Familie Bähr lebt mit 16 Siberian Huskys zusammen. Es sind tolle Tiere, benötigen aber eine Menge Zeit und Aufmerksamkeit, was jedem künfitgen Halter bewusst sein sollte.

Angebandelt

Wie eine große Familie: Mit Huskys auf Tour im Hochschwarzwald
10.09.2020

von Anita Fertl

Sie stehen im Ruf, wild und unbezähmbar zu sein. Faszinierende Kraftpakete auf vier Pfoten. Doch wer bei Sascha Bähr in das Familienleben von und mit Siberian Huskys schnuppert, staunt nicht schlecht: Unter seiner Regie werden die temperamentvollen Vierbeiner auch schon mal zu sanften und verschmusten Kuscheltieren – ein Besuch bei 16 Hunden und ihrem Herrchen.

Lebhaftes Bellen empfängt uns schon draußen, vor dem geschlossenen Zwinger. Denn die Huskys wissen: Wenn Gäste kommen, dann werden sie gestreichelt, bewundert und dürfen raus. Sascha Bähr bietet im Hochschwarzwald Wanderungen, Schlitten-, Rad-, Tretroller- oder Trainingswagenfahrten mit Hund an, Workshops und ganze Husky-Wochenenden. Oder auch Schnupper-, Kuschel- und Kennenlernstunden mit Spaziergängen für Familien. Heute wollen wir, zwei Mütter mit ihren beiden 14-jährigen Söhnen, auf Tuchfühlung mit den Tieren gehen. Und sind dabei mindestens ebenso aufgeregt wie die Hunde selbst: Werden sie sich streicheln lassen? Auf uns hören? Und wie stark sind sie tatsächlich?

Beim Eintreten schwillt es an, das Wuff-Jaul-Kläff-Konzert – Freude auf hündisch. „Hey“, ruft Bähr scharf. Zack, ist Ruhe im Karton. Wir sind verblüfft. „Das wäre schön, wenn unser Hund zu Hause auch mal so schnell leise wäre“, meint einer der Jungs. Wir treten näher an die Gitter. Mannomann, sind die Tiere schön! Als Erstes fällt ein wacher Blick auf. Er trifft wie Feuer und Eis, aus einem warmen braunen und einem strahlendblauen Auge, dazu aufgestellte Ohren, leicht geöffnete Schnauze, gerade so, als wolle er lächeln: Kein Wunder, dass Sascha Bähr schon als Sechsjähriger in Huskys verliebt war, wie er schmunzelnd erzählt. Und den Traum hatte, selbst einmal einen zu halten.

Aus eins mach sechzehn

Wahr werden sollte dieser Traum aber erst gut 30 Jahre später. Mit Luna kam die erste Husky-Hündin ins Haus und später Rüde Koda, um das Husky-Glück perfekt zu machen. Was dann folgte, hört sich an wie eine wundersame Vermehrung: Mit dem ersten eigenen Wurf wurde mehr daraus: aus zwei mach fünf. Und weil es sich mit ungeraden Zahlen nicht gut im Hundegespann fahren lässt, kam Nanuk dazu. So führte eines zum nächsten und aktuell zu 16 Hunden. Dazu kommen die Zweibeiner Sandra (41) und Sascha (43) und ihre Kinder Kevin (17) und Niklas (14), so dass die Bähr-Hund-Großfamilie nun stolze 20 – und inklusive Katze Angel sogar 21 – Mitglieder zählt.

Für Sascha Bähr (l.) und Sohn Kevin gehören die Huskys mit zur Familie. Auch Besucher werden von den Vierbeinern herzlich begrüßt - eine Extra-Schmuseeinheit geht schließlich immer.
Für Sascha Bähr (l.) und Sohn Kevin gehören die Huskys mit zur Familie. Auch Besucher werden von den Vierbeinern herzlich begrüßt - eine Extra-Schmuseeinheit geht schließlich immer. © Anita Fertl

„Alles, was hier drin ist, war immer Familienentscheid“, sagt Sascha Bähr mit Blick auf das 16-köpfige Hundeglück im Zwinger. Denn alle Bährs sind hundeverrückt und wechselweise dürfen bis zu drei ihrer Tiere mit ins Haus, zum Kuscheln und auch zum Übernachten. Denn Huskys sind zwar Rudeltiere, brauchen entgegen der weitläufigen Meinung aber auch Schmuseeinheiten und Aufmerksamkeit, wie wir beim Kennenlernen und Streicheln feststellen – und jeder hat seinen eigenen Kopf: Wie Nala, die gegenüber den anderen Rudeldamen schon mal die Diva rauskehrt und sich nicht gerne kräftig tätscheln lässt, aber auf sanfte Streicheleinheiten steht. Ganz verschmust ist auch Leithündin Luna, die für Bähr ein besonderes Tier ist, sein erster Husky war und wie einige weitere des Rudels aus einem Fehlkauf stammte. Sie wurde zuvor von überforderten Besitzern nicht artgerecht behandelt und hat nun bei den Bährs ein liebevolles Zuhause gefunden.

Familienbande

Nicht zuletzt deshalb will der Huskyfachmann durch seine Touren und Schnupperstunden auch Infos zu Rasse und Haltung an Interessierte weitergeben – und was es heißt, sich einen Siberian Husky zuzulegen, damit es eben nicht zum Fehlkauf kommt. „Das sind tolle Tiere, aber die Leute sollten sich bewusst sein: Der Hund braucht Zeit.“

Und so packen alle Familienmitglieder kräftig mit an: Gehege sauber machen, zu Trinken, zu Fressen geben und natürlich für den Auslauf sorgen, der über das typische Gassigehen weit hinausreicht. Denn Schlittenhunde können während eines Winters insgesamt bis zu 10.000 Kilometer zurücklegen – ein Kraftakt, nicht nur für die Tiere. „Es gibt Tage, da willst du nichts anders machen als bei den Hunden zu sein, an anderen brauchst du auch mal deine Ruhe“, sagt Sohn Kevin, der gerade von einer Hunderunde wiederkommt. „Ich persönlich liebe die Hunde über alles.“ Kevin grinst und widmet sich gleich wieder seinen Lieblingen – während wir auf Tour gehen.

Volle Zugkraft am Berg

Nun geht’s komplett auf Tuchfühlung und raus auf einen Hundespaziergang: Schon während des Streichelns und Beschnupperns durch die Gitter haben sich unsere beiden Söhne für ihre Favoriten entschieden: Bennet möchte mit dem braunhaarigen Nanuk anbandeln, Fin mit Hündin Nala. Die Jungs steigen in die Bauchgurte, denn eine herkömmliche Leine würde Arme und Sehnen zu stark belasten. Bähr gibt erste Tipps, während die Tiere schon kräftig Richtung Ausgang drängen.

Mindestens 40 Kilo Körpergewicht braucht es, um mit einem Husky am Bungeeseil selbstständig spazieren zu gehen, erklärt Bähr. Denn nach jedem Schnüffeln zieht das Tier beim Antritt so stark an, dass der Ruck sonst für den Hundeführer zu kräftig wäre. Die Jungs ziehen los – oder sollte man besser sagen: werden losgezogen? Zum Glück geht es erst bergauf, das finden die beiden Zweibeiner noch angenehm.

Huskys sind Kraftpakete und ziehen stark an der Leine. Da heißt es: sanft dagegenhalten.
Huskys sind Kraftpakete und ziehen stark an der Leine. Da heißt es: sanft dagegenhalten. © Anita Fertl

Unter Bährs Anleitung üben die Jungs das Kurzfassen für den Fall, dass Spaziergänger entgegenkommen. Und ganz generell der Rat: Nie die Hände in die Hosentaschen stecken, sondern immer frei lassen. Wir erreichen ein Wiesenstück, es geht bergab: „Oh Gott, nicht so schnell!“ Die Jungs rennen mit, werden schneller und schneller. „Macht langsam, lehnt euch zurück“, ruft Bähr. Tatsächlich, es klappt.

Allmählich stellt sich Entspannung ein, bei den Herrchen und den Hunden. Und spätestens, als es dann nach einer guten, frischluftigen Schnupperrunde bergauf zurückgeht, haben sie’s raus, lassen sich – „Cool, das ist ja voll entspannt“ – gemütlich und mit voller Zugkraft am Berg ziehen.

Glücksgefühle dank Vierpfotenantrieb

Doch wie fühlt es sich an, für eine Fahrt in die Haut eines Schlittenführers zu schlüpfen, also einmal Musher zu sein? Das darf ich im Selbsttest ausprobieren. Die Tiere spüren, dass es bald losgeht, stimmen ein hohes, jaulendes Gebell an. Dann ist es so weit, zwei Hunde sind angeschirrt, Bähr gibt noch letzte Anweisungen. Mit fünf Befehlen leite man die Tiere durch den Schnee: „Links, rechts, go, slow und stop – in Ordnung?“ Kapiert. Aufregung macht sich breit, bringt das Herz zum Rasen.

Es geht los, der Schneestaub spritzt auf unter den acht Pfoten, die ihn durchpflügen. Krampfhaft krallen sich meine Hände um den Griff des Rennschlittens, die Füße stehen auf den Kufen wie auf Skiern. Vor mir ist das Renngeschirr straff gespannt, die Huskys ziehen mit aufgestellten Ruten, ihre Körper beschreiben geschmeidige Wellenbewegungen. Wow, was für eine Kraft! Die Schlittenkufen gleiten scheinbar mühelos durch den Schnee, es ist wie im Traum.

Doch noch ist keine Entspannung in Sicht, denn das kniffligste sind die Kurven. Ohje, da kommt schon eine! Nun heißt es leicht in die Knie gehen und den Körper in die Kurve beugen – aber bloß nicht zu stark, sonst kippt das leichte Gefährt. Ich fliege um die Kurve, aber zum Glück nicht vom Schlitten. Die Hunde werden langsamer, spüren wohl mein Zögern. „Go! Hopphopphopp, mithelfen mit dem Fuß, reinlegen, ziehnziehnziehn, ja, go, go, go!“, feuert Bähr seine menschlichen und tierischen Schützlinge an. Na bitte klappt doch, wir nehmen wieder Fahrt auf.

Ich entspanne mich, genieße die kraftvollen Bewegungen vor mir, den Wind, den Schneestaub im Gesicht. Vor Glück rast mein Herz, die Zeit leider auch: „Und jetzt stop, bremsen, jawoll!“ Die Hunde halten an, leider, leider. Aber das Adrenalin pumpt weiter durch die Adern, es war ein bisschen wie fliegen – danke Kenai und Luna, danke für euren sagenhaften Vierpfotenantrieb!

Jeden Winter findet neben verschiedenen Husky-Touren auch das Schlittenhunderennen in Todtmoos statt.
Jeden Winter findet neben verschiedenen Husky-Touren auch das Schlittenhunderennen in Todtmoos statt. © Hochschwarzwald Tourismus GmbH

Lust bekommen, selbst mit Huskys auf Tour zu gehen?

Huskytouren Hochschwarzwald in Lenzkirch
huskytouren-hochschwarzwald.de

Schlittenhundefarm und Fahrten mit skandinavischen Schlittenhunden
Bachmann Mushing in Schönwald
bachmann-mushing.de

Internationales Schlittenhunderennen
Den Profis in voller Fahrt zuschauen und die Huskys hautnah erleben - das können Besucher jedes Jahr Ende Januar beim große Schlittenhunde-Wochenende in Todtmoos. 

Aktuelle Informationen finden Sie unter hochschwarzwald.de/veranstaltungen.