Geräuschpegel

Zum Birding auf den Höchsten

Eine Vogelstimmenwanderung zu früher Stunde
14.03.2017

von Birgit-Cathrin Duval

Ganz nach dem Motto der frühe Vogel fängt den Wurm, den Wald mit allen Sinnen erleben und ganz nebenbei auch noch etwas über die Vogelarten hier im Hochschwarzwald lernen. Das geht beim Birding am Feldberger Vogel-Tag.

Der Wald rauscht über meinem Kopf. Noch ist der Morgen mehr Nacht als Tag. Im Dämmerdunkel erscheinen die mächtigen Stämme der Tannen und Fichten wie bizarre Riesen aus der Urzeit. Der Duft von harzigem Nadelwald, Moosen und Blättern steigt mir in die Nase. Die Waldluft ist herrlich erfrischend. Mitten im Wald beim Anbruch eines neuen Tages dabei sein, belebt nicht nur meinen schlaftrunkenen Körper. Ich erlebe eine Wachheit der Sinne, wie ich sie kaum verspüre, wenn zu Hause der Wecker klingelt

Ich gebe zu: So ganz freiwillig bin ich nicht um vier Uhr früh aufgestanden. Auf dem Feldberg findet heute der erste Feldberger Vogel-Tag statt. Und weil ich wissen möchte, was denn alles morgens im Wald so piept und zwitschert, nehme ich an der Vogelstimmen-Wanderung teil, bevor es später zur Birding-Exkursion geht.

Trendsportart Birding?

Mit Birding ist nicht etwa eine neue Trendsportart gemeint, sondern die englische Bezeichnung für Vogelbeobachtung. Und die wird auch in Deutschland immer beliebter. Reichten früher noch Bestimmungsbuch und Fernglas, betreiben inzwischen viele das Birding auf professionellem Niveau: mit High-End-Ausrüstung inklusive Kamera, Stativ, Teleskopen, Spektiv und Teleobjektiven. Sogar der Reisemarkt zu Vogelkolonien in entlegene Regionen boomt. Dagegen ist der Feldberg noch ein weißer Fleck, und das, obwohl er als subalpine Zone allerlei Exoten beheimatet.

Dreizehenspecht, Alpenringdrossel, Bergpieper und Zitronenzeisig zählen zu den Arten, die nur Regionen über 1.100 Meter besiedeln und die sich auf dem Feldberg wohlfühlen.
Und natürlich das Auerhuhn, der Urvogel des Schwarzwalds, dessen Revier sich in lichten Totholzgebieten befindet. Ob ich heute einen dieser scheuen Vögel zu Gesicht bekomme? Das wäre tatsächlich ein großer Glücksfall. Doch zunächst will ich den Vögeln lauschen und lernen, sie an ihrem Gesang erkennen.

Während unsere Gruppe schlaftrunken über den schmalen Pfad stolpert, scheinen die gefiederten Waldbewohner ohne Probleme aus den Federn zu kommen. Im Dickicht tschilpt, pfeift und trällert es so inbrünstig, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Doch wo stecken die Piepmätze?

Mit Birding ist nicht etwa eine neue Trendsportart gemeint, sondern die englische Bezeichnung für Vogelbeobachtung.
Mit Birding ist nicht etwa eine neue Trendsportart gemeint, sondern die englische Bezeichnung für Vogelbeobachtung. © Birgit-Cathrin Duval

Dr. Stefan Büchner vom Naturschutzzentrum Südschwarzwald kennt den Wald auf dem Felsenpfad und die dort ansässigen gefiederten Bewohner wie die eigene Hosentasche. Vögel anhand ihrer Stimmen zu erkennen ist sein Steckenpferd. Doch das ist, wie ich jetzt erlebe, gar nicht so einfach.

Wir halten inne und lauschen. Im Vogelstimmengewirr wiederholt sich eine besonders markante, als hätte sie eine Wiederholfunktion einprogrammiert. Ein Buchfink, erklärt Stefan Büchner. Sein trällernder Gesang tönt hübsch, aber monoton. Wesentlich melodiöser klingt das Rotkehlchen, dessen hohe Stimme durch das Walddickicht perlt.

Der Kleinste piepst am lautesten  

Kurz darauf übertönt ein exponierter Klang die anderen Vogelstimmen. „Das ist ein Zaunkönig“, stellt Büchner fest. Fast schon lärmig schmettert er seine Strophen durch den Wald. Trotz seiner geringen Größe – der Vogel zählt zu den kleinsten Arten Europas, bringt er es auf eine erstaunliche Lautstärke, die sogar noch in einer Entfernung von bis zu 500 Metern zu hören ist. Die flinken Vögel huschen über den Waldboden und sind mit ihrem bräunlichen Gefieder so gut getarnt, dass sie häufig mit einer Maus verwechselt werden. Der nächste Kandidat, dessen Gezwitscher wir lauschen, ist eindeutiger zu identifizieren. Denn er wird nicht müde, seinen eigenen Namen zu rufen: „zilp zalp zilp zalp“. „Das ist der Zilpzalp,“ erklärt Büchner. Interessanterweise scheinen die winzigsten Vögel die lautesten Stimmen zu besitzen. Endlich eine Vogelstimme, die ich mir ganz sicher merken kann. Auch der Zilpzalp bewegt sich, ähnlich wie der Zaunkönig, sehr schnell und rastlos durchs Gehölz. Dabei bewegt er hektisch den Schwanz nach unten. Wesentlich auffälliger ist der Girlitz mit seinem kanariengelben Gefieder. Er fällt außerdem durch seinen Gesang auf, der mich an die quietschenden Räder eines Puppenwagens erinnert.

Im Wald höre ich mit allen Sinnen

Vögel an ihrem Gesang zu bestimmen ist weitaus schwieriger, als ich mir das vorgestellt habe. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich durch den Alltag viel zu hektisch geworden bin und mir nicht mehr die Zeit nehme, inne zu halten und aufmerksam zu lauschen. In der Natur muss ich das Hören wieder neu erlernen.

Ich bin froh, für einige Stunden draußen im Wald zu sein, und dort das Erwachen der Natur hautnah mitzuerleben. Hier das Zwitschern der Vögel, dort das Plätschern des Bergbaches, über mir das Rauschen des Windes in den Tannenwipfeln. Es sind Laute, die meine Ohren wohlwollend aufnehmen. Sie sind sanft und beruhigend. Wie eine Symphonie, die von den weltbesten Musikern gespielt wird. Und ich begreife, dass die Morgenstunde eine freundliche Aufforderung ist, das Leben achtsamer wahrzunehmen.