Entschleunigt im Winterwald
Winter im Hochschwarzwald? Diesem Zauber kann sich kaum jemand entziehen. Klirrend kalte, herrlich klare Luft, schneebedeckte Tannen, deren Äste sich schwer zur Erde neigen, mit etwas Glück ein strahlend blauer Himmel und dann überall dieses Glitzern im Schnee, das die Werte auf dem Stimmungsbarometer automatisch nach oben katapultiert – dass all das gut tut, ist eigentlich sonnenklar, es ist aber auch wissenschaftlich belegt: Das Höhenklima des Hochschwarzwalds hat erwiesenermaßen therapeutische Wirkung. Überzeugen davon kann man sich auf einem der 18 Vitalwanderwege, die 2015 zur Höhenklimaregion Hochschwarzwald zusammengefasst wurden.
Aktiv sein und gleichzeitig zur Ruhe kommen? Das ist im winterlichen Hochschwarzwald überhaupt kein Widerspruch – im Gegenteil, das eine bringe das andere mit sich, erklärt mir Nicolaus Prinz, ausgebildeter Klimatherapeut. Mit ihm stapfe ich durch den Winterwald oberhalb von Saig, einem idyllischen Örtchen auf 1.000 Meter Höhe, das zu Lenzkirch gehört und heilklimatischer Kurort ist. Ein blaues Schild mit der Inschrift „Höhenklimaregion – Saiger Panoramaweg“ zeigt uns den Weg.
Zur Be-Sinnung kommen
Der Schnee knirscht unter unseren Füßen, wir bleiben stehen, atmen tief ein und spüren: Ruhe. „Hier komme ich zur Be-Sinnung, im wahrsten Sinne des Wortes.“ Nicolaus Prinz schließt die Augen.
Und das ganz besonders im Winter, wenn Wege und Tannen von einem Teppich aus funkelndem weißen Schnee bedeckt sind, der den sonst dunklen (Schwarz-)Wald gleich viel lichter und weicher erscheinen lässt. Selbst die Geräusche sind gedämpft: „Wenn du als Großstadtmensch hier stehen bleibst, rauschen dir von dieser Stille förmlich die Ohren, das sind wir heutzutage ja gar nicht mehr gewohnt.", sagt er „Wenn man das wahrnimmt, holt einen das runter vom Alltagsstress und gibt einem ganz viel Kraft.“
Die perfekte Mischung, die gesund macht
Die Sonne glitzert von schräg rechts durch die Tannen, vor uns im Schnee Tierspuren – auch für wildlebende Tiere ist der Wald ein wichtiger Rückzugsort. Ob er ihnen auch so gut tut wie uns? Und was genau tut uns hier eigentlich so gut? Darauf weiß Klimatherapeut Prinz gleich mehrere Antworten: „Wir haben hier sehr saubere Luft“, sagt er, „keinen Feinstaub und kein Ozon. Die Bäume wirken wie ein riesiger Luftfilter."
Auch die Feuchtigkeit sei viel höher, weil die Blätter und Nadeln Wasserdampf abgeben, und es sei vergleichsweise windstill. „Wenn's windig und regnerisch ist, ist es im Wald viel ruhiger und man wird später nass. Vieles wird von den Baumkronen abgehalten und so ist das Klima, egal zu welcher Jahreszeit, immer ein bisschen gemäßigt“, erklärt er mir.
Hinzu komme die in den Bergen generell höhere Lichtintensität - alles Faktoren, die man sich zu Nutze machen könne. „Für allergiegeplagte Menschen ist das hier ein wahrer Segen, die Vegetationsperiode ist einfach kürzer.“ Zu spüren sind diese Effekte im Hochschwarzwald überall, ganz besonders aber in den sechs heilklimatischen Kurorten - neben Saig und Lenzkirch, Hinterzarten, Titisee, Schluchsee und St. Blasien -, die mit ihren 18 Wanderwegen gemeinsam das „Höhenklimaweg-Netz“ eingerichtet haben.
Durch das Aufwärts-im-Schnee-Stapfen ist uns warm geworden, wir öffnen unsere Jacken, ziehen die Mütze aus – auch das ein rundum gesunder Vorgang, erklärt mein Begleiter. Der menschliche Körper funktioniere nämlich ähnlich wie eine Thermoskanne, sprich: „Wenn ich meine Mütze absetze und am Kopf die kalte Luft spüre, dann versucht mein Körper diese Kühle auszugleichen. Dazu setzt er Prozesse in Gang, die sich positiv auf Herz, Kreislauf und das gesamte Regenerationssystem auswirken.“ Thermoregulationstraining heißt der entsprechende Fachbegriff.
All das zusammen ergebe für die Gesundheit eine perfekte Mischung, versichert mir Nicolaus Prinz. Versehen mit einer Portion Schnee, davon sind wir beide am Ende dieser kleinen Winterwanderung überzeugt, wirkt das „einfach nur beglückend“.