Die Furtwangener Ski-Werkstatt - Unikat im Schwarzwald

Bei Wehrles hat man Zeit
09.09.2022

von Patrick Kunkel

In Franz Wehrles uriger Ski-Werkstätte auf dem Raben bei Furtwangen sieht es heute noch so aus wie in den 50er-Jahren.

Völlig tiefenentspannt sitzt er da, der Franz Wehrle, auf der Holzbank vor seinem Laden. Das hat Seltenheitswert, jedenfalls während der Skisaison: „Da kommen sie dann alle“, sagt er. Wollen Ski leihen und Ski repariert bekommen. Wollen Ski kaufen und über Ski beraten werden. Und stehen dafür auch mal bis ums Eck in der Warteschlange an, draußen in der Kälte, weil die Reparaturkünste der Wehrle-Brüder halt im ganzen Schwarzwald und darüber hinaus berühmt sind.

„Wenn es richtig rund geht, ist der einzige Ruhetag in der ganzen Wintersaison der erste Weihnachtstag“, sagt Wehrle und grinst: „Und da muss ich mich noch verstecken. Manche Kunden schmeißen dann schonmal einen Schneeball ans Fenster und rufen: Hast du es nicht mehr nötig? Aber wenn der Winter gut läuft, dann kann ich im Sommer auch mal eine ruhige Kugel schieben.“

"Wenn es richtig rund geht, ist der einzige Ruhetag in der ganzen Wintersaison der erste Weihnachtstag“
(Franz Wehrle)

Wehrle nimmt erstmal eine ordentliche Prise Schnupftabak und genießt die warmen Strahlen der Märzsonne. Der 72-Jährige, ein robuster, alter Schwarzwälder mit schwieligen Arbeitspranken und einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, arbeitet bis heute in seiner Ski-Werkstatt, die wirkt, als sei sie aus der Zeit gefallen: Seit den 1950er-Jahren hat sich hier kaum etwas verändert. Auf der alten Schindelfassade prangt in weißen, angenagelten Buchstaben der Schriftzug „Ski-Werkstätte“. Sonst nichts. Und mehr wäre auch nicht nötig. Ski-Wehrle ist eine Institution.

Franz Wehrle vor seiner Ski-Werkstatt in Furtwangen

„Schnupftabak ist meine Leidenschaft, unnötige Droge, aber ich schmupfs halt gern. Und ich paffe Zigarillos. Aber nicht beim Skiwachsen.“ © Patrick Kunkel

„400 Jahre alt ist das Haus – und vor fast 90 Jahren machte mein Vater hier seine Ski-Werkstatt auf“, erzählt Wehrle auf der Bank. Das alte Schwarzwaldhaus liegt idyllisch eingebettet zwischen Wäldern und struppigen Bergweiden auf dem Raben in Furtwangen. Ein paar hundert Meter weiter führt der legendäre Fernskiwanderweg Schonach-Belchen über die Höhenzüge. Vor ein paar Tagen war der Wald ringsum noch eingeschneit, der Laden voller Kundschaft und die Schleifmaschine für den Skibelag fast im Dauerbetrieb. Sieben Tage die Woche steht Wehrle in der Werkstatt, wenn es richtig Winter wird.

Franz Wehrle in seiner Ski-Werkstatt in Furtwangen

Mit Bügeleisen und Skiwachs: Langlaufski werden ganz klassisch von Hand gewachst. Danach wird der Belag ordentlich ausgebürstet, damit die Skier besser gleiten. © Patrick Kunkel

Jetzt, Anfang März, ist es ruhig. Und Wehrle kann den Arbeitstag ausnahmsweise etwas langsamer angehen lassen. Nicht mehr rödeln zwischen Wachsbügeleisen, Skischleifmaschine und Bedientresen. Sondern mal kurz die Füße ausstrecken. Dem Wind lauschen, der in den Bäumen ringsum durch die Wipfel rauscht. Noch eine Prise Snuff aus der Dose nehmen. Ein paar Minuten entspannen.

