Mit warmen Tee stärken wir uns für die nächsten Loipenkilometer.

Hochschwarzwälder Langlaufkunde

Langlaufglück lässt sich lernen!
05.12.2022

von Patrick Kunkel

Neuschnee glitzert. Blauer Himmel, Sonnenschein und Alpensicht. Die Loipe ist frisch gespurt. Also schnell die Langlaufski angeschnallt und los geht’s... Doch halt! Was man als Skilanglauf-Anfänger unbedingt beachten sollte erklärt der Hochschwarzwälder Langlauftrainer Rainer Kiefer...

Teil I: Anfangen 
„Skilanglauf ist ein ideales Ganzkörpertraining, weil man durch den Einsatz von Ski und Stöcken sowohl die Beine, die Arme und den Oberkörper trainiert“, sagt Rainer Kiefer Inhaber der Nordic Schule Notschrei:

“Es gibt nur wenige Sportarten, die derart die Ausdauer und Koordination fördern.“
(Rainer Kiefer, Langlauflehrer)

Man kann sich je nach Lust und Laune mal mehr oder weniger verausgaben. Und das beste dabei: Es lässt sich relativ leicht lernen, so dass dem Hochschwarzwälder Winterglück auf schmalen Latten, eigentlich nicht viel im Weg steht.

Von Anfang an richtig lernen


Doch einfach ein paar Ski anschnallen und los? Geht zwar, davon rät Rainer jedoch ab – nicht nur, weil er als Langlauflehrer natürlich gerne viele neue Schüler in seinen Kursen hat:

“Für Einsteiger ist es sinnvoll von Beginn an darauf zu achten die richtige Technik zu erlernen.“
(Rainer Kiefer, Langlauflehrer)

„Das Umlernen falscher Bewegungsmuster ist im Nachhinein oft mühsam“, sagt er. Und dafür empfehle er einen Kurs, in dem man die richtige Skilanglauftechnik vorgeführt bekommt und sie korrekt erlernt. Oder man schaut bei guten Freunden zu, die wissen, wie es richtig geht.

Skating oder Klassisch?


Skating ist schneller, dynamischer, aber auch schwerer zu lernen, und man ist auf gewalzte Spuren angewiesen. Die klassische Technik ist anfangs technisch weniger anspruchsvoll und kann auch sehr gemäßigt betrieben werden – fast wie Wandern auf Ski. Im Unterschied zum Skating ist man meist in gespurten Loipen unterwegs. Die Intensität kann man dank unterschiedlicher Techniken selbst bestimmen: Diagonalschritt, Grätenschritt, Doppelstockschub, Doppelstockschub mit Zwischenschritt sowie diverse Abfahr- und Kurventechniken – klingt kompliziert, aber zum Glück gibt es ja Leute wie den Rainer. „Mit der klassischen Technik zu beginnen ist hilfreich um möglichst schnell ein 'kompletter Langläufer' zu werden“, sagt Rainer:

“Entscheidend bei jeder Technik ist es, bewusst zu laufen. Es zählen die technik-orientierten Kilometer. Auch sollte nicht zu schnell gelaufen werden zu Beginn, lieber lang.“
(Rainer Kiefer, Langlauflehrer)

Heißt ja auch Langlauf.

Welches Material?


Die Wahl von Ski, Bindung und Schuhen ist eine Wissenschaft für sich, man sollte auf jeden Fall vorher klären, welchen Stil man erlernen möchte, denn die Ausrüstung ist bei Klassik und Skating gänzlich verschieden. Vor vorschnellen Käufen rät Rainer ab: „Bei der Wahl des Materials macht für Einsteiger das Leihen der Ausrüstung Sinn, um im Verlauf des Lernprozesses zu sehen, welches Skimaterial geeignet ist.“

Was soll ich anziehen?


Klamotten sollten natürlich warmhalten, aber keinen Hitzestau produzieren – Funktionskleider nach dem Zwiebelprinzip macht Sinn, so kann man unterwegs auch mal eine Schicht ausziehen, wenn es zu warm wird. Oder hat gleich die Windweste parat, wenn einem der kalte Nordwind am Stübenwasen die Schneekristalle unter das Langlaufhemd treibt.

Die ersten Schritte wagen

Zu Beginn sollte man möglichst nicht die schwersten Loipen auswählen – die Stübenwasenspur beispielsweise mag zwar landschaftlich ein Knaller sein, aber für ganz blutige Anfänger ist die an Anstiegen, Kurven und rasanten Abfahrten reiche Traumloipe vielleicht nicht der ganz ideale Ort. Gut für den Anfang eignet sich etwa die Hochmoorloipe in Hinterzarten. Eine Zusammenstellung der schönsten Loipen gibt in Teil II unserer Serie.

