Der Klassiker der Kuchentheke

Back- und Konditorhandwerk in vierter Generation
01.02.2019

von Daniela Frahm

Die Schwarzwälder Kirschtorte hat immer Saison, auch im Café Ell, das seit mehr als 100 Jahren im Familienbesitz ist.

Clemens und Martin Huber betreiben in vierter Generation das Café Ell in St. Blasien, das ihr Urgroßvater gegründet hat. Der Konditor- und der Bäckermeister schreiben damit eine Familiengeschichte fort, zu der auch eine Zeit als „Großherzoglich badischer Hoflieferant“ gehört hat. Damals gab es allerdings noch keine Schwarzwälder Kirschtorte – die wurde erst später erfunden.

Wer das Café Ell in St. Blasien betritt, steht sofort vor einer imposanten Kuchenvitrine. Darin werden neben Sahnetorten und Streuselkuchen Kreationen aus Erdbeeren, Himbeeren, Aprikosen oder Zwetschgen angeboten – je nach Jahreszeit. Eine hat allerdings immer Saison: die Schwarzwälder Kirschtorte. Sie ist der Klassiker der Kuchentheke und wird besonders von Touristen gerne da verzehrt, wo sie herkommt. „Sie hat einfach einen Namen und wenn ein Reisebus hier Stopp macht, ist sie meistens komplett weg“, erzählt Clemens Huber lachend. Der Konditormeister betreibt das Café Ell seit 1999 zusammen mit seinem Bruder Martin, der Bäckermeister ist, in vierter Generation. Auch die Eltern helfen immer noch mit.

Zwar ist die Kuchenvitrine im Café Ell sehr imposant, doch am beliebtesten ist bei Touristen die Schwarzwälder Kirschtorte
Zwar ist die Kuchenvitrine im Café Ell sehr imposant, doch am beliebtesten ist bei Touristen die Schwarzwälder Kirschtorte © Daniela Frahm

Schon als kleiner Junge lief Clemens Huber durch die Backstube seines Vaters Erich und half ihm, während seine Mutter Viktoria, geborene Ell, sich um den Verkauf kümmerte. Bei seiner Berufswahl habe er sich aber „nie unter Druck gesetzt gefühlt“, betont Clemens Huber. Trotzdem war es für ihn und seinen Bruder klar, dass sie nach ihren Lehrjahren und der Meisterprüfung, nach Stationen in Karlsruhe, Köln und der Schweiz, wieder nach St. Blasien zurückkehren und die Familientradition fortsetzen. Gegründet wurde der Betrieb 1903 vom Urgroßvater der Brüder, dem Bäckermeister Friedrich Ell. Dieser übernahm zunächst die Bäckerei des Hotels Hirschen und kaufte zwei Jahre später die Bäckerei und das Kaffeehaus des Hofbäckers Ewald Ebner, der sich 1877 in der Hauptstraße des Kurortes niedergelassen hatte.

1914 kamen adlige Gäste zu Besuch

Mit seiner Frau Frieda baute Friedrich Ell den Betrieb an dem Standort auf, an dem er noch heute zu finden ist. Rund zehn Jahre nachdem der Bäcker das Unternehmen gegründet hatte, bewirtete er 1914 das badische Herrscherpaar, Großherzogin Hilda und Großherzog Friedrich II., die vor dem Dom in St. Blasien ein Denkmal einweihten. Kurz darauf wurde sein Antrag bewilligt, sich „Großherzoglich badischer Hoflieferant“ nennen zu dürfen. „Was das damals konkret beinhaltet hat, lässt sich heute leider nicht mehr herausfinden“, sagt Clemens Huber bedauernd.

Das Café Ell in der Anfangszeit bis zum Jahr 1928
Das Café Ell in der Anfangszeit bis zum Jahr 1928 © Café-Ell_Huber

Es dürfte allerdings sicher sein, dass Friedrich Ell damals beim herzoglichen Besuch keine Schwarzwälder Kirschtorte servierte. Die wurde erst später gebacken – auch wenn sich nicht klären lässt, von wem und wann genau zum ersten Mal. Josef Keller aus Bad Godesberg behauptete zwar, sie 1915 erfunden zu haben, nach Recherchen des Tübinger Stadtarchivars Udo Rauch spricht aber mehr dafür, dass Erwin Hildenbrand sie 1930 in Tübingen erstmals herstellte, der in den Jahren zuvor im Schwarzwald gearbeitet hatte. Schriftlich erwähnt wurde die Schwarzwälder Kirschtorte erstmals 1934, und dann dauerte es noch einige Jahre, bis sie zur bekanntesten und beliebtesten Torte in Deutschland und auch weltweit wurde.