Gemeinsam mit seinem drei Jahre älteren Bruder Alfred betreibt Franz Wehrle die urige Ski-Werkstätte, die derart abgelegen auf dem Berg liegt, dass er daraus einen griffigen Werbespruch machte: „Zugegeben: Leicht zu finden sind wir nicht. Aber auch nicht leicht zu übertreffen.“

Was beides stimmt: Die beste Wegbeschreibung? Von Furtwangen so lange steil bergauf Richtung Raben bis man meint, sich verfahren zu haben. Da ist er dann, der Ski-Wehrle. Seine Kundschaft findet das eher gut, die Leute kommen von weit her, um sich den perfekten Schliff ihrer Skier abzuholen. In Freiburg sammeln eingefleischte Langläufer im Winter sogar ihre Latten und bringen sie in einem großen Schwung rauf auf den Raben, damit sich die Anfahrt lohnt. „Mein Bruder macht einen speziellen Steinschliff für Langlaufski, für den kommen die Kunden sogar aus Stuttgart.“

Franz Wehrle seiner Ski-Werkstatt in Furtwangen

Im Sommer lässt Franz Wehrle es auch mal ruhiger angehen. © Patrick Kunkel

Und natürlich, das erzählt Wehrle stolz, gehören auch die Schwarzwälder Ski-Profis zu seinen zufriedenen Kunden. Die Liste wurde mit den Jahren immer länger: Skicrosserin und Olympia-Ass Daniela Maier kaufte, da war sie noch Nachwuchstalent, ihre Skier bei Wehrle. Langläuferin Steffi Böhler habe die Juniorenweltmeisterschaft einst mit einem Paar gewonnen, das sie kurz zuvor auf dem Raben besorgt hatte. Unter der Decke in der Werkstatt hängen die breiten Latten von Skispringer Martin Schmitt. „Der Sven Hannawald war auch oft hier“, erzählt Wehrle: „Die grünen Ski da an der Wand sind seine. Er hat sie hier auch mal vor einem Wettkampf schleifen lassen – und gesagt: Wir dürfen seinem Trainer bloß nicht verraten, dass er hier war.“

"Der Sven Hannawald war auch oft hier“
(Franz Wehrle)

Wer die würdevoll gealterte Ladentür öffnet, hat sofort das Gefühl, in eine längst vergangene Epoche einzutauchen: Der Duft von geschmolzenem Skiwachs steigt in die Nase. Die betagten Holzdielen knarzen. Im Eck knistert das Brennholz im alten Leimofen, auf dem früher die Töpfe mit dem warmem Klebepapp blubberten. An den Wänden hängen traditionelle Schreinerwerkzeuge, im andern Eck lehnen moderne Langlaufski. Die Regale sind bis unter die Decke vollgestopft mit Skiwachs für alle erdenklichen Schneebedingungen. In der Werkstatt dahinter stehen über 500 Leihskier, Skischuhe und die wuchtige Skischleifmaschine. Volles Haus. Eine weitere Tür führt in den alten Stall. Früher war hier mal Platz für zwei Kühe, zwei Ziegen und zwei Schweine, denn damals war man noch Selbstversorger auf dem Raben. Heute ist auch hier jeder Quadratzentimeter genutzt für modernstes Ski-Equipment, das auf glückliche Kundschaft wartet. 

