Thomas Pfrengle beherrscht ein altes Handwerk.

Die Tradition der Ofensetzer

Ofensetzer haben vor 100 Jahren genauso gearbeitet, wie wir heute
25.02.2014

von Patrick Kunkel

Thomas Pfrengle liebt den Beruf, der Handwerk mit Tradition verbindet. Der junge Mann ist Ofensetzer im Hochschwarzwald. Ihn begeistert die Schlichtheit der alten Grundöfen und er liebt seinen Beruf.

Die Tür auf. Und rein in die dunkle Diele. Dann Kopf einziehen, weil die Decke so niedrig ist. Thomas Pfrengle lächelt: „Ich such' erstmal Licht“, sagt er und verschwindet in dem düsteren, langen Schlauch von Flur. Ein kühler Luftzug weht durchs Gemäuer, es duftet modrig, nach altem Haus. Der Dommeshof in Hubertshofen nahe Eisenbach ist jahrhundertealt. Ein stattliches Schwarzwaldhaus mitten im Ort, erbaut im Jahr 1582, schon lange unter Denkmalschutz stehend, seit Jahren leer – und heute eine eisig kalte Baustelle.

Thomas ist ein groß gewachsener, junger Mann, 28 Jahre alt, schwere Schuhe an den Füßen, schwarz-grüne Arbeitsklamotten am Leib und ein nettes Lächeln auf den Lippen. Mit einem Scheinwerfer in der Hand kommt er zurück und die Lampe enthüllt, was im grauen Licht des frühen Morgens nur schemenhaft zu ahnen war: Von der niedrigen Stubendecke blättert der angegilbte, einst weiße Lack, in einer Nische wacht die Muttergottes über den Staub, der die alten Bodendielen, Eckbank, und die Fenstersimse überzieht. In der alten Räucherküche nebenan bröselt der Putz und Ruß klebt an den grünschwarzen Wänden. Im Eck steht ein Kachelherd. Der ist nagelneu und doch steinalt. Thomas hat ihn gebaut, besser gesagt: Er hat ihn so wieder aufgebaut, wie er vor über hundert Jahren ursprünglich dort errichtet worden ist.

Der unter Denkmalschutz stehende Dommeshof in Hubertshofen nahe Eisenbach ist jahrhunderte alt.
Der unter Denkmalschutz stehende Dommeshof in Hubertshofen nahe Eisenbach ist jahrhunderte alt. © Patrick Kunkel

Thomas ist Ofensetzer und der alte Hof ein paar Wochen lang sein Arbeitsplatz. „Am liebsten sind mir natürlich beheizte Baustellen in Neubauten“, sagt er und zuckt die Schultern: „Hier ist es zwar kalt und man muss gucken, wo man Wasser und Strom herbekommt. Aber sie ist auch eine der schönsten und spannendsten.“

Der Kunde: Ein Geigenbauer aus London

Auf einem Regalbrett stehen noch Teller, Tassen und Krüge, an Wandhaken hängen Schöpfkellen. Aber hier wohnt schon lange keiner mehr. Hier ist jetzt Baustelle. Ein Geigenbauer aus London, ein gebürtiger Bräunlinger, hat den alten Hof gekauft und lässt ihn nun möglichst originalgetreu wieder herrichten, um später darin zu wohnen – schwer vorstellbar, bei dem zugigen, muffigen Loch. Doch in ein paar Jahren werden vier Kachelöfen Behaglichkeit und Wärme verbreiten.

Dafür sorgen Thomas und seine Kollegen. Sie richten die alten Schmuckstücke wieder her, der Kachelherd in der Küche ist schon fertig gestellt: Kalt und noch nie geheizt steht er da, in der beigefarbenen Kachelfront sind drei gusseiserne Türen eingelassen, die ebenso sorgsam saniert wurden wie die massive Herdplatte. Diese ist nun geöffnet und man kann von oben in das ungewöhnlich saubere Innenleben des Ofens blicken:

“Sieht man selten, so einen Ofen ohne Ruß. Nach dem ersten Mal anheizen ist das natürlich anders“,
(Thomas Pfrengle)

sagt Thomas und erklärt dann, wie er in den vergangenen Tagen Schicht für Schicht die keramischen Heizzüge aus Schamottesteinen aufgemauert hat, durch die dann später der heiße Rauch so durch das Innere des Ofens geleitet wird, dass sich all dessen Teile möglichst gleichmäßig aufheizen. Vom Küchenofen aus wird in Zukunft auch die Chuscht in der nebenan liegenden Stube beheizt werden – die steinerne, warme Ofenbank, so wie sie viele alte Schwarzwaldhäuser ziert.

