eine Metallplatte, in einen Felsblock eingelassen, markiert die Stelle, wo der junge Bach gurgelnd aus dem grünen Dickicht tritt. Dicht bewachsen steht der Wald hier, mit Farnen und einem Moosteppich, aus dem stattliche Fliegenpilze ihre leuchtend roten Köpfe strecken.
Auf dem Westweg geht es vom Ursprung der Elz zum Ursprung der Donau. Über deren Quellbecken hockt Flussgott Danuvius in der Sonne und grüßt ankommende Wanderer, die sich am kühlen Wasser erfrischen. Direkt nebenan lockt das Höhengasthauses Kolmenhof mit kalten Getränken – und je nach Saison mit fangfrischen Forellen. Auf der anderen Straßenseite lohnt ein Blick in die Martinskapelle, die seit ihrer Erbauung im Mittelalter Zerstörungen, Um- und Anbauten, Restaurierungen sowie eine zwischenzeitliche Nutzung als Stall und Heuboden überlebt hat. Und dennoch – oder gerade deswegen – ein echtes Schmuckstück ist.
Von der offenen Hochfläche, wo im Winter Langläufer ihr Loipenglück finden, führt der Westweg wieder zum Wald hin, genau auf der Europäischen Wasserscheide. Links geht es für herabfallende Regentropfen über Breg und Donau ins Schwarze Meer. Rechts hingegen fließt das Wasser in die andere Richtung, über Elz und Rhein in die raue Nordsee.
Steinerne Zeitzeugen
Der Wanderweg verjüngt sich derweil zu einem Waldpfad. „In dieser Gegend haben wir als Kinder immer Räuber & Gendarm gespielt“, erinnert sich Hans-Peter. Zum Verstecken gibt es hier nicht nur dichtes Gebüsch und breite Fichtenstämme, sondern auch mächtige, abgerundete Granit-Brocken. Wie liegengelassenes Spielzeug von antiken Felsriesen liegen sie auf einer kleinen Anhöhe im Wald, kreuz und quer aufeinander, an vielen Stellen in einen weichen Moosmantel gehüllt. Wie sie hierhergekommen sind? „Oft werden die Günterfelsen fälschlicherweise für Findlinge gehalten, die ein eiszeitlicher Gletscher zurückgelassen hat“, erklärt Hans-Peter. Tatsächlich sind sie das Ergebnis eines langen Prozesses, bei dem Druckunterschiede im Gestein, eindringendes Wasser sowie Wind und Wetter den Fels über die Jahrtausende zersetzen und abschleifen. Weil die rundlichen, gestapelten Felsen an mit Wolle gefüllte Säcke erinnern, heißt dieses Phänomen Wollsackverwitterung.
Von den Günterfelsen sind es gut 20 Minuten bis hinüber zum Brendgipfel. Der lädt ein zu einer Rast mit herrlicher Aussicht zum Kandel, Feldberg und über das Rheintal. Danach schlendert es sich gemütlich durch den Wald ins Katzensteigtal hinab, wo grüne Weiden in der Sonne liegen, durchschnitten von den plätschernden Breg. Schon von Weitem zieht die Piuskapelle bewundernde Blicke auf sich. Wie eine Trutzburg thront sie auf einem kegelförmigen Hügel.
Dann spielt das Wasser nochmal eine zentrale Rolle. Beim steilen Aufstieg zur Katharinenhöhe rinnt es aus allen Poren, bildet glitzernde Schweißperlen auf der Stirn. Schließlich ist es geschafft: Gemütlich klingt die Wandertour auf den letzten Metern aus. Darauf einen kräftigen Schluck Wasser.