Franz Wehrle in seiner Ski-Werkstatt in Furtwangen

Alles ist wie früher, als der Vater noch Ski verkaufte. Keine Computerkasse. Rechnungen werden per Hand addiert. Bei Wehrles hat man Zeit. © Patrick Kunkel

An der wuchtigen, alten Werkbank verleiht Franz Wehrle einem Paar lädierten Langlaufski mit geübten Handgriffen neuen Glanz: Belag ausgießen mit Kunststoff. Kratzer zumachen. Und dann schleifen und wachsen. Bei Alpinski noch Bindung einstellen und Kanten schärfen: „Wir sagen nicht so schnell zu den Kunden, sie sollen was Neues kaufen. Wir versuchen, das wieder zu richten. Davon leben wir.“ Wehrle ist gelernter Schreinermeister, aber Experte vor allem auf einem Gebiet: dem Skisport. „Als Kind habe ich immer beim Vater zugeschaut, alles gelernt, was man übers Schleifen und Präparieren wissen muss, dann die Schreinerlehre gemacht und schließlich die Werkstatt übernommen.“

Der Vater hat früher noch selbst Ski gebaut, erst nebenher für Freunde, ein bisschen unter der Hand, und später dann ganz offiziell mit behördlichem Segen. „Anfangs war seine Werkstatt drüben, wo jetzt meine Wohnstube ist, mit dem großen Kachelofen drin. Da sind die Leute aus dem Dorf immer um den Ofen rum gehockt zum Warten“, erinnert sich Wehrle, der bis heute auf dem Dachboden die Skibücher aufbewahrt, in denen alle jemals auf dem Raben verkauften Skier verzeichnet sind.

Ski Werkstatt Franz Wehrle in Furtwangen

Bei Wehrles wird nicht gleich zum Neukauf geraten, es wird versucht, die Ski zu reparieren.  © Patrick Kunkel

Er zeigt ein altes Schwarzweißfoto an der Wand: „Ich als Fünfjähriger mit Ski, die mein Vater gebaut hat“, erklärt er. „Zur Schule runter nach Furtwangen sind wir immer mit Ski gefahren. Mir hat er das Skifahren gelernt als ich noch klein war, da unten auf der Wiese vorm Haus – aber nur bei Vollmond, weil er tagsüber keine Zeit hatte. So geht’s mir auch, seit ich den Laden übernommen habe.“ Da bleibt einfach keine freie Minute, um selbst mal eine Runde auf der Langlaufloipe zu drehen.

„Nicht schlimm“, findet Wehrle. In der warmen Jahreszeit packt er das Rennrad aus und dreht lange Touren rund um Furtwangen, außerdem liebt er Musik und sammelt alte Akkordeons. Zeit dafür kann er erübrigen, ehe es ab Oktober wieder richtig losgeht. Aber jetzt erstmal weiter Sonne tanken. Und ein kleine Prise Schnupftabak. Denn der nächste Winter kommt bestimmt.

Vom Hochschwarzwälder Fachmann

3 Skitipps

  • Ski wachsen kann jeder zuhause machen, den Schliff erledigen Fachwerkstätten wie Ski-Wehrle. Steinschliff für Langlaufski ist Wehrles Spezialität. Das Besondere: Die zarten Rillen im Belag sorgen dafür, dass dieser besser gleitet und nicht am Schnee haftet. „Beim Steinschliff gibt es eine grobe Struktur für nassen Schnee, eine feine Struktur für kalten Schnee oder einen Universalschliff.“ 
    Wichtig: „Nach dem Wachsen immer gründlich ausbürsten, am besten mit einer Messingbürste.“

  • "Die richtige Spannung ist bei einem Langlaufski das Wichtigste. Ist der Ski zu hart, kommt man den Berg nicht hinauf, ist er zu weich, kommt man ihn nicht hinunter." Franz Wehrle prüft stets die Härte der Ski, um zu beurteilen, ob der Ski auch wirklich passt.

  • Kinder wachsen schnell. Richtig gute Ski sind teuer. Also lieber leihen, sagt Franz Wehrle. Dann ist das Material immer auf Körpergröße und -gewicht abgestimmt. Und man kauft keine teure Ausrüstung, die im ersten Jahr zu groß ist, im zweiten Winter passt und im dritten dann zu klein ist.

Mehr Informationen

  • Ski Wehrle
    Auf dem Raben 8
    78120 Furtwangen
    Tel.: + 49 (0)7723/7505
     
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