Auf einem Regalbrett stehen noch Teller, Tassen und Krüge, an Wandhaken hängen Schöpfkellen. Aber hier wohnt schon lange keiner mehr.
Auf einem Regalbrett stehen noch Teller, Tassen und Krüge, an Wandhaken hängen Schöpfkellen. Aber hier wohnt schon lange keiner mehr. © Patrick Kunkel

„Für den Kachelherd haben wir etwa vier Tage Arbeit benötigt“, erklärt der Ofensetzer. Einen großen Kachelofen zu bauen, dauert etwa doppelt lang. Er steht vor einem großen Loch in der Stubenwand, dahinter ist uraltes Mauerwerk aus Feldsteinen sichtbar: „Hier kommt einmal der Grundofen hin, schade, dass ich Dir den jetzt nicht zeigen kann“, sagt er. Denn Grundöfen faszinieren ihn besonders. Weil sie eine Schwarzwälder Tradition seien. Und weil er nun einmal ein heimatverbundener Mensch sei. Er schätze diese Tradition, aber auch das ausgeklügelte Innenleben dieser Ofenform: „Die komplett aus Schamotte gemauerten Grundöfen mit ihrer Gewölbeöffnung sind mir die liebsten Öfen. Denn sie gibt es nur hier, im Schwarzwald und im Allgäu, und sie sind die ursprünglichsten und ältesten Vertreter aller Kachelöfen.“

Auch wegen solcher Aufträge, die Handwerk mit Tradition verbinden, hat Thomas den Beruf des Ofensetzers ergriffen, vor zehn Jahren: Hat erst ein Praktikum gemacht bei Welte, den Ofenbauern aus Eisenbach im Hochschwarzwald, dann eine Lehre, und ist nun gestandener – und bei Welte angestellter – Ofensetzer. Damals wurde seine Liebe zu seinem Beruf angefacht: „Das hat mir gut gefallen, dass man mit dem Feuer arbeitet, dass es ein sehr traditioneller Beruf ist, wo die Technik nicht mehr so mordsmäßig verfeinert werden kann“, sagt er.

“Im Prinzip haben Schwarzwälder Ofensetzer vor hundert Jahren genauso gearbeitet, wie wir das heute noch tun.“
(Thomas Pfrengle)

„Die Geschwindkeiten haben sich geändert und ein paar Werkzeuge. Aber das war es dann auch. Das finde ich gut.“

Bodenständig und gemütlich

Er sagt über sich, er sei ein bodenständiger Mensch: „Ofensetzer ist ein solides Handwerk, man hat körperlich zu tun und Abends sieht man, was man tagsüber mit seinen Händen geschafft hat.“ Bloß ist das Ergebnis etwas ganz Besonderes:

“So ein Ofen ist der Inbegriff von Bodenständigkeit und Gemütlichkeit. Kachelöfen vermitteln auch ein Lebensgefühl und sind seit Jahrhunderten beliebt.“
(Thomas Pfrengle)

„Viele im Schwarzwald backen da heute noch ihr Brot drin oder ihren Sonntagsbraten.“

Vor einem Jahr hat Thomas einen Grundofen im Haus seiner Eltern neu gebaut. Den alten erst Stück für Stück abgetragen, jede Kachel sorgfältig gereinigt und dann nach und nach den Ofen wieder errichtet – erst das neue Innenleben aus Schamotte und dann die alten Kacheln drumherum gesetzt. Zusätzlich hat er eine Chuscht-Bank gemauert: „Meine Mutter will da gar nicht mehr runter. Es ist einfach schön, wenn man Abends auf der Chuscht sitzen kann. Die ist täglich im Gebrauch. Das ist der Mittelpunkt, wo man sich dann trifft, zum Mittagessen, zum Kaffee, zum Abendessen.“

"Jeder Ofen ist eine neue Herausforderung."
(Thomas Pfrengle)

In seinem Betrieb in Eisenbach arbeiten drei Trupps mit je zwei Mann auf den Baustellen. Wer Thomas in einer Werkstatt besuchen will, hat es schwer. Es gibt keine Werkstatt. Natürlich nicht. Wuchtige, schwere Kachelöfen, wie sie der Ofenbauer und seine Kollegen errichten, werden vor Ort komplett aufgebaut. In Eisenbach befindet sich lediglich ein Material- und Werkzeuglager sowie eine Ausstellung.

Ofenbauer sind überall gefragt, so lernt Thomas auch Land und Leute kennen.
Ofenbauer sind überall gefragt, so lernt Thomas auch Land und Leute kennen. © Patrick Kunkel

Einsatzorte der Ofenbauer sind im ganzen Schwarzwald, das schätzt Thomas besonders, denn so lernt er Land und Leute noch besser kennen – und natürlich auch die vielen unterschiedlichen Öfen: „Jeder Ofen ist eine neue Herausforderung, und natürlich jede Baustelle. Oft müssen wir auch Kamine bauen, Blecharbeiten machen, schweißen oder Heizrohre verlegen. Das macht den Beruf sehr abwechslungsreich.“

Europaweit gefragt

Heute sind die Handwerkskünste der Schwarzwälder Ofenbauer auch weiter weg in Deutschland, in der Schweiz, im Elsass oder auch mal in Südfrankreich gefragt. „Die Öfen entwirft ein Zeichner, mit der Planung habe ich nichts zu tun. Dafür mit Werkzeug.“ Sehr traditionelle Werkzeuge seien Dorn und Haumesser, zur Bearbeitung von Kacheln und Schamottesteinen, sagt Thomas. Aber diese wurden heutzutage durch eine Nassschneidemaschine ersetzt. „Doch das am häufigsten gebrauchte und beste Werkzeug sind nach wie vor die Hände.“ Eben so, wie vor hundert Jahren.