Die Schonacher Strohflecht-Tradition
Schonach hat Uhren – und einen Weltcup! Das Dorf war aber auch noch in einem ganz anderen Bereich stark: in der Strohflechterei.
Das alte Handwerk wird gerade wiederentdeckt.
Wenn es früher schneite und der Winterwind um die Höfe pfiff, saßen alle in der Stube am Kachelofen zum Werkeln und Handarbeiten. Das, was sich romantisch und gesellig anhört, war ein wichtiges Zubrot und wurde zu einem der ältesten Industriezweige des Schwarzwalds: die Strohflechterei.
Ein Zentrum der Hochschwarzwälder Strohindustrie war Schonach. Noch heute treffen sich die Schonacher gerne am Kachelofen. Dort sitzen Ingrid Schyle und Kathrin Kimmig vom Förderverein Schwarzwälder Strohmanufactur Schonach, der sich dem Erhalt des Kulturguts widmet, und flechten Strohzöpfe als Grundlage für Hüte und Schuhe.
Von Stroh zu Gold
Doch wie und wann fing alles an? „Schon Votivtafeln der Wallfahrtskirche Triberg von 1716 zeigen Trachtenträgerinnen beim Kirchgang mit Strohhut“, erzählt Schyle. „Zu dieser Zeit ist keiner ohne Hut aus dem Haus. Am Sonntag in die Kirche ohne Hut, das war undenkbar.“ Die Finger der beiden bewegen sich flink. Vor ihnen liegt die Basis dieser Erfolgsgeschichte: das Stroh, das für die Schonacher quasi zu Gold wurde. „Zur Blütezeit um 1810 waren bei uns im Amtsbezirk Triberg etwa 1500 Menschen in der Strohindustrie beschäftigt –– mehr als in der Uhrenindustrie. Und wir sind ein Uhrendorf", hebt Schyle hervor.
Das „Abfallprodukt“ des Roggens taugte für vieles: Man deckte Dächer damit ein, schlief auf dem Halmensack, fertigte grobe Körbe und Strohschuhe. Mit feinen Geflechten, für die sie berühmt werden sollten, machte der Schonacher Obervogt Huber die Bevölkerung dann 1806 bekannt. Er hatte sie von Lehrmeistern aus der Schweiz und Italien abgeschaut. Denn durch Kriege und schlechte Ernten herrschte bittere Armut, und die filigranen Flechtwerke sollten helfen, sie zu vertreiben. Das gelang – mochte der Pfarrer noch so sehr von der Kanzel wettern, weil der Roggen für die feinen Arbeiten biegsam sein und deshalb unreif geerntet werden musste.
Blüte, Untergang und Wiederbelebung
Es entstanden Flechtschulen, und 1863 öffnete die Schonacher Strohhutfabrik von Ludwig F. Sauter. Die Frauen in der Fabrik nähten Trachtenhüte, und die Bevölkerung stellte in Heimarbeit die Strohzöpfe dafür her. „Das Tauschmaß waren 32 Meter – das dauert unheimlich lange – und für die gab es in schlechten Zeiten grade mal ein bis zwei Laibe Brot“, erzählt Kimmig. Doch das Geschäft boomte: Die Strohhutfabrik lieferte 1870 neben den Hüten ganze 1200 Taschen pro Woche aus – bei etwa 2000 Einwohnern im Dorf. Aber billigere Produkte aus China und Japan verdrängten die heimischen Hüte allmählich vom Markt, das Strohflechten wurde immer unbedeutender. Noch bis 1992 nähten die Schonacher vor allem Fastnachtshüte, ehe die Strohhutfabrik schloss.
Dennoch lebt die Tradition des Flechtens weiter. Das Interesse etwa an eigenen Strohfinken – also Schuhen aus Stroh – wächst wieder und auch die Kopfbedeckung aus Stroh ist längst kein alter Hut mehr – auch dank des Fördervereins, der sich 2016 gründete, um den Abriss der alten Fabrik zu verhindern. Zwar sorgte ein Hausschwamm dafür, dass das Gemäuer nicht mehr zu retten war. Doch in den verwaisten Räumen der ehemaligen Drogerie Sperl in der Hauptstraße soll die Strohmanufactur Sauter als Museum weiterleben. Der Verein organisiert Unterrichtsstunden im Flechten für Drittklässler, dazu viele Kurse und Events für Gäste. „Wir sind angetreten, um das Kulturgut zu bewahren, aber auch weiterzuentwickeln und weiterzugeben“, sagt Schyle. Denn, so schwärmt sie: „Stroh wärmt, schützt, glänzt, ist nachhaltig – es ist einfach ein cooles Material.“