Die Landfrauen von der Goldenen Krone

Patente Hefezopf-Philosophie im Herzen von St. Märgen
10.07.2017

von Barbara Bollwahn

Die „Goldene Krone“ in St. Märgen ist mehr als ein wunderschön renoviertes und geschmackvoll eingerichtetes Café. Das Café ist ein Ausbund an Glaubwürdigkeit.

Alte Holzdielen, geweißte Wände und Decken, hellgrüne Holztüren mit Kastenschlössern, schlichte Holztische mit gehäkelten Decken, breite Fensterbretter mit Blumentöpfen, ein alter Schrank mit gestapelter weißer Tischwäsche und bauchigen weißen Kannen, ein gemütliches Sofa und Sessel als Leseecke samt Kinderspielzeug – die „Goldene Krone“ in St. Märgen ist mehr als ein wunderschön renoviertes und geschmackvoll eingerichtetes Café im Ortskern von St. Märgen, zu dem auch eine Gartenterrasse gehört. Das Café ist ein Ausbund an Glaubwürdigkeit, denn es wird von Landfrauen betrieben.

Kein Tisch bleibt leer

Die sind nicht nur patent, sie können zupacken, verfügen über einen gesunden Menschenverstand und die bekannte weibliche Intuition. Sie wissen auch ganz genau, woher die Zutaten kommen, die sie zwischen die Finger kriegen, wie sie hergestellt und am besten verarbeitet werden. Dabei sind die Landfrauen keine gelernten Konditorinnenmeister oder Profiköchinnen. Vielleicht gerade deshalb kochen und backen sie so gut, dass sie sich nicht sorgen müssen, dass die Tische leer bleiben.

Bevor das Café 2004 seine Türen öffnete, hatte das Haus, in dem es untergebracht ist, eine lange und wechselvolle Geschichte hinter sich. Die „Goldene Krone“ hieß vor langer Zeit „Neues Haus“ und wurde 1757 von einem Abt als Pilgerheim und Klosterherberge errichtet. Nach der Auflösung des Klosters entstand der Dorfgasthof „Krone“.

Bevor das Café 2004 seine Türen öffnete, hatte das Haus, in dem es untergebracht ist, eine lange und wechselvolle Geschichte hinter sich.
Bevor das Café 2004 seine Türen öffnete, hatte das Haus, in dem es untergebracht ist, eine lange und wechselvolle Geschichte hinter sich. © Barbara Bollwahn

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Haus um eine Etage aufgestockt und der einfache Gasthof verwandelte sich in ein luxuriöses Hotel. Aus dem Pilgergasthof wurde das führende Grand Hotel des Schwarzwaldes mit Dampfheizung, Bädern, Lesezimmer und elegantem Jugendstilsaal, in dem wohlhabende Gäste, Künstler und Gelehrte aus ganz Europa einkehrten. Regelmäßige Gäste waren die Philosophen Martin Heidegger und Edith Stein und auch der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer. Seit den 60er Jahren ging es mit dem Haus bergab, es wurde kein Geld mehr investiert, aus dem Grand Hotel wurde ein Asylbewerberheim, zuletzt stand es über 15 Jahre leer und die Abrissbirne drohte. Um diese abzuwenden, gründete sich eine Bürgerinitiative, eine GbR wurde gegründet, eine Interessensgemeinschaft von Idealisten, das Haus wurde entrümpelt und saniert. Doch dann fand sich kein Pächter. Das war die Stunde der Landfrauen, die das Café seither betreiben.

Alle Zutaten aus der Region

Am Anfang wussten die Landfrauen erst einmal nur, was sie nicht wollten: Keine Massenware, keine Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker, keine Erdbeeren im Winter, keine überzuckerten Markenlimonaden, keine Profis in der Küche, keinen schnellen Reibach. Dann waren schnell die wichtigsten Punkte klar: regional, saisonal, bodenständig. Gebacken und gekocht wird nach der „Hefezopfphilosophie“: „Wird es nicht jedem warm ums Herz, wenn es nach frisch gebackenem Hefezopf duftet, der mit Liebe, viel Zeit zum gehen, reichlich frischer Butter, Milch und Landeiern zubereitet wurde und noch heiß und glänzend aufgetragen wird?“, heißt es in einer hübsch gemachten Broschüre über die Geschichte des Cafés.

500 Schwarzwälder Kirschtorten backen die Landfrauen pro Jahr.

„Unsere Urgroßmütter beherrschten dieses Ritual und hielten auch damit manchen Familienklan über Jahrzehnte hinweg zusammen.“ Bis auf ganz, ganz wenige Zutaten, so wie die Vanille für das Eis, kommen aus der Region, die Kräuter wachsen in einem Garten nur wenige Meter von der Küche entfernt. Im vorderen Teil der „Goldenen Krone“ werden Obstbrände, Weine, Liköre, Pfefferminzsirup, die Hausspezialität der „Goldenen Krone“, Schwarzwälder Tannenhonig, Schokolade, Seifen und viele Produkte mehr verkauft, die ebenfalls in der Gegend produziert werden.

Die Landfrauen setzen nicht nur auf altbewährte Koch- und Backkunst und Familienrezepte. Sie schlagen zwar den Bogen zur Vergangenheit, indem sie, wie die barmherzigen Brüdern in der Klosterherberge, eine barmherzige Suppe anbieten, eine Nudelsuppe mit Rindfleisch. Sie haben aber auch einen guten Blick fürs Detail und reichen zu jedem Kaffee aus Mürbeteig selbst gebackene kleine Kronen. Und sie sind innovativ. Die Landfrauen haben den „Käsemichel“ erfunden, einen mit einem Deckel aus Butter-Quark-Teig überbackener Weichkäse, der mit einem Patent beim deutschen Patentamt geschützt ist. Der Weichkäse kommt, es erübrigt sich fast zu sagen, aus der Region, ebenso das Mehl für den Deckel. Aufs Jahr gerechnet verbrauchen die Landfrauen 3.000 Liter Sahne, schlagen sie 10.000 Eier auf, verbrauchen sie mehr als 30 Säcke Kartoffeln. 500 Schwarzwälder Kirschtorten backen sie pro Jahr, in denen ein Großteil des jährlichen Kirschwasserverbrauchs von 125 Liter Litern landet und die nicht nur deshalb so unglaublich gut schmecken.

Ein Schmuckstück im Dorf: die "Goldene Krone" im Ortskern.
Ein Schmuckstück im Dorf: die "Goldene Krone" im Ortskern. © Barbara Bollwahn

Seit 2012 wird die mehrfach ausgezeichnete „Goldene Krone“ als Genossenschaft geführt, der LandFrauenWirtschaft eG., bei der auch Stammgäste und Lieferanten Mitglieder sind. Als Gewinn ihres Unternehmens betrachten die Landfrauen nicht nur die Wiederbelebung der „Goldenen Krone“, sondern auch die geschaffenen Arbeitsplätze, familienfreundliche Teilzeitstellen, und ihren ganz persönlichen Beitrag zur Stärkung der Region, in der sie zu Hause sind.