Eine alte Postkarte, die den ersten Skilift, sowie den Schneckenhof abbildet.

Der erste Skilift der Welt

"Vorrichtung zum Hinaufziehen von Schneeschuhläufern und Rodlern" beim Schneckenhof in Schollach
16.01.2018

von Barbara Bollwahn

Der Erfindergeist der Hochschwarzwälder ist legendär. Wer sich mit eigenen Augen und Ohren ein Bild davon machen will, wird in Schollach fündig, dem mit 250 Einwohnern kleinsten und dörflichsten Ortsteil der Gemeinde Eisenbach. In dem von Bauernhöfen, Wiesen und Kühen geprägten Tal, durch das manchmal stundenlang kein Auto fährt, wurde am 14. Februar 1908 der erste Skilift errichtet.

Die Rede ist nicht vom ersten Skilift im Schwarzwald oder in Deutschland, sondern vom ersten Skilift der Welt! Erfunden hat ihn vor 115 Jahren Robert Winterhalder, Gastwirt der Pension „Schneckenhof“.

Patente in Deutschland, Frankreich, Österreich, und-und-und...

Den Schneckenhof, errichtet 1868 und nach einem Brand 1870 neu aufgebaut, gibt es heute noch. Geführt wird die dreistöckige Pension mit den verglasten Verandas, den 16 Zimmern und dem Charme der 50er Jahre von Klaus Winterhalder, dem Enkel des Skilifterfinders, und seiner Familie. Von der Drahtseilaufzugbahn steht nur noch das Mühlenradhäuschen am Fuß des gegenüberliegenden Hanges, mit dessen Wasserkraft der Skilift angetrieben wurde. Doch weil der Enkel des Erfinder, 80 Jahre alt, Land- und Gastwirt von Beruf, für drei Hochschwarzwälder redet, lässt er den Skilift in seinen Erzählungen wieder auferstehen. Zur Illustration zeigt er alte Unterlagen, zu denen Bauzeichnungen, Postkarten, Fotos, Zehnerkarten für den Lift oder die Patente gehören, die sein 1932 verstorbener Großvater für Deutschland, Frankreich, Österreich, Norwegen, Schweden, und die Schweiz erworben hatte.

Der Erfinder: Robert Winterhalder.

Der Erfinder des ersten Skilifts der Welt: Robert Winterhalder. © Klaus Winterhalder

„Simpel, einfach und hocheffizient“, beschreibt der Enkel die Erfindung des Großvaters, während er in der Gaststube sitzt und eine Prise Schnupftabak nimmt. Sein Großvater hatte nach einer Möglichkeit gesucht, den Kurgästen aus der Stadt, die unter Blutarmut oder Asthma litten und wegen der guten Luft nach Schollach kamen, die Mühen des Aufstiegs des 280 Meter langen Hanges mit einem Höhenunterschied von 23 Metern zu ersparen. Die Idee wurde, wenn man so will, aus der eigenen Bequemlichkeit geboren. Robert Winterhalder hatte bereits vor 1900 nach einem Weg gesucht, den Transport des Getreides in seine Mühle und des Mehls wieder zurück ins Haus zu erleichtern.

Das Prinzip: Ein endloses Drahtseil!

Dazu hatte er die Mechanik der Mühle so erweitern lassen, dass die über das Wasserrad erzeugte Kraft mithilfe eines endlosen Drahtseils in das Obergeschoss seines Hofes übertragen wurde, wo Heu und Getreide lagerten. Genau dieses Prinzip wandte er an, um seinen Gästen Annehmlichkeiten zu bereiten. Zwischen die zwei Umlaufräder an der Tal- und Bergstation wurde über fünf Holzmasten hinweg ein Endlosseil gespannt, an das speziell geformte Zangen mit Aufzugsvorrichtungen für die Fahrgäste geklemmt waren. Beim Patentamt meldete er einen Gebrauchsmusterschutz für die „Vorrichtung zum Hinaufziehen von Schneeschuhläufern und Rodlern mittels einer kontinuierlich sich bewegenden Seilbahn auf beschneite Berghänge“ an.

Der Bauplan des ersten Skilifts.
Der Bauplan des ersten Skilifts. © Klaus Winterhalder

Die Gäste kamen in Scharen, zeitweise verdiente der Gastwirt mehr Geld als alle Schollacher zusammen. Trotzdem war der Erfolg nur von kurzer Dauer. „Mein Großvater war seiner Zeit voraus“, sagt Klaus Winterhalder und nimmt noch eine Prise Schnupftabak. Ein Hofrat aus Karlsruhe besichtigte die Anlage und bescheinigte dem Erfinder, dass „die ganze Sache gut ist“. Doch ihm fehle der Hintergrund: „Sie sollten Doktor, Ingenieur oder wenigstens Techniker sein!“ Robert Winterhalter, der die Hotelfachschule in Lausanne besucht hatte und zur Unterhaltung seiner Gäste gerne Klavier spielte, hatte Techniker wie den „See-Karli“, von dem es auch alte Fotos gibt, die seine Erfindung umsetzten. Zur Internationalen Wintersportausstellung 1910 in Triberg wollte er seine Patente kaufen. Doch niemand biss an. Als der erste Weltkrieg ausbrach, wurde die Anlage abgebaut. Die Betriebsgenehmigung war ausgelaufen.

Der Schneckenhof heute: Viel Charme aus den 50ern ist erhalten geblieben.
Der Schneckenhof heute: Viel Charme aus den 50ern ist erhalten geblieben. © Klaus Winterhalder

Kartoffeln, wo einst der Skilift stand.

Auf dem Hang, wo vor über 100 Jahren Kurgäste im Winter komfortabel nach oben gezogen wurden, baut Klaus Winterhalder heute Kartoffeln an. Wer probieren will, wie die Erdäpfel schmecken, die dort gewachsen sind, wo einst der erste Skilift der Welt stand, braucht nur in den Schneckenhof einzukehren – die Geschichten zum Erfindergeist gibt es obendrein.