Teil II: Der Langlaufski
Die Ski schaben mal wieder kratzend in der Spur, auch bergab geht es nur langsam voran. Alle anderen gleiten vorbei. Warum bloß sind die so schnell? Vielleicht liegt's am Schuppenski? Alte Schwarzwälder Loipenhasen bevorzugen klassische Wachsski. Mit gutem Grund. Langlauf-Experte Gerd Süssbier erklärt mir die Unterschiede zwischen Schuppe- und Wachsski und meint: „Mehr Mut zum Wachs!“

Stirbt der Wachsski aus?

Nein, definitiv nicht. In den letzten fünf Jahren ist sogar ein Revival der klassischen Technik und des Wachskis zu beobachten. Auch junge Athleten haben den Reiz des Klassischlaufens wieder entdeckt.

Dennoch hat's der Wachsski schwer... Wieso?

Wer heute als Langlaufneuling ein Sportgeschäft betritt, kommt zu 99 Prozent mit einem Schuppenski wieder heraus. Und mit der Gewissheit, ein Rundumsorglos-Paket erworben zu haben.  Nach den ersten Langlauftagen wird er zunächst die Aussagen des Fachverkäufers bestätigt finden: Der Schuppenski verhält sich gutmütig in der Spur und greift im Anstieg perfekt. Aber bei dem ersten kalten Wintertag mit Neuschnee werden bei den etwas ambitionierten Läufern und Läuferinnen Fragezeichen aufkommen. Wie machen das andere Langläufer, dass sie in leichten Abfahrten nicht mit den Stöcken schieben müssen und sogar auf Flachstrecken leicht dahingleiten, während man selbst aus dem Stapfen nicht rauskommt? Einfache Antwort: Sie nutzen Wachsski. Der Schuppenski läuft in aller Regel deutlich schlechter und ein echtes Langlaufgefühl kommt nicht auf. Das gibt es nur mit Wachsski.

Aber Wachsen soll ja eine Kunst sein, die nur schwer erlernbar ist?

Das hängt von den Schneeverhältnissen ab. Sind die eindeutig, also gibt es zum Beispiel durchgehend Pulverschnee bei Minusgraden, ist es ganz einfach. Den passenden unter fünf oder sechs verschiedenen Sorten Steigwachs auftragen und in wenigen Minuten ist der Ski präpariert.  Damit ist man jedem Schuppenski deutlich überlegen. Anders ist es, wenn unterwegs trockener Pulverschnee und Nassschnee wechseln oder bei Neuschnee um Null Grad. Dann ist die Wachserei tatsächlich schwierig und auch Profis greifen dann zur Schuppe.

Was also tun?

Vor allem mehr Mut zum Wachs haben! Mit der Zeit wird man auch schwierigere Schneeverhältnisse meistern. Und wer es sich leisten kann, sollte tatsächlich zwei paar Ski haben: ein paar Wachsski für einfache Verhältnisse und unbeschwertes Laufen und ein paar Schuppenski oder auch Skatingski für Wechselschneetage. Damit "fahre" ich schon seit vielen Jahren prima.

Teil III: Die Stöcke
Langlaufen ohne Stock: Geht gar nicht. Doch welcher Stock ist der richtige? Die Auswahl ist riesig. Skatingstock? Klassischer Stock? Ein Stock aus Alu? Oder Carbon? Früher war alles viel einfacher, weiß man im Schwarzwälder Skimuseum in Hinterzarten.

 „Sie waren aus Holz gefertigt und ursprünglich benutzten die Skifahrer in Norwegen wie auch im Schwarzwald nur einen Stock, der nicht nur für den Stockeinsatz, sondern gleichzeitig auch als Waffe zur Abwehr gegen wilde Tiere verwendet wurde.“

Der Vater der Stöcke hat eine bewegte Vergangenheit 

Im Wintersport ist der Langlaufstock quasi der Vater aller Stöcke. Und einer mit einer bewegten Vergangenheit. Nach der Ein-Stock-Methode gingen Wintersportler zu Beginn des 20. Jahrhunderts dazu über, zwei Stöcke zu benutzen, die überwiegend aus Haselnussholz gefertigt waren, wie Alfred Faller erklärt. „Später kamen dann Stöcke aus Bambusholz hinzu, etwa bis in die 50er Jahre. Später stellte man dann Stöcke aus Metall her oder aus Kunststoffen, die bedeutend leichter waren. Wichtig wurde auch die Schlaufe und der Griff am Stock, die der Hand angepasst wurden. Heute sind fast alle leichten Stöcke aus Carbon.“

Seit ein paar Jahren hat der Stock eine ungeahnte Diversifizierung hingelegt, um es mal beschönigend auszudrücken. Es gibt Walking-, Running-, Geh-, Wander-, Alpin-, Langlauf- und wer weiß welche Stöcke. Sie bestehen aus Carbon, Aluminium oder Fiberglas. Trigger Shark Systeme sorgen für „optimalen Vortrieb und höchsten Komfort“, Griffe sind ergonomisch und anstatt ganz normaler Schlaufen heißen die Teile heute manchmal: Rabbit-Carbon-Schlaufe. Wer soll da noch durchblicken?

Ein modernes Gurtsystem lohnt sich

Wesentlich beim Langlauf sind zwei Dinge: Die Stöcke sollten bei Klassik-Langlaufstöcken von der Länge her bis unter die Achselhöhle reichen, sagt Alfred Faller. Skatingstöcken sollten bis unters Kinn langen – mehr oder weniger. Die simplen Schlaufen von einst sind heute etwas ausgefeilter und da lohnt es sich tatsächlich, ein modernes Gurtsystem anzuschaffen, aus dem die Hand nicht mehr hinausrutschen kann. So bringt man die Kraft optimal in den Stock und kann den Stock auch leichter und exakter wieder zurückführen. Alles andere ist vor allem eine Frage des Geldbeutels und der persönlichen Vorlieben. Alustöcke sind günstiger, aber auch weniger flexibel. Carbonstöcke, jedenfalls die guten, sind deutlich leichter, haben viel bessere Dämpfungseigenschaften und sind sehr flexibel.

Teil IV: Skiwachs
Öffnet der Profi seinen Skiwachskoffer, staunt der Laie nicht schlecht. Wie in einer Alchemistenküche geben sich da Tübchen, Flaschen, Schaber, Tücher und Pülverchen ein Stelldichein. Wer bitte soll da durchblicken? Aber die geheimnisvolle Aura der Wachstechniker darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Skiwachsen im Prinzip ganz einfach ist. Langlauf-Experte Gerd erklärt mir, wie es funktioniert.

“Legt man Skier mit den Unterseiten aufeinander, zeigt sich, dass Skier keine einfachen Bretter sind, sondern dass sie eine Wölbung mit einer gewissen Spannung aufweisen“, erklärt Gerd Süßbier, der am Naturfreundehaus Feldberg Langlaufkurse gibt und uns blutige Wachsski-Novizen auch in der richtigen Wachstechnik unterweist: „Steht der Langläufer auf beiden Skiern, ruht das Gewicht mehr oder weniger nur auf den Skienden, die Zone unter den Füßen schwebt über dem Schnee. Verlagert er dann sein ganzes Gewicht auf einen Ski, drückt er auch den mittleren Skibereich, die Steigzone, in den Schnee. Dann können sich die dortigen Schuppen im Schnee verhaken und geben den nötigen Halt für den Abdruck.“ Das gleiche, meint Gerd, passiere beim Wachsski, nur sorge das Steigwachs statt der Schuppen für den nötigen Griff: „Schneekristalle graben sich beim Abstoß in die Wachsschicht und lösen sich beim Vorwärtsgleiten wieder heraus. Der Ski gleitet und hält!“ Für gute Gleiteigenschaften empfehle es sich außerdem, die Gleitzonen regelmäßig mit Gleitwachs zu präparieren.

Das richtige Wachs machts

Angeblich haben die Eskimos ein paar Dutzend Ausdrücke für die verschiedenen Schneearten und das ist auch angemessen.

„Das ist für den Skifahrer deshalb bedeutsam, weil das Steigwachs zum Schnee passen muss. Ist das Wachs zu hart, können sich die Schneekristalle nicht in die Wachsschicht eingraben: Der Ski findet keinen Halt. Ist das Wachs zu weich, bleiben die Schneekristalle hängen: Es gibt Stollen. Um beides zu verhindern, gilt es das richtige Steigwachs zu wählen.“

Hartwachs und Klister


Ein genauer Blick auf die weiße Pracht zeigt, dass es kristallinen Schnee mit den schönen Sternen gibt (Neuschnee) und Schnee, der aus kleinen Eiskörnchen besteht (Altschnee) und der schon Auftau- und Gefriervorgänge hinter sich hat. Das macht die Sache etwas komlizierter: „Weil diese beiden Grundarten ganz andere Eigenschaften haben, gibt es auch zwei ganz verschiedenen Arten Steigwachs: Hartwachs für kristallinen Neuschnee und Klister für Altschnee“, sagt Gerd. „Weil die Schnee- oder Eisarten mit sinkender Temperatur immer härter werden, gibt es dann je für Klister und für Hartwachs rund ein halbes Dutzend unterschiedlicher Sorten von eiskalt bis warm. Mit rund 10 bis 15 Wachsen ist man also ausreichend gerüstet.“ Man müsse nur ermitteln ob der Schnee noch aus Kristallen besteht oder nicht und außerdem die Temperatur messen oder schätzen, meint Gerd. „Genauigkeit ist aber nur im Nullgradbereich und bei Neuschnee angesagt, weil sich dann die Schneebeschaffenheit schnell ändert und der Griff in die Wachskiste zu einem Lotteriespiel werden kann. Ob aber der Neuschnee minus 10 oder minus 15 Grad hat, ist ziemlich egal und ob es im März 5 oder 10 Grad plus hat, kümmert den Klister wenig.“

Hilfestellungen findet man im Internet oder in den Wachsfibeln verschiedener Wachshersteller. Und es ist keine Schande, Langlaufprofis um Rat zu fragen. Vielleicht ergeben sich wertvolle Einsichten oder einfach ein nettes Gespräch.