Warum manches Holz im Winter geschlagen wird
Weihnachtszeit – das steht im Hochschwarzwald nicht nur für Plätzchen backen, Geschenke verpacken und den Christbaum schmücken, seit Jahrhunderten werden in diesen Wochen auch die Bäume gefällt. Und das nicht ohne Grund: Hersteller von Kuckucksuhren und Schindelmacher lieben Winterholz.
Wenn Mitte Dezember die kürzesten Tage des Jahres anstehen, ruht der Wald. Die meisten Wildtiere haben sich in ihren Unterschlupf zurückgezogen, der Boden ist vielerorts bereits gefroren oder mit Schnee bedeckt. Die Sonne scheint nur für wenige Stunden zwischen dunklen Fichten hindurch und steht tief über dem Horizont. Durchschnitten wird die Stille einzig von den gleichmäßigen Axthieben eines Holzfällers.
So wurde im Hochschwarzwald jahrhundertelang Holz gewonnen: zumeist in der kalten Jahreszeit und bevorzugt in den Tagen rund um Weihnachten. Dass die Bauern die langen Winterabende einst zum Tüfteln und Werkeln, zum Uhrmachen und Schnitzen nutzten, ist vielen Menschen bekannt. Dass sie auch das Holz nur an ganz bestimmten Tagen im Winter schlugen, wissen hingegen wenige.
Aberglaube oder überliefertes Wissen?
Den 23. Dezember sahen viele Hochschwarzwälder als idealen Tag zum Holzmachen an, andere die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Wieder andere fällten Bäume für ihr Bauholz nur in einer Phase des abnehmenden Mondes. Nach ländlichem Aberglauben mag das in den Ohren mancher klingen. Doch das Wissen um die beste Zeit zum Holzmachen hat sich im Hochschwarzwald bis heute gehalten. „Es gibt Kunden, die nur Holz wollen, das im Winter geschlagen wurde, weil es weniger anfällig für Pilzbefall ist“, sagt Andreas Zipfel, der im Eisenbacher Ortsteil Schollach ein Sägewerk besitzt. Ähnliche Erfahrungen hat Markus Hog, Zimmerer-Meister aus Neustadt, gemacht. Er würde auch privat zu Winterholz greifen, wenn er für sich selbst ein Haus bauen würde. „Es ist fester und witterungsbeständiger“, so Hog.
Die Gründe für die besonderen Qualitäten liegen in der Biologie der Bäume – genauer: in ihrem jahreszeitlichen Zyklus des Wasser- und Nährstofftransports. Im Herbst treten Bäume allmählich in ihre Saftruhe ein. Die Versorgungsströme von den Wurzeln in die Kronen und zurück werden heruntergefahren. Holz enthält daher im Winter am wenigsten Wasser sowie Zucker und Eiweiß, von denen Schädlinge und Pilze sich ernähren. Es ist somit einerseits resistenter gegen deren Angriffe. Andererseits steigen der Anteil und die Dichte der Holzfasern. Das Holz ist trockener und verformt sich nach dem Fällen weniger stark – eine wichtige Eigenschaft, wenn es zur Konstruktion von Gebäuden oder für die Mechanik von Uhren verwendet wurde.
Mit Gülle imprägniert
Wenn sich das Holz nachträglich verdreht, stimmt im Uhrwerk nichts mehr, betont Josef Saier vom Kloster Museum in St. Märgen, in dem die Geschichte der Schwarzwalduhr anhand von rund 150 Exponaten nachgezeichnet wird. Für deren Herstellung wurden ganz unterschiedliche Hölzer verwendet: Nadelholz für Rückwand und Zifferblatt, Laubholz für Gestell und Verzierungen, das harte Apfel- oder Birnbaumholz für die Zahnräder.
Geschlagen worden sei es zumeist im Dezember, nach Weihnachten. „Aber auch im Januar gibt es noch geeignete Phasen“, sagt Saier. Nach dem Fällen der Bäume wurde das Holz für den Uhrenbau mindestens ein Jahr lang getrocknet. „Zusätzlich lagerten die Uhrmacher es in Gülle oder Rauch, um es zu konservieren und vor dem Holzwurm zu schützen.“ Ab Ende des 18. Jahrhunderts stiegen die Hochschwarzwälder auf Uhrwerke aus Messing um, die jenen aus Holz in puncto Präzision deutlich überlegen waren. Uhrmacher, die ausschließlich mit Holz arbeiten, findet man daher in der Region heute kaum noch.
Holzschindelmacher hingegen schon – zumindest in manchen Dörfern. Langenordnach, ein kleiner Ortsteil von Titisee-Neustadt, zählt dazu. Hier lebt Bernhard Waldvogel. Er ist in der dritten Generation Schindelmacher, war 47 Jahre lang in diesem Beruf tätig und hat seine Handwerkskunst als Rentner weitere 23 Jahre lang bei Märkten und Messen vorgeführt – macht 70 Jahre Erfahrung im Holz-Bearbeiten.
Die Beste Zeit zum Holzmachen
Auch Bernhard Waldvogel setzte stets auf Holz, das im Winter geschlagen wurde. „Es heißt, dass man die Bäume am besten am Tag vor Weihnachten fällt“, sagt der 87-Jährige. Generell beginne die geeignete Phase zum Holzmachen Ende November und dauere bis Anfang Januar. Dann lässt sich das trockene Stammholz mit Hilfe von Spaltmesser und Holzschlegel gut entlang der Fasern zu einzelnen Schindeln aufspalten, wie er eindrucksvoll demonstriert. Anschließend werden diese mit einem Ziehmesser in die gewünschte Form gebracht und erst danach zum Trocknen ausgelegt.
In der Regel habe er Fichtenholz verwendet, „ganz selten auch mal Tanne“, so Waldvogel. Als Rentner suchte er geeignete Bäume mit geübtem Auge selbst aus. Mitunter habe er sogar darauf geachtet, dass das Holz bei abnehmendem Mond geschlagen wurde. Dahinter steckt der Glaube, dass der Mond Einfluss auf die Bewegung des Wassers im Holz hat – wie auf Ebbe und Flut an den Meeresküsten.
Künstlich getrocknetes Holz
Doch trotz seiner Qualitäten: Was den Umsatz betrifft, ist Winterholz für die Sägewerke und Zimmereien im Hochschwarzwald heute ein Randthema. „Nur etwa fünf Prozent unserer Kunden verlangen das ausdrücklich“, sagt Sägewerksbesitzer Zipfel. Der Rest setze auf zertifiziertes Bauholz, das nach festen Vorgaben künstlich in einer Trockenkammer getrocknet wurde. Und so entwickelt sich das einst alltägliche Bild des einsamen Holzfällers, der an kurzen Winternachmittagen im Wald seiner Arbeit nachgeht, allmählich zu einer Erinnerung an vergangene Zeiten.