Während um viele Rezepte von Spezialitäten ein Geheimnis gemacht wird, kann die Schwarzwälder Kirschtorte eigentlich jeder backen. Das Rezept findet man auch auf der Internetseite des Café Ell. „Das ist eine rein handwerkliche Tätigkeit, und wenn man das gelernt hat, kann man das“, erklärt Clemens Huber. Manche seiner Gäste behaupten, dass die Schwarzwälder im Café Ell die beste sei, die sie je gegessen haben. Viel Spielraum für Innovationen bietet der Klassiker jedoch nicht – und sie sind auch nicht gewünscht. „Vielleicht könnte man optisch mal was anders machen, aber man kann sie nicht neu erfinden“, sagt Clemens Huber.

Im Café Ell können Besucher die hausgemachte Schwarzwälder Kirschtorte probieren
Im Café Ell können Besucher die hausgemachte Schwarzwälder Kirschtorte probieren © Café Ell, Huber

Freitags gibt es Holzofenbrot

Bei den anderen Kuchen und Torten hingegen wird im Café Ell genauso variiert wie beim Brot, für das Bäckermeister Martin Huber zuständig ist. Von April bis November backt er immer freitags, während des Wochenmarktes, draußen vor dem Laden Holzofenbrot. Die Hubers fühlen sich der Tradition ihres Handwerks verpflichtet und dazu gehört für sie auch, Kaffee selbst zu rösten. Das haben schon Vater und Großvater gemacht. Durch eine Scheibe des Cafés ist noch die alte Röstmaschine zu sehen, Baujahr 1958. Zum Einsatz kommt sie aber nur noch selten. Inzwischen steht vorne im Laden eine kleinere, modernere Maschine, in der Kaffee aus vier Ländern gemischt und geröstet wird, der zusätzlich für angenehmen Duft sorgt.

Sohn und Bäckermeister Martin Huber ist fürs Brot zuständig
Sohn und Bäckermeister Martin Huber ist fürs Brot zuständig © Kathrin Blum

Sonntags ist im Café Ell Ruhetag. Das haben die Eltern der Huber-Brüder in den 1970er-Jahren eingeführt und die Söhne haben es beibehalten. „Ein freier Tag muss sein, und mit schulpflichtigen Kindern ist der Sonntag einfach ideal“, meint Clemens Huber. Und schließlich hat das Ell dafür an vielen Feiertagen geöffnet, fügt seine Frau Gundula Carrara hinzu. Sie arbeitet in der Küche mit, bereitet Essen zu und ist für den Verkauf zuständig. Denn im Café Ell gibt es schon seit einigen Jahren nicht nur Torten, Kuchen, Pralinen, Brot und Brötchen, sondern auch eine Speisekarte mit festen und saisonal wechselnden Gerichten.

Die Nachfolge steht noch nicht fest

Clemens Huber hat zwei Söhne im Teenageralter, sein Bruder einen. In den Ferien sind auch sie öfter mal in der Backstube zu finden. Aber bei ihnen gelte ebenfalls: „Es gibt keinen Druck, dass sie das Geschäft mal übernehmen müssten. Wir sind da ganz entspannt – wenn es sich ergibt, wäre es natürlich schön.“ Noch sind auch die Eltern Erich und Viktoria Huber im Geschäft präsent, die Mutter kümmert sich fast täglich um die Planung für den kommenden Tag.

Viktoria Huber und Sohn Clemens würden sich freuen, wenn auch die nächste Generation das Café weiterführt
Viktoria Huber und Sohn Clemens würden sich freuen, wenn auch die nächste Generation das Café weiterführt © Daniela Frahm

Bilder aus verschiedenen Jahrzehnten dokumentieren, wie das Café immer wieder verändert und dem Zeitgeist angepasst wurde. Wenn Clemens Huber das Foto aus den 70er-Jahren anschaut, in dem vieles in orange und braun gehalten war, muss er ein bisschen schmunzeln: „Die Lampen könnten fast schon wieder modern sein.“ Etwa alle zehn Jahre müssen die Hubers renovieren und teilweise auch modernisieren, um für ihre Kunden attraktiv zu bleiben. Bei der Schwarzwälder Kirschtorte hingegen, da bleibt auch im Café Ell alles beim Alten.

Gut zu wissen

In die Geschichte des „Großherzoglich badischen Hoflieferanten“ eintauchen und dort die hausgemachte Schwarzwälder Kirschtorte probieren – das können Besucher im Café Ell, Hauptstraße 35, 79837 St. Blasien. Im Todtnauer Ortsteil Todtnauberg ist der Königin der Torten sogar ein eigenes Festival gewidmet: Alle zwei Jahre steigt hier das Schwarzwälder Kirschtortenfestival, bei dem im Wettbewerb zwischen Profi-Patissiers und Hobby-Konditoren die schönste und schmackhafteste Kirschtorte gekürt wird – das nächste Mal im April